Guido Knopp: Das Weltreich der Deutschen

Ich besitze keinen Fernseher und das hat einige Vorteile – man vergammelt einfach nicht mehr so viel Zeit vor sinnlosen oder stumpfsinnigen Sendungen und spart sich die gräßlicher Werbeunterbrechungen. Außerdem ist man nicht auf das angewiesen, was gerade gesendet wird – Filme sind auf DVD viel gemütlicher.

Aufwändiges Reenactment zeichnet das „Weltreich der Deutschen“ aus.

Das Einzige, was ich dabei verpasse, sind die wenigen Dinge, die nur im Fernsehen laufen. Liveberichterstattung und Dokumentationen sind dabei die wohl wichtigsten Dinge. Das führt dazu, dass ich seit Ewigkeiten keine Dokumentation von Guido Knopp gesehen habe, obwohl darüber natürlich in Historikerkreisen diskutiert wird. Die einen sehen die Dokus als ganz ordentlich an, andere krititisieren die Hitler-Fixiertheit (auch wenn Guido Knopp gar keine Dokus über den Nationalsozialismus mehr dreht), andere halten sie gar für gefährliche Geschichtsverfälschungen und wieder andere machen sich einfach nur darüber lustig. Es war also dringend an der Zeit, sich eine eigene Meinung zu bilden. Vor allem, da die neue Dokumentationsreihe „Das Weltreich der Deutschen“ sich mit einem ähnlichen Thema beschäftigt wie meine Übung dieses Semester – die dreht sich um die kaiserliche Marine in der Südsee und Dr. Knopp bringt zu genau dem gleichen Thema eine Sendung.

Schaut man sich die Serie an, fällt zuerst der enorme technische Aufwand auf, der betrieben wurde. Die Kamera fliegt über ein aufwändig in 3D animiertes Berlin. Alten Bildern wurde mit technischen Tricks eine Pseudodreidimensionalität vermittelt. Expeditionsrouten werden nicht nur auf einer Karte gezeigt, sondern schlängeln sich durch eine computeranimierte Terrainkarte. Und auch die unvermeidlichen Reenactmentszenen sind erstaunlich gut umgesetzt und mit professionellen, perfekt gecasteten Schauspielern besetzt. Kein Vergleich zu anderen Dokumentationen – das schlimmste, was ich bisher in einer anderen Doku gesehen habe, war ein Schauspieler mit schlecht angeklebtem Bart und moderner Armbanduhr, der in einem Museum versucht hat, Abraham Lincoln zu spielen. Im Vergleich dazu haben die Reenactment-Szenen von Knopp durchaus Spielfilmcharakter.

Kurios – die Bewohner der Nudistenkolonie in der Südsee müssen wieder bekleidet herumlaufen.

Die technische Seite ist also gut, aber wie sieht es mit den Inhalten aus? Zuerst fällt auf, dass die Macher sich einiges vorgenommen haben. Die erste Episode behandelt die Erstbesteigung des Kilimandscharos, Carl Peters Regime, die Praxis des Schädelvermessens und ihre Nachwirkungen, den Mkwawa-Aufstand, den Maji-Maji-Aufstand, die Ereignisse des Ersten Weltkrieges, die deutsche Kolonialpolitik im Allgemeinen und dazu stellt sie noch zwei Personen anhand ihrer Tagebücher vor. Für 40 Minuten Sendezeit ist dies ein zu ambitioniertes Programm – etwas weniger Programm hätte der Sendung gut getan.

Weiterhin zeigt sich in dieser Sendereihe ganz deutlich das Problem der Zeitzeugen. Bereits in den Hitler-Dokus waren sie umstritten, aber da die Kolonialzeit nunmal noch länger zurückliegt, gibt es keine lebenden Zeitzeugen mehr. Knopp befragt daher einen Enkel und einen Großneffen, welche beide die entsprechenden Personen nicht mehr kannten. Dies führt dazu, dass die üblichen Familiengeschichten erzählt werden, welche natürlich entsprechend kritisch zu sehen sind. Ebenso fragwürdig ist, warum Sengondo Mvungi befragt wird – Knopp stellt ihn als „Politiker in Tansania“ vor, eine kurze Google-Recherche zeigt aber, dass er bei den letzten Wahlen erstaunliche 0,49% der Stimmen bekommen hat. Auch ansonsten wird selbst mit einer weitergehenden Internetrecherche nicht klar, warum gerade er befragt wird. Dies wäre eigentlich kein Problem, wenn nicht gerade er als Kronzeuge für eine versöhnliche Sicht auf die Kolonialzeit fungieren würde. „Brutal, aber fortschrittlich“ ist das Fazit, welches die Dokumentation zieht; die Kolonialzeit wird – trotz der Erwähnung von Rassismus, Massakern und Ausbeutung – als gar nicht so schlimm dargestellt. In Tansania wurde Entwicklungshilfe geleistet, die Samoaner mit deutschen Wurzeln sind pünktlicher und fleißiger als die anderen und die Doku zeigt auch zu allem Überfluss noch eine Samoanerin, die ein Grab eines unbekannten deutschen Kolonialsoldaten besucht. Am Ende bleibt dann doch ein etwas merkwürdiges Gefühl zurück – die Technik ist super, der Rest eher durchwachsen.

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