Dachau, die Stadt, Rechtsextreme und keine Zensur

Die Süddeutsche Zeitung versucht heute einen etwas merkwürdigen Aufreger zu produzieren. Die Zeitung wälzt erstaunlich lange die gar nicht so spektakuläre Geschichte Robert Wanningers aus. Dieser spielt ein Browserspiel, in dem es um den Aufbau einer virtuellen Stadt geht. Ein typisches Browserspiel und ein gnadenloser Zeitfresser wie viele andere auch.

Soweit ist das alles unspektakulär – der „Skandal“ entstand aber, weil er den Namen seiner Heimatstadt als Namen seiner virtuellen Stadt angegeben hat. Und da Wanninger in Dachau wohnt, wurde er von einem Moderator gebeten, den Namen der Stadt zu ändern:

Vor einigen Tagen erhielt er dann aber eine E-Mail von einem Game-Operator, einer Art Schiedsrichter. „Ulja“ schrieb: „Ich habe einen oder mehrere deiner Städtenamen editiert. Diese sind in dieser Form nicht erlaubt, da diese entweder Wörter unserer ‚blacklist‘ enthalten oder beleidigend gegen andere wirken. Editiere diese und nutze stattdessen anständige Städtenamen.“

An diesem recht banalen Vorgang konstruiert die Süddeutsche einen kleinen Skandal, der allerdings recht schnell verpufft. Wanninger regt sich auf, dass Dachau nicht nur Standort eines der bekanntesten Konzentrationslager war, sondern natürlich auch eine normale Stadt mit immerhin 42000 Einwohnern im Umkreis von München ist. Um das zu unterstreichen werden natürlich diverse offizielle Stellen der Stadt kontaktiert und befragt, die auch alle nicht viel mehr als „wir sind auch eine Stadt“ verkünden können. Die ganze Geschichte löst sich dann auf, die Stadt beschwert sich beim Hersteller des Spieles und Wanninger darf seine Stadt weiterhin Dachau nennen. Trotzdem ist er beleidigt:

Für Wanninger ist der Fall damit nicht ganz erledigt. Er wird zwar weiter bei Ikariam siedeln. Eine Frage stellt sich ihm jedoch weiter: „Warum sollte ich mich schämen, dass ich in Dachau wohne?“ Diese Antwort blieben ihm sowohl der Game-Operator als auch sein Geschäftsführer schuldig.

Die Antwort ist simpel und sollte eigentlich klar sein: Da Dachau Standort eines der bekanntesten Konzentrationslager war, ist der Name Dachau eben eng mit dem Nationalsozialismus verknüpft. Dachau steht nunmal vor allem für das Konzentrationslager, die zugehörige Kleinstadt ist praktisch unbekannt. Auschwitz ist auch eine Stadt, in der Menschen wohnen. Die kennt auch keiner. Wenn jemand im Internet eine virtuelle Stadt Dachau gründet, dann kann das nunmal den Eindruck erwecken, dass er eine rechte Gesinnung pflegt. Das ist für die Einwohner der Stadt bedauerlich, aber es gibt nunmal keine andere Methode mit denen Anbieter solcher Spiele oder die Moderatoren arbeiten können. Es gibt eine Liste, die Beleidigungen, Fäkalwörter und natürlich mit Rechtsextremismus verknüpfte Wörter enthält; die Software zeigt den Moderatoren automatisch Benutzer an, die entsprechende Wörter in ihren Städte- oder Benutzernamen verwenden. Dies ist leider nötig, da doch recht viele Nutzer unterwegs sind, die versuchen mit diversen Geschmacklosigkeiten zu provozieren. Gameforge versucht nicht die Einwohner Dachaus zu diskriminieren oder zu provozieren, sondern ein Spielerlebnis und -umfeld zu bieten, das frei von rechtsextremen Parolen und Provokationen ist. Jeder, der schon einmal eine Weile Moderator in einem Forum war, wird den Kleinkrieg gegen Rechtsextreme kennen. Die einen treten recht plump auf, geben sich Benutzernamen, die sie sofort und auf den ersten Blick als Nazis entlarven (Hitler, Landser88, Goebbels etc.), andere gehen die Sache etwas subtiler an. Viele Moderatoren haben es sich angewöhnt, gegen solche Leute schnell und hart den Bannhammer zu schwingen und sie schnell zu verwarnen. Rechtsextremen keine Plattform zu bieten ist eine sinnvolle Strategie.

Herr Wanninger aus Dachau ist jetzt allerdings eher zufällig zwischen die Fronten geraten. Die Aufregung, welche die Süddeutsche Zeitung produziert, ist allerdings etwas übertrieben. Man muss nicht gleich einen Hauptamtsleiter befragen, um einen so simplen wie auch alltäglichen Vorgang zu klären. So tragisch es auch für die Stadt ist, den dumpfen Beigeschmack der Vergangenheit kann sie so schnell nicht abschütteln. Vor allem, wenn auch heute noch moderne Nazis den Namen für ihre Zwecke instrumentalisieren wollen.

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