Wallraff vs. Springer, ein neues Kapitel

Merke: Wenn du den Springer-Verlag richtig, richtig ärgerst, dann wird dieser richtig, richtig nachtragend und tritt auch mehrere Jahrzehnte später fleißig nach. Und es gibt wohl kaum einen, der den Springer-Verlag so dermaßen geärgert hat wie Günter Wallraff.

Letzten Sonntag holte das Springer-Blatt “Die Welt” in einem langen Artikel zum großen Rundumschlag aus: Es gebe Anzeichen, dass die Stasi maßgeblich an Wallraffs Buch “Ganz unten” mitgeschrieben habe, in dem er 1985 die Arbeitsbedingungen von Migranten in Westdeutschland thematisierte. Die Faktenlage dabei ist recht dünn. Wallraff wurde von der Stasi in der Kategorie “A-Quelle” geführt, was für “Abschöpfen” steht. Eine aktive Spionagetätigkeit einer derartigen Quelle oder gar ein Mitwissen ist damit noch nicht belegt. Umgekehrt spräche es auch gegen die Stasi, wenn sie nicht im Umfeld einer derart prominenten Person einen IM positioniert hätte.

Dieser soll laut Welt und Stasi Wallraffs Mitarbeiter Frank Berger gewesen sein, der nachweislich als Ost-Agent tätig war und laut eigener Aussage größere Teile des Buches selbst geschrieben haben soll. Richtig schmierig wird es, wenn die Welt hinterlistig „Kam Ali aus Ost-Berlin?“ fragt und damit dann natürlich auch direkt impliziert, dass auch Hans Esser aus Ost-Berlin ferngesteuert wurde, um die BILD-Zeitung zu diskreditieren.

Diese Geheimdiensttätigkeiten sind – wie Geheimdiensttätigkeiten nunmal sind – schwer zu durchblicken, daher hier der entsprechende Abschnitt aus der Wikipedia:

Im September 2003 wurden nach Einsichtnahme der BStU in die Rosenholz-Dateien Wallraff Verbindungen zum Staatssicherheitsdienst der DDR in den 1960er Jahren nachgesagt. So wurde dieser ab 1968[13] von der HVA als IM „Wagner“ geführt.[14] Wallraff bestreitet, jemals aktiv für die Stasi gearbeitet zu haben. Am 17. Dezember 2004 entschied das Landgericht Hamburg aufgrund seiner Klage gegen den Axel-Springer-Verlag, der ihn mehrfach als inoffiziellen Mitarbeiter und Stasi-Mitarbeiter bezeichnet hatte, dass durch die vorgelegten Dokumente der Verlag keinen Nachweis für seine Behauptungen erbringen konnte und diese deshalb zukünftig nicht wiederholen darf. Am 10. Januar 2006 bestätigte das Hanseatische Oberlandesgericht endgültig ein Urteil gegen den Axel-Springer-Verlag, mit dem ihm verboten wird, Wallraff der Mitarbeit in der DDR-Staatssicherheit zu bezichtigen. 2010 gewährte der dänische Geheimdienst Historikern Zugang zu seinen Protokollen über Günter Wallraff aus den 1970er Jahren.[15] Aus diesen geht hervor, dass sich Wallraff – anders als im Prozess gegen den Axel-Springer-Verlag behauptet – unter vier Augen mit dem Journalisten und IM Heinz Gundlach getroffen hatte.[15]

http://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%BCnter_Wallraff#Verdacht_auf_Stasi-T.C3.A4tigkeit

Gleichzeitig gilt natürlich auch das, was Hans Leyendecker so schön formuliert:

Nun muss man sich den Fall Berger angucken, man muss sich die Akte anschauen, wie er wirklich geführt wurde, wenn er denn dann geführt worden ist, was sein Ansatz war. Die Stasi ist nun auch nicht Goethes „Eckermann“. Vieles was die Stasi geschrieben hat war so richtig auch nicht. Und wenn in Stasi-Unterlagen steht, Berger habe angeblich Teile dieses Buches geschrieben, so mag das wahr sein oder auch nicht. Also ich würde bei Stasi-Geschichten nie auf den endgültigen Wahrheitsgehalt tippen.

Insgesamt bleibt doch ein recht fades Gefühl am Ende: Zum einen ist die Beleglage der Welt irgendwie doch zu dünn und die Motivation des Verlages ist auch zweifelhaft. An den Werken Wallraffs würde auch eine Stasi-Verstrickung nicht viel ändern – Springer hat genügend Prozesse gegen die BILD-Bücher geführt, die größtenteils scheiterten. Auch die Klagen diverser Unternehmen gegen “Ganz unten” scheiterten an der Faktenlage – die Arbeitsbedingungen von Migranten waren auch ohne Stasi-Propaganda schlecht genug. Außerdem hätte der Springer-Verlag über seine Telefonüberwachung Wallraffs deutlich stichhaltigere Beweise heranschaffen können. Am Ende bleibt das Gefühl, dass hier jemand schmutzige Wäsche waschen will.

(Wer will, darf übrigens hier den Springer-Verlag ärgern.)

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