Gedruckte Zeitungen? Nichts für mich.

Die heutige taz

 Vielleicht ist die Zeitungskrise jetzt endgültig auch bei uns in Deutschland angekommen. Nachdem etwa in den USA, aber auch in Frankreich, Spanien oder Großbritannien massive Probleme bekommen oder gleich ihr Erscheinen einstellten, hat es in der letzten Woche gleich zwei deutsche Zeitungen getroffen: Die Frankfurter Rundschau ist insolvent und die Financial Times Deutschland wird eingestellt.

An dieser Stelle muss ich etwas gestehen: Ich gehöre zu den absoluten Nachrichtenjunkies. Wenn ich ein oder zwei Tage mal nicht mitbekomme, was in der Welt passiert, werde ich irgendwie nervös. Ich lese täglich irgendwelche Nachrichtenseiten, deutsche, amerikanische, britische, verfolge diverse Nachrichtenagenturen auf Twitter und lese auch die absurdesten Stories aus den abgelegensten Ländern. Und doch habe ich in meinem gesamten Leben noch nie eine gedruckte Tageszeitung abonniert.

Früher gab es bei uns zuhause das lokale Käseblatt am Frühstückstisch und Samstags häufiger mal eine NZZ. Als ich dann zum Studium von Zuhause auszog, folgte die gedruckte Zeitung nicht. Im Studentenwohnheim gab es WLAN, die große, weite Welt des Internets stand offen und diese draußen in der Kälte stehenden Typen, welche einem diverse Gratis- und Testabos andrehen wollten, wirkten immer furchtbar unseriös. Die Lektüre einer gedruckten Tageszeitung blieb immer auf die Besuche bei den Eltern beschränkt. Das war 2003.

Mittlerweile hat sich auch mein Nutzungsverhalten verändert: Ab und an kaufte ich mir dann doch am Kiosk eine gedruckte Zeitung. In den überfüllten InterCitys der Deutschen Bahn ist der Nachbar extrem begeistert, wenn man ihm eine riesige ZEIT ins Gesicht hält. Der Laptop, das Handy oder der eBook-Reader ist da praktischer gewesen.

Was ist, wenn man dann eine gedruckte Zeitung aufmacht? Die aktuellen Nachrichten kennt man bereits, man hat das Tagesgeschehen ja bereits am Vortag verfolgt und über wichtige Nachrichten und die aktuellen Fußballergebnisse werde ich eh per Push benachrichtigt. Viele der aus etwas umgeschriebenen dpa-Meldungen bestehenden Nachrichten muss ich gar nicht mehr lesen, ich kenne sie schon. Häufig ist die Geschichte auch schon einen Deut weiter, wie man etwa bei den US-Wahlen letztens schön beobachten konnte.

Ich habe noch ein anderes Problem mit gedruckten Zeitungen: Sie passen nicht mehr in mein Nutzungsverhalten. Gerade bei kontroversen oder interessanten Themen neige ich dazu, weiter zu recherchieren. Gerade da in jeder Zeitung eine gehörige Portion Meinungsmache steckt, ist es essentiell, bei umstrittenen Themen mehrere zu konsultieren und vielleicht auch mal Google oder ein Lexikon zu befragen. Dann erhebt man sich aus dem gemütlichen Lesesessel, macht sich auf den Weg in Richtung Rechner, recherchiert dem Thema nach und dann schaut man natürlich kurz nach den Mails. Und auf Twitter. Vielleicht wirft man einen Blick in den Feedreader. Und wenn man schon dabei ist, darf man auch mal kurz schauen, was die Leute auf Reddit gerade neues ausgegraben haben. Die gedruckte Zeitung liegt dann ungelesen in der Ecke und verursacht jedes Mal, wenn man auf dem Weg zur Kaffeemaschine ist, ein schlechtes Gewissen. Eigentlich müsste man sich jetzt wieder hinsetzen und weiterlesen, aber da gibt es gerade noch dieses Video auf YouTube… während mein Instapaper regelmäßig fleißig leergelesen wird, verschwanden ganze Ausgaben der ZEIT ungelesen im Altpapier. Bis ich dann keine kaufte.

Das ist übrigens nur eine Frage des Mediums – die gleichen Artikel, die ich gedruckt einfach nicht lese, lese ich online. Oder später per Instapaper. Das ist auch keine Frage des Geldes – gerade für mich als Student wäre es ja problemlos möglich, mich mit Gratis-Schnupperabos ständig mit kostenlosen Zeitungen zu versorgen. Manche machen das, mir fehlt einfach die Motivation, mir jeden Tag Altpapier liefern zu lassen.

Gedruckte Zeitungen passen einfach nicht mehr in meine Art des Medienkonsums. Die gedruckte Zeitung war in dem Moment tot, in dem der Laptop am Frühstückstisch auftauchte.

(Ein paar weitere Gedanken:)
– Je wichtiger das Teilen von Inhalten wird, desto schwieriger wird es für die Printmedien. Den interessanten Artikel aus der SZ von gestern kann man schlecht auf Facebook sharen (zumindest nicht legal) und ein Tweet mit „Interessanter Artikel: taz, 12.11.2012, S.4“ funktioniert auch nicht.
– Viele Leute suchen in der Zeitung ihre Entschleunigung. Das gemütliche Lesen ohne Störung funktioniert aber eher für Wochenzeitungen, Zeitschriften und sogenannte Longreads.
– Ich persönlich sammle interessante Artikel, die ich irgendwann mal gebrauchen könnte bei Pinboard. Gedrucktes zu sammeln ist schwierig.
– Multimedia-Elemente auf den Webseiten sind mir egal. 99% aller Klickstrecken sind schlecht zusammengeschustert, die meisten Videos sind überflüssig und Zeitverschwendung.
– Es ist erstaunlich, dass die Zeitungsverlage in über 10 Jahren meckern über die fehlende Monetarisierung ihrer Onlineangebote es nicht geschafft haben, ein auch nur ansatzweise brauchbares Bezahlsystem zu entwickeln. Wer Click&Buy einsetzt, will gar kein Geld.
– Es ist ebenso erstaunlich, dass im Prinzip nur die taz mit neuen Formaten experimentiert. Warum versuchen es nicht ein paar andere Seiten mit Ideen wie Flatter oder der Pay-Wahl? Warum testet keiner Crowdfunding für Geschichten oder andere Ideen?
– Im Vergleich zu den nur einen Klick entfernten Angeboten etwa der New York Times oder des Guardians sind viele deutsche Zeitungsseiten erstaunlich schlecht und unattraktiv.

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16 Antworten zu Gedruckte Zeitungen? Nichts für mich.

  1. Gebloggt: Gedruckte Zeitungen? Nichts für mich http://t.co/36okxmiG #zeitungskrise

  2. WS sagt:

    Der Laptop am Frühstückstisch… Diese Einstellung fasziniert mich aufgrund ihres gänzlich anderen Lebenshorizonts. Mir bedeuten Zeitungen inhaltlich und auch haptisch sehr viel. Während Push-Benachrichtigungen und Internetmeldungen schon durch ihre Menge und Häufigkeit schnell wieder aus meinem Gedächtnis gelöscht werden, kann mich ein gut geschriebener Zeitungsartikel nachdrücklich zum Nachdenken anregen. Aber abgesehen von den persönlichen Präferenzen sollten Sie als angehender Historiker doch andere Bedenken bezüglich des Zeitungssterbens haben. Hier stirbt nicht nur Altpapier, sondern eine sehr wichtige Quellengattung. Zeitungen wurden und werden in nahezu jeder größeren Bibliothek bereitgehalten und archiviert. Zahlreiche Historiker greifen auf dieses Medium zurück. Das Internet vergisst dagegen viele seiner Inhalte. Im Bezug auf ihre Langlebigkeit schlagen die alten Medien die neuen um Längen.

  3. @stephschie sagt:

    full ack: Gedruckte Zeitungen? Nichts für mich. | http://t.co/nSv1V6w7 http://t.co/eYYydZsg

  4. Tim sagt:

    in über 10 Jahren meckern über die fehlende Monetarisierung ihrer Onlineangebote es nicht geschafft haben, ein auch nur ansatzweise brauchbares Bezahlsystem zu entwickeln.

    Sie haben es außerdem nicht geschafft, ein anbieterübergreifendes Anzeigensystem zu konzipieren, das für Werbekunden ähnlich effizient wie AdWords ist. Und dabei hätten sie alle Chancen dazu: Artikel taggen und passende Textanzeigen dazu einblenden, fertig. Wäre evtl. sogar noch besser als AdWords.

  5. AusdemTal sagt:

    Mir fällt immer dann auf, wie sinnlos heute reine Tageszeitungen geworden sind, wenn wieder eine grosse Katastrophe über irgendeinen Kontinent hinweg braust.
    Da ist man online sofort informiert, die Tageszeitungen hinken immer 1-2 Tage hinter den Informationen aus Twitter, Streams und Online-Redaktionen hinterher. Keine Chance da mitzuhalten.
    Als die Erdbeben- und Atomkatastrophe in Japan ihren Lauf nahm, fand ich schnell einen englischsprachigen Japaner im Netz, der fortan täglich über Stunden hinweg per Livestream die nicht japanisch sprechende Welt auf Englisch über die aktuellen Meldungen, Pressekonferenzen und Messdaten informiert hielt. Zeitnah, direkt und teilweise sogar intelligent kommentiert. Er konnte erläutern und erklären – ein Insider eben.
    Zeitungen sehe ich nur noch als kommentierende Wochenzeitungen mit guten Background-Checks und zusätzlichen Informationen, die vielleicht nicht einfach so im Netz rumschwirren. Saubere redaktionelle Arbeit, gute Aufbereitung. Sowas hat einen Wert. Reine „NEWS“ nicht mehr.

  6. Jun sagt:

    @WS

    Was hindert Bibliotheken deran, Archive aus den Onlineauftritten zu speisen?

    Mir bleiben Artikel besonders gut im Gedächtnis zu denen ich in den Kommentaren mit anderen Lesern oder sogar den Autoren dikutieren kann.

  7. Alexander sagt:

    Meine Erfahrung: Die Tageszeitung hat auf jeden Fall noch ihre Berechtigung, wenn man sich breiter über zB. kommunale, regionale und bundeslandbezogene Themen abseits der Top-Headlines informieren will. Eine Zugfahrt mit einer aktuellen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung ist ein Genuss und ich bin anschließend wesentlich umfassender informiert als aus allen Newsletter, Onlineseiten usw.. 99% aller Themen brauchen auch nicht diesen Aktualitätswahn. Und selbst in einer Situation ala Fukushima bin ich als Nutzer zumindest in Europa besser und gründlicher (nicht schneller) informiert als durch einen Ticker oder über sich überschlagende Twitterer.

  8. heinz holist sagt:

    Nur mal eine Frage an den Man, der so cool über das Fehlen der Monetarisierungs-Ideen herzieht; welcher Blogger, welcher twitterer hat das denn erfunden? Wo die doch angeblich die Speerspitze der Bewegung sind und ach so viel intelligenter als die Holzmedien-Macher? Na? Fällt da der Groschen?

  9. admin sagt:

    @WS: Ich habe mich ausführlich mit Zeitungen beschäftigt und u.a. meine BA-Arbeit über einen Journalisten geschrieben. Zeitungen sind eine wunderbare Quelle, die man natürlich mit der nötigen Quellenkritik behandeln muss und die häufig furchtbar unübersichtlich ist, aber natürlich wird die Geschichtswissenschaft durch den momentanen Medienwandel riesige Probleme bekommen. Die wird sie aber auch bekommen, egal ob noch jemand seine Zeitung auf Papier druckt oder online veröffentlicht – ich denke, dass der Geschichtswissenschaft wichtige Quellen fehlen werden, wenn sie das digitale als Quelle vernachlässigt. So wird etwa eine Geschichte der Piratenpartei ohne Twitter, Blogs & Co nur schwer zu schreiben sein und wer sich auf die in Bibliotheken gedruckten Zeitungen verlässt, wird schnell in die Irre laufen. Ein weiteres Beispiel wären etwa die Reaktionen auf die Anschläge des 11. September, die in den Zeitungen sehr ernst ausfielen während im Internet durchaus auch Spaß damit getrieben wurde (siehe etwa den „Tourist Guy“). Oder um es anders zu sagen: In diesem Kontext ist es irgendwann egal, ob die Zeitungen gedruckt oder online vorliegen. Wichtig ist, dass diese Quellen irgendwie zugänglich sind und nicht aus dem Netz verschwinden bzw. archiviert werden. So ist gerade fraglich, was mit dem Onlineauftritt der FTD passieren wird.

    @Heinz Holist: Es gibt durchaus sehr profitable Blogs, die häufig mit einer Mischung aus Werbung, Affiliatelinks und Merchandisingprodukten arbeiten. Die Frage ist aber eine andere: Ich etwa will mein Blog nicht monetarisieren und zahle jeden Monat ein paar Euro für den Webspace. Für den Gegenwert von anderthalb Bier in der Kneipe hab ich meinen eigenen Server und kann tun und lassen, was ich will. Geld verdienen will ich hier nicht, daher mache ich mir auch keinerlei Gedanken über entsprechende Strategien – welche das Gesicht dieses Blogs sicherlich verändern würden.
    Was ich aber eigentlich zum Thema Zeitungen und Geldverdienen sagen wollte: Hast du mal versucht, einen Artikel aus einem Zeitungsarchiv zu kaufen? Die Benutzerführung davon ist in vielen Fällen gruselig, man muss erst Accounts einrichten (zum Teil bei gleich mehreren Anbietern, häufig ist etwa Click&Buy zwischengeschaltet), die Preise für einzelne Artikel liegen öfters über dem Preis der aktuellen Zeitung am Kiosk und es gibt diverse gruselige Benutzungsbedingungen, die etwa Artikel nur für einen Tag oder eine Woche freischalten. Wundert es da wirklich, dass kaum einer da zugreift, wenn die kostenlosen Artikel anderer Anbieter nur einen Klick entfernt sind? Die deutschen Zeitungsverlage hätten durchaus die Marktmacht, um etwa einen eigenen Flatter-Klon, einen Google News-Klon oder einen eigenen Mikropayment-Dienst zu realisieren. Stattdessen meckern sie lieber über die angebliche Kostenlosmentalität und fordern ein Leistungsschutzrecht. Da liegt das wirkliche Problem.

  10. Im Spiegel der Print-Apokalypse: „Die gedruckte Zeitung war (…) tot, als der Laptop am Frühstückstisch auftauchte.“ http://t.co/FHDIafzv

  11. Don Krypton sagt:

    Mein Gott, was soll ich sagen? Bei Google geteilt. Genau wie deine Meinung auch.

  12. Gedruckte Zeitungen? Nichts für mich: Früher gab es bei uns zuhause das lokale Käseblatt am Frühstückstisch und … http://t.co/vj0Ks3H8

  13. Besser hätte ich es nicht sagen können. Trifft 100 % zu! Gedruckte Zeitungen? Nichts für mich. | http://t.co/SmDgAgEo http://t.co/JZtsmTTh

  14. Wenzel Seibold sagt:

    @Admin: Dass der Historiker der Zukunft zunehmend auch digitale Quellen berücksichtigen muss, sehe ich genauso. Allerdings kann er sich bei den neuen Medien nicht mehr so sicher sein wie früher, ob seine Quellen auch valide sind. Es ist zu leicht, Webinhalte zu ändern, zu ergänzen oder teilweise zu löschen. Im Zweifel werden Archive und Bibliotheken wohl dazu übergehen, Tweets und ähnliches auszudrucken und somit auf Papier zu sichern.
    Den Medienwandel betrachte ich auch aus diesem Grund etwas anders. Die Folgerung, dass ein neues Medium das alte irgendwann gänzlich ablöst, ist nicht unbedingt zwingend. Bei Videokassetten, Hörspielkassetten und Röhrenfernsehern mag das so sein. Bei Zeitungen, Büchern, Briefen und anderen auf Papier verfügbaren Dingen zweifel ich daran. Wäre es nicht möglich, dass sich die Anzahl der Medien erhöht – diese aber nebeneinander bestehen bleiben? Die nicht eingetroffenen Prophezeiungen hinsichtlich des E-Book Marktes und des Aussterbens gedruckter Bücher sprechen doch dafür. Das »Zeitungssterben« wäre dann auch kein Symptom für eine überlebte Mediengattung. Die Leser verteilen sich lediglich auf eine größere Anzahl von Medien, wodurch der Zeitungsanteil verjüngt wird.
    Für die Nachwelt ist es nicht egal, ob Zeitungen und sonstige Quellen gedruckt oder online vorliegen. (@Jun) Digitalisierte Quellen lassen sich einfach nicht sicher speichern. Da ein einzelner Datenträger keine hohe Datensicherheit und auch keine lange Lebensdauer hat, müssten immer wieder Kopiervorgänge stattfinden. Diese sind nicht nur teuer, sie bergen auch immer das Risiko des Datenverlusts.
    Übrigens: Radrennfahrer nutzen bis heute Zeitungen, um sich vor Zug und Kälte bei der Abfahrt zu schützen – obwohl es weitaus moderne Stoffe gibt. :-)

  15. Pingback: Weltuntergang, Tageszeitung, US-Serien - YEPA NEWS

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