Abmahnung für Klaus Graf in der Causa Schavan

Klaus Graf von Archivalia hat eine strafbewehrte Unterlassungserklärung erhalten. Warum?

Da ich

http://archiv.twoday.net/stories/235550257/

die Formulierung „Schavan-Freundin Schmoll“ verwendet habe und einen Hyperlink auf http://causaschavan.wordpress.com gesetzt hätte, wo u.a. die Vorwürfe erhoben würden, Schmoll sei die Lebensgefährtin von Schavan, soll ich künftig bei einer Vertragsstrafe von 5001 EUR die Veröffentlichung unterlassen „dass Frau Dr. Heike Schmoll die Freundin und/oder die Lebensgefährtin von Frau Annette Schavan sei“.

Die Geschichte verwirrt. Zum einen ist Causa Schavan eine Seite, die zwar die ehemalige Bildungsministerin in ihrer Plagiatsaffäre scharf angegriffen hat, aber jetzt auf den ersten Blick nicht irgendwie strafbare Inhalte enthält. Zum anderen impliziert die Bezeichnung „Freundin“ ja auch nicht automatisch eine romantische Beziehung, sondern kann sich auch einfach auf eine Freundschaft beziehen. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Klaus Graf mit der Betitelung irgendwie eine lesbische Beziehung meinte. Zum anderen kann ich mich nicht erinnern, dass das jemals irgendwie in der Schavan-Affäre überhaupt aufgetaucht wäre oder auch nur ansatzweise relevant für die Frage ist, ob sie in ihrer Doktorarbeit abgeschrieben hat. Aber wie kommt der Vorwurf eigentlich in die Debatte? Und warum reagiert die FAZ jetzt mit einer derartigen juristischen Keule?

Sucht man auf Causa Schavan nach den entsprechenden Stichwörtern „Freundin“, „Lebensgefährtin“ oder ähnlichem, findet man … nichts. Die interne Suchmaschine gibt nichts aus und auch per site: findet man ebenfalls nichts. Die Sache wird noch mysteriöser, löst sich dann aber auf: In einigen Kommentaren postet der User „plagiatschavan“ und bezeichnet die FAZ-Redakteurin im Zusammenhang mit der Ex-Bildungsministerin mehrfach als „ihre Freundin“. Hinter diesem Nutzer verbirgt sich laut hinterlegtem Link der anonyme Betreiber des gleichnamigen, ebenfalls anonymen WordPress.com-Blogs, auf dem tatsächlich beide mehrfach als Lebensgefährtinnen und Partnerinnen bezeichnet werden. Dort herrscht auch ansonsten ein sehr rauer, völlig unangebrachter Tonfall. Da wird Journalisten unterstellt, dass sie „Schavan in den Katholiban-Darm“ kriechen, es ist die Rede von einer „katholischen Mafia“, diversen Leuten wird Korruption unterstellt und auch ansonsten wird fleißig gepöbelt. Die Seite war nur vom 19. Januar bis zum 12. Februar 2013 aktiv und scheint auch nicht allzuviel Erfolg gehabt zu haben. Ein Kommentar dort bringt es auf den Punkt:

Plagiat hin oder her, die Art und Weise, in der hier argumentiert wird, geht gar nicht.
Offenbar stimmt es, dass Frau Schavan bei ihrer Diss getäuscht hat, und auch ihr Umgang mit dieser Tatsache war m.E. unehrlich. Auch ich als ehrlich arbeitender Doktorand finde es schade, wie viele Amtsträger offenbar ihre Dissertationen unter teils betrügerischer Aneignung fremder Gedankengänge erstellt haben.
Aber jeder Verbrecher verdient eine fairere Behandlung als die, die auf dieser Seite an den Tag gelegt wir. Sie sollten sich schämen, und zwar bitte nicht nur heimlich.

Dieser „plagiatschavan“ verhält sich bei der Verbreitung seiner Vorwürfe sehr geschickt – auf seinem eigenen Blog spricht er klar von Partnerin und Lebensgefährtin, auf anderen Blogs kommentiert er nur mit dem Begriff „Freundin“. Alternativ könnte sein Vorgehen auch weniger geschickt gewesen sein und die Betreiber der entsprechenden Blogs haben seine Kommentare teilweise nicht freigegeben oder gelöscht.

Die Abmahnung der FAZ spielt also auf Bande: Erst wenn bekannt ist, was ein Kommentator auf dem verlinkten Blog in seinem eigenen Blog behauptet, wird klar, warum die Bezeichnung „Freundin“ plötzlich justiziabel sein soll.

Was macht man jetzt aus der Sache? Ich hatte es damals schon an anderer Stelle angemerkt – in manchen Blogs und vor allem in deren Kommentarspalten herrschte doch ein etwas zu überdrehter Tonfall. Andererseits verhält sich die FAZ in diesem Fall auch vollkommen falsch – sie greift nicht den eigentlichen Verleumdner, sondern den ersten unter Klarnamen Bloggenden, der weder auf das eigentlich inkriminierende Blog verlinkt noch sich die Vorwürfe zu Eigen macht. Einen generellen Link zu einem dritten Blog zu bemängeln, in dem ein Nutzerkommentar nur für „Eingeweihte“ verständliche Anspielungen macht, ist natürlich Unsinn.

Zum Schluss verweise ich noch einmal auf meinen Artikel über die Vorzüge des anonymen Bloggens. Auch wenn Klaus Graf völlig im Recht ist – den Stress mit der Abmahnung hat er jetzt. Andere Blogger, die in der Causa anonym geschrieben haben (Causa Schavan und Erbloggtes etwa), müssen sich vor nichts fürchten und können heute Nacht ruhig schlafen. Klaus Graf als streitlustiger Blogger mit Gerichtserfahrung kann das locker ab, andere, weniger streitlustige Personen oder finanziell schwächere Studierende sind in so einem Fall schlechter dran.

Zum Schluss muss man auch eine Sache sagen: Wenn ich hier von Vorwürfen schreibe, meine ich natürlich nicht, dass eine lesbische Beziehung irgendwie etwas sei, das man Leuten vorwerfen kann. Im Jahr 2013 ist das nichts, für das irgendjemand sich schämen muss. Plagiatschavan verhält sich extrem schändlich, wenn er gerade einer in diesem Zusammenhang sehr verklemmten katholischen Kreisen agierenden Ministerin auf eine Weise etwas unterstellt, wogegen diese sich nur schwer wehren kann. Sexuelle Präferenzen gehören ohne Zustimmung der Betroffenen sowieso nicht in die Öffentlichkeit. Die Bezeichnung „Freundin“ bezog sich außerhalb von plagiatschavan auf den parteiischen Journalismus der FAZ-Redakteurin.
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13 Antworten zu Abmahnung für Klaus Graf in der Causa Schavan

  1. @hellojed sagt:

    RT @MschFr: Trotz Papst gebloggt: Die Auflösung, warum @Archivalia_kg abgemahnt wurde http://t.co/BXqmiaOYtq

  2. Abmahnung für Klaus Graf in der Causa Schavan http://t.co/3U4OLWBKdv

  3. @dieweberin sagt:

    RT @matthias_mader: crazy: Die FAZ mahnt @Archivalia_kg wegen einer indirekten Behauptung (?!) auf einer von ihm verlinkten Seite ab > http://t.co/U269CWupuS

  4. Pingback: FAZ mahnt unter Vorwand missliebige Blogger ab | Erbloggtes

  5. @basecamp07 sagt:

    RT @matthias_mader: crazy: Die FAZ mahnt @Archivalia_kg wegen einer indirekten Behauptung (?!) auf einer von ihm verlinkten Seite ab > http://t.co/U269CWupuS

  6. Simone G. sagt:

    Dazu gibt es jetzt eine Stellungnahme auf Causa Schavan.

  7. RT @matthias_mader: crazy: Die FAZ mahnt @Archivalia_kg wegen einer indirekten Behauptung (?!) auf einer von ihm verlinkten Seite ab > http://t.co/U269CWupuS

  8. RT @MschFr: Trotz Papst gebloggt: Die Auflösung, warum @Archivalia_kg abgemahnt wurde http://t.co/BXqmiaOYtq

  9. Gestern Abend gebloggt: Abmahnung für Klaus Graf in der Causa Schavan aus völlig abwegigen Gründen http://t.co/BXqmiaOYtq

  10. @aklempert sagt:

    Barbra Streisand lässt mal wieder grüßen: http://t.co/rKUgkHqjmq

  11. Pingback: Netzfunde der letzten Tage"Nächstens mehr." | "Nächstens mehr."

  12. Pingback: FAZ mahnt Meinungsäußerung ab – Zwischen Mediendemokratie und Social-Media-Kultur

  13. [DE] http://t.co/Q0LJFd8eNz zu Klaus Graf vs. #FAZ wg. Schavan / Schmoll http://t.co/t7pcChs1Bw #FAZ = #fail

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