Credo – Christianisierung Europas im Mittelalter in Paderborn

2013-10-13 12.33.09In Paderborn findet noch bis zum 3. November die Ausstellung „Credo – Christianisierung Europas im Mittelalter“ statt. Höchste Zeit also, mal wieder etwas über eine Ausstellung zu bloggen. Leider ist wie in praktisch allen Sonderausstellungen das Fotografieren verboten, daher müsst ihr euch mit einem einzelnen Foto des Paderborner Domes begnügen.

Die Ausstellung gliedert sich in drei Teile, die jeweils in verschiedenen, nahe gelegenen Museen angesiedelt sind. Der erste Teil, Lux Mundi, widmet sich der Entstehung des Christentums im antiken Kontext und der Ausbreitung zuerst im römischen Reich über England und danach in den frühmittelalterlichen europäischen Reichen bis hoch in den skandinavischen Raum. Die geographische Breite ist dabei beeindruckend: Ich hätte nicht damit gerechnet, in einer Ausstellung über Europa im Mittelalter auch Exponate aus Grönland zu finden.  Die Ausstellungsstücke sind dabei überraschend hochkarätig: Highlight sind hier wohl der über 1800 Jahre alte Paulus-Brief, aber auch ansonsten überrascht es, was alles nach Ostwestfalen ausgeliehen wurde: Prachtvolle Sarkophage, uralte Bücherschätze wie das Karlsepos, Reliquienkästen, Kultgegenstände, Münzen, Statuen, ein Fürstengrab, irische Glocken und viel, viel mehr. Anschaulich sieht man, wie das Christentum von seinen Anfängen durch die Wandlung zur Staatsreligion nach Konstantin sich rasant verbreitet und wie es Teile der antiken Religionen in sich aufnimmt. Die frühen Exponate sind sehr bescheiden und bestehen häufig nur aus simplen Ritzereien in Tongefäßen. Nach Konstantin wird es prachtvoller und das Christentum triumphiert über die anderen Religionen – in der Ausstellung wunderbar dargestellt durch Statuen antiker Götter, denen ein Kreuz auf die Stirn gemeißelt wurde. Dann kommen die „Barbaren“: 411 plündern sie Rom – und werden doch christlich. Exponate wie das Fürstengrab von Prittlewell zeigen, wie sich das Christentum diesem Wandel der politischen Verhältnisse anpasste.

Der zweite Teil, In hoc signo, in der ehemaligen Kaiserpfalz beleuchtet einen bedeutenden Bruch in der Geschichte des Christentums: Verlief die Christianisierung im ersten Teil der Ausstellung weitgehend friedlich, rücken nun die gewaltsamen Elemente in den Mittelpunkt. Karl der Große kämpft gegen die Sachsen, Otto der ebenfalls Große geht militärisch gegen die Slawen vor, der Kreuzzugsgedanke führt zu Kriegszügen auch in Europa, der deutsche Orden bildet sich und der nun nicht mehr ganz so neue Glauben wird bis tief in den Osten verbreitet. Dort trifft er auf konkurrierende Missionsbemühungen der anderen christlichen Kirche aus Byzanz und lokale Herrscher etwa in der Kiewer Rus, die geschickt oder ungeschickt zwischen den alten Religionen und den zwei neuen christlichen manövrieren. Auch hier sind mehr als beeindruckende Exponate versammelt. Gerade die „heidnischen“ Kultgegenstände wie der Steinkopf von Salaspils entfesseln eine unglaubliche Wucht. Wie gesagt: Schade, dass hier fotografieren verboten ist.

Der letzte Ausstellungsteil, Quo vadis?, widmet sich der Rezeption der Christianisierung in späterer Zeit und spannt den Bogen von nationalistischen Besetzungen zentraler Herrscher über völkische Germanenglorifizierung, katholische Missionarsverehrung, nationalsozialistischem Unfug hin zur Idee eines geeinten Europas. Wie schon diese Zusammenfassung vermuten lässt, ist dieser Teil der Ausstellung der mit Abstand am wenigsten gelungene. Das Thema ist zu komplex und entsprechend fällt der Blick auf die Rezeption zu schlaglichtartig, zu konfus aus. Gerade da dies ein so breites Feld ist, müsste man zu jedem Aspekt eine eigene Ausstellung widmen, so stehen die einzelnen Aspekte zu isoliert und der durchgehende rote Faden ist nur schwer zu finden.

Trotz des schwachen dritten Teiles lohnt sich die Ausstellung also aufgrund des monumentalen Beginns und der hochkarätigen Exponate. Ein paar Aspekte sind mir aber noch aufgefallen: Zuerst stellt sich die allgemeine Problematik der Ausstellung alter Bücher hier besonders. Ein Buch ist ein Werk, das seinen wirklichen Inhalt nur langsam preisgibt. Eine alte Handschrift ist etwas schönes und gerade prachtvolle mittelalterliche Buchmalereien sind auch ohne Lateinkenntnisse zu bewundern – aber erst mit der Auseinandersetzung mit dem Inhalt entfalten Bücher ihre Magie. Büchern, die im Museum in einer Vitrine liegen und bei denen eine Seite aufgeblättert sind, fehlt dies. Gerade im Verbund mit anderen alten Büchern stellt sich schnell langeweile ein. Während der normale Bibliophile einiges tun würde, um die meisten Bücher in dieser Ausstellung einmal lesen zu können, stellt sich in dieser geballten Anzahl schnell ein Ermüdungseffekt ein. So manch ein Besucher wird gelangweilt an einigen der wertvollsten Buchschätze Europas vorbeigegangen sein. Eine Lösung dieses Problems ist schwierig – so wie in Teil 3 der Ausstellung ein altes Buch von 1735 ohne Schutz den Besuchermassen zum Durchblättern anbieten, kann auch keine Lösung sein. Digitalisate auf den Ausstellungsseiten könnten eine Lösung sein und auch der Museumshop könnte unter Umständen etwas anders verkaufen als die CD von „Die Päpstin. Das Musical“. Eine wirklich perfekte Lösung ist das auch nicht.

Ein anderes Thema ist schwer anzusprechen ohne religiöse Gefühle zu verletzen: Man merkt der Ausstellung deutlich an, dass neben dem LWL auch das Erzbistum Paderborn Veranstalter ist. Christianisierung ist hier definitiv etwas Positives. Am Ende der Ausstellung steht ein geeintes, friedliches Europa inklusive Ausstellung des Karlspreises. Auf der Homepage der Ausstellung gibt es einen „Missionar des Monats“ und im Dom finden begleitende Veranstaltungen statt, die Menschen zum Glauben bringen sollen. In dem Sinne ist Credo keine rein historische Ausstellung, sondern eben auch ein Element der im Ubicumque et semper verkündeten „Neuevangelisierung Europas“.

Zum Schluss ein Tipp: An diesem Sonntag Nachmittag war die Ausstellung leider zu erfolgreich für die vorhandenen Räumlichkeiten. So super das für die Ausstellungsmacher ist, es ist schon etwas störend, wenn es so eng wird, dass man nicht in Ruhe die Exponate betrachten kann. Wer also einen Besuch plant, sollte einen Wochentag ins Auge fassen oder wenigstens früh aufstehen.

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7 Antworten zu Credo – Christianisierung Europas im Mittelalter in Paderborn

  1. RT @MschFr: Gebloggt: Credo – Christianisierung Europas im Mittelalter in Paderborn http://t.co/KdNpfACYBV

  2. Erbloggtes sagt:

    In Anbetracht der religionspolitischen Ausrichtung der Ausstellung konnte der 3. Teil wohl gar nicht ernsthaft gelungener gestaltet werden.

    spannt den Bogen von nationalistischen Besetzungen zentraler Herrscher über völkische Germanenglorifizierung, katholische Missionarsverehrung, nationalsozialistischem Unfug hin zur Idee eines geeinten Europas.

    Wer diesen Bogen wirklich spannen würde, könnte dort Faszinierendes und Erschreckendes finden, aber nichts stupid Affirmatives.

  3. @CarryCandy sagt:

    RT @Mittelalterblog: Ausstellungsbericht zu „Credo – Christianisierung Europas im Mittelalter“ (Paderborn) http://t.co/YkYKSKH8lz #medieval…

  4. @axxllzz sagt:

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  5. Pingback: Umleitung: Fotosynthese, Funke Medien, Maximilians-Universität, Quandt, eine schonungslose Lebensbilanz und ein beengtes Credo in Paderborn | zoom

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  7. uwe nichtgläubiger sagt:

    Es ist eine beeindruckende Ausstellung! Aber der Titel der Ausstelling ist typisch paderbornisch/katholisch, er müsste lauten „Die Christianisierung von Europa aus rein katholischer Sicht“. Eine Sichtweise anderer Religionsgemeinschaften findet nicht statt, geschweige denn die von Ketzern und Abtrünnigen. Nur die bekehrten „Abergläubischen“ werden vorgeführt.

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