Drei deutsche Mörder

Die Debatte über historische Fernsehdokumentationen ist die perfekte Gelegenheit, eine sehr außergewöhnliche Doku vorzustellen. Drei Deutsche Mörder – Aufzeichnungen über die Banalität des Bösen von Ebbo Demant aus dem Jahr 1978/1999 unterscheidet sich in mehrerer Hinsicht von unseren typischen Dokus. Es gibt keine Schnitte, keine Reenactments, keine Hintergrundmusik, keine Originalaufnahmen. Es sitzt nur eine Person in einem Raum erzählt. Dann folgt eine weiter. Und eine dritte. Diese drei sind Oswald Kaduk, Josef Erber und Josef Klehr. Mörder. Massenmörder. KZ-Aufseher in Auschwitz.

Die ungeheure Wirkung der Doku entsteht, weil man etwas seltenes und erschreckendes sieht. Nazitäter plaudern ganz offen über ihre Verbrechen. Die drei Herren wurden bereits in den Frankfurter Auschwitzprozessen verurteilt und gehen daher mit einer für Täter ungewohnten Offenheit mit ihren Verbrechen um. Während andere schweigen oder leugnen, weil sie etwa wie John Demjanjuk eine Verurteilung fürchten, fällt dieser Aspekt hier weg. Das ist hart und schonungslos.

Wer die Doku sieht, bemerkt allerdings, dass sie sich radikal von unseren heutigen Sehgewohnheiten unterscheidet. Es ist nicht nur der (schlechte) Ton oder die Beleuchtung: Man muss sich auf die Doku einlassen und wird nicht wie sonst durch bunte Bilder und Musikuntermalung in die Sendung hereingezogen. Bei Zappern hat sie schon verloren. Gleichzeitig kann man die Doku auch nur schlecht mit heutigen Methoden „aufpeppen“ – die Schattenwand, schnelle Schnitte, dramatische Musik, 3D-Animationen, Reenactments oder nachkolorierte Originalaufnahmen würden hier nichts helfen und nur vom Effekt der drei erzählenden Täter ablenken. Es wäre sicherlich ein interessantes Experiment, wenn jemand versuchen würde, diese Doku einmal mit modernen Methoden zu remastern.

Die dahinterstehende Kernfrage kann ich nicht beantworten: Können Dokumentationen, die nicht dem jetzt verwendeten Schema entsprechen, Zuschauer finden? Guido Knopp und v.a. die großen Spielfilmadaptionen sind sehr erfolgreich. Die Frage ist aber, wie anders gemachte Dokumentationen auf dem gleichen Sendeplatz zur Primetime abschneiden würden oder ob historische Spielfilme, die dem Stil von „Unsere Väter, unsere Mütter“ nicht folgen, mit ähnlichem Werbeaufwand ähnlich erfolgreich wären. Dafür fehlen mir einfach die nötigen Daten, weil kein Sender anscheinend jemals ein entsprechendes Experiment versucht hat.

Ob das Internet jetzt die Rettung ist, darf auch bezweifelt werden. Klar kann ich hier in meinem geschichtswissenschaftlichen Blog einem vielleicht interessierten Publikum diese Doku empfehlen. Vielleicht schaut sie auch einer und vielleicht nimmt sich jemand auch wirklich die Zeit für sie und schaut nicht nur wie bei einem Katzenvideo kurz drüber. Und selbst dann stellt sich die Frage, ob die kleine Einbettung hier im Blog der richtige Sehkontext ist. Spätestens der Blick in die Kommentare auf YouTube lässt einen dann endgültig zweifeln.

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5 Antworten zu Drei deutsche Mörder

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