Das dezentrale Netz. Ein Zwischenbericht.

My blog’s older than Twitter and Facebook, and it will outlive them. It has seen Flickr explode and then fade. It’s seen Google Wave and Google Reader come and go, and it’ll still be here as Google Plus fades. When Medium and Tumblr are gone, my blog will be here. – Brent Simmons

Ganz so alt ist mein Blog hier noch nicht – aber mit seinen über 4 Jahren kann es mittlerweile laufen, sprechen, braucht keine Windeln mehr und wird demnächst eingeschult.  In diesen vier Jahren sind einige Dienste rasant gewachsen und einige sind in eine tiefe Krise gestürzt. Flickr ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Del.icio.us stand kurz vor seiner Schließung. Digg war 2010 noch der heiße Geheimtipp. Posterous ist mittlerweile offline. Google killte den Reader und diverse andere Dienste. Facebook hat sich gewaltig transformiert. Twitter ebenfalls. Und die Webforen sterben gerade einen langsamen, aber anscheinend nur schwer aufzuhaltenden Tod. Dieses Blog bleibt.

Blog

Dieses Blog läuft auf WordPress. Das ist die verbreitetste Blogplattform und es gibt es auch als fremdgehosteten, kostenlosen Service etwa auf WordPress.com. Wissenschaftler können auf Hypotheses.org ein kostenloses und werbefreies WordPress bekommen. Was bei den ganzen fremdgehosteten Blogs allerdings nicht geht, ist die Installation eigener Plugins. Planet History basiert auch auf WordPress, benötigt aber zum Funktionieren diverse Plugins – ohne eigenen Server könnte ich die Seite nicht betreiben. Gleichzeitig bin ich mit meiner eigenen Domain auch sehr flexibel – wenn mein Hoster irgendwann nicht mehr ausreichend ist, dann kann ich problemlos umziehen. „Negativbeispiel“ ist hier wohl unverschuldet Archivalia, das irgendwann bei Twoday startete und jetzt dort festhängt, obwohl die Plattform mittlerweile technisch veraltet ist, ein häßliches Layout bietet und etwa keine Track- und Pingbacks unterstützt. Bei der Gründung 2003 war Twoday ein guter Anbieter, aber es hat den Anschluss verpasst. Als Nutzer hängt man dort dann leider fest.

Wiki

Ein MediaWiki dient hier als eine Art öffentlicher Zettelkasten, in dem ich diverse Dinge sammel. Einige sind unvollständig und ungepflegt und einige erfreuen sich großer Beliebtheit.
Es gibt eigentlich nur einen Nachteil, wenn man seinen Zettelkasten öffentlich führt: Man muss auf Urheberrechte achten. Wenn ich mein Wiki sperren würde, könnte ich anders sammeln.MediaWiki funktioniert, hat aber seine Probleme: Eigentlich ist es für so einen Anwendungsfall absoluter Overkill und die Administration ist etwas frickelig. Aufgrund der Wikipedia-Anbindung ist es aber trotzdem hier das Mittel der Wahl und mit einem anderen Skin sieht es auch nicht ganz so furchtbar aus. Richtig gute, moderne Wiki-Software ist schwer zu finden, die meisten Wikis haben ihre Probleme. Das Smallest Federated Wiki könnte aber eine sehr feine Sache werden.

RSS

Nach dem Ende des Google Readers stellte sich die Frage nach einer Alternative. Anbieter wie TheOldReader oder Feedly wuchsen schnell und erstaunlicherweise blühte der gesamte Sektor auf. Hier läuft mittlerweile TinyTinyRSS, welches seinen Job ganz unaufgeregt und ohne Probleme erledigt – übrigens auch mobil per Android-App.

Mail

Praktisch jeder Hoster bietet auch einen Mailadressen inklusive. Das läuft hier problemlos und bei 100GB Platz auf dem Server ist auch noch viel Luft nach oben. Gleichzeitig scannt auch keiner meine Mails nach Werbung und bildet daraus Profile oder nervt wie GMX mit ständigen Werbemails. Ich bilde mich auch ein, dass eine vorname@nachname.tld professioneller wirkt als eine GMX-Adresse.

Cloud

Cloudspeicher ist eine feine Sache, aber er hat auch seine Probleme. Hier werkelt im Hintergrund gut versteckt eine Owncloud, mit der ich Dateien speichere und Kontakte & Termine syncronisiere. Owncloud ist ok, aber im Kern doch etwas überladen und hat aufgrund einiger Sicherheitslücken einen eher schlechten Ruf. In Zukunft schaue ich mal, ob es schlankere Alternativen gibt.
Ganz ohne Dropbox geht es übrigens auch nicht – mittlerweile besitzt der Dienst einen enormen Netzwerkeffekt und da praktisch jeder ihn nutzt, bekommt man immer wieder Einladungen zu freigegebenen Ordnern.

Fotos

Mit meinem Photolog bin ich gerade sehr unglücklich – Pixelpost hat seine Dienste immer gut erledigt, wird aber nicht weiterentwickelt. Hier muss eine Alternative her. Lychee sieht schick aus, aber so ganz überzeugt bin ich noch nicht. Kraken.me könnte auch etwas sein oder halt ein weiteres WordPress.

Noch nicht ersetzt

Bookmarks
Social Booksmarks waren mal der große Hype und eine der ersten Web 2.0-Anwendungen, mittlweile ist das deutlich abgekühlt. Ich habe zwei Dienste in Betrieb – zum einen Diigo, um geschichtswissenschaftliche Links zu sammeln und Pinboard für private Links. Eine überzeugende Software, um diese auf meinem Server selbst zu hosten, habe ich noch nicht gefunden. Scuttle taugt nichts und dann ist der Markt schnell leergefegt.

Soziale Netzwerke
Hier treten wieder die typischen Lockin-Effekte der Sozialen Netzwerke auf: Natürlich kann ich hier einen StatusNet-Server betreiben statt zu twittern, aber auf Twitter sind eben die Leute. Das Gleiche gilt für Facebook – Alternativen wie Diaspora funktionieren vielleicht technisch, ohne Userbasis sind sie aber herzlich sinnlos.

Suche
Es war kein gutes Jahr für Suchmaschinen: Die Presseverleger versuchen Google mit dem Leistungsschutzrecht anzugreifen und das Recht auf Vergessen führt nach den ganzen DMCA-Notices zu einer weiteren Zerstörung der Suchindizes. Dazu kommt, dass Google & Co zunehmend auf personalisierte Suche setzen.

Eine freie Alternative wäre sehr fein, ist aber nicht in Sicht. In den letzten Monaten habe ich etwas mit YaCy herumgespielt, einer freien und dezentralen Suchmaschine, die verteilt per P2P läuft. YaCy ist allerdings als Java-Anwendung eher schwerfällig, die Community ist klein und für den Alltagsbetrieb taugt das noch nichts.

Zurück nach Hause

Als nächstes Projekt liegt an, einige dieser Dienste dann aus dem All-Inkl-Rechenzentrum zurück zu mir in die Wohnung zu holen. Mittlerweile gibt es einen Haufen kleiner, stromsparender und günstiger Rechner mit ausreichend Rechenleistung, um auch im Heimnetzwerk einen kleinen Server zu betreiben. Der Raspberry Pi ist wohl das beste Beispiel, auch wenn dieser einfach zu wenig Leistung bringt. Mittlerweile sind auch die Uploadraten für die meisten Anwendungsfälle völlig ausreichend und daher spricht eigentlich nichts dagegen, etwa die Owncloud oder einen Fileserver in den eigenen Räumlichkeiten zu betreiben.

Weitere Hinweise, gerade auf die von mir vermisste Software, sind willkommen!

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8 Antworten zu Das dezentrale Netz. Ein Zwischenbericht.

  1. [http://t.co/An7OZAhON5] Das dezentrale Netz. Ein Zwischenbericht. http://t.co/VLbeN1cmRG

  2. @thist_uzh sagt:

    Schöner Post: Das dezentrale Netz. Ein Zwischenbericht (via @Planet_History) http://t.co/256KuRC7bh

  3. @offenenetze sagt:

    Das dezentrale Netz. Ein Zwischenbericht. | http://t.co/VWzu8JIDCkhttp://t.co/AIxj1Bzi1Y via @Archivalia_kg

  4. matthias sagt:

    wir benutzen sehr ähnliche software ;-)
    für’s wiki (bei mir privat, u.a. wegen urheberrechtlichen fragen (weil ich da gerne mal komplette texte reinkopiere …) und weil ich es auch als tagebuch nutze) kann ich dokuwiki empfehlen. sehr schlank und flott, dank der speicherung in txt-dateien auch noch ohne software zu nutzen (falls die mal verschwinden sollte), mit einigen plugins auch ziemlich mächtig und trotzdem recht einfach zu nutzen und zu warten.
    zu owncloud habe ich auch noch keine vernünftige alternative gefunden. vor allem, weil ich auch die zahl der dienste/software nicht ins unendliche wachsen lassen will – jede funktioniert etwas anders, jede will updates haben etc. reine dateisynchronisierungsdienste wie seafile habe ich mal ausprobiert – war mir aber alles zu umständlich, ehrlich gesagt. owncloud läuft inzwischen recht zuverlässig bei mir.
    für bookmarks scheint es aber tatsächlich keine vernüfntige selbst gehostete software zu geben. ich bin auch bein pinboard gelandet (und damit auch zufrieden), nutze das aber auch eher wenig (vor allem als ablage, wenig – zu wenig – zur recherche …)
    lychee läuft bei mir seit einiger zeit – aber da ich ein textmensch bin, hat das wenig zu tun ;-) so weit bin ich aber ganz zufrieden damit, ist auch einigermaßen schick …
    beim suchen wechsle ich zwischen ddg (funktioniert meiner erfahrung nach besser für technisches und englisches) und startpage – also google ohne personalisierung.
    außerdem läuft auf meinem uberspace (um noch ganz geschickt werbung für meinen hoster zu machen und etwas lokalpatriotismus zu demonstrieren) noch tweetnest zu archivierungszwecken.
    und yourls als url-shortener.
    ergänzen kann man das dezentrale netz noch um:
    – piwik für die analytik
    – wallabag als „später lesen“-service (statt pocket oder instapaper)
    – runalyze für läufer-/sportdaten
    was mit einem shared host so alles möglich ist, kann man hier ganz gut sehen: https://wiki.uberspace.de/cool

  5. @MschFr ich habe bei http://t.co/YoCePojiqr gerade einen langen kommentar hinterlassen – ist der angekommen?

  6. matthias sagt:

    (2 versuch)
    wir benutzen sehr ähnliche software ;-)
    für’s wiki (bei mir privat, u.a. wegen urheberrechtlichen fragen (weil ich da gerne mal komplette texte reinkopiere …) und weil ich es auch als tagebuch nutze) kann ich dokuwiki empfehlen. sehr schlank und flott, dank der speicherung in txt-dateien auch noch ohne software zu nutzen (falls die mal verschwinden sollte), mit einigen plugins auch ziemlich mächtig und trotzdem recht einfach zu nutzen und zu warten.
    zu owncloud habe ich auch noch keine vernünftige alternative gefunden. vor allem, weil ich auch die zahl der dienste/software nicht ins unendliche wachsen lassen will – jede funktioniert etwas anders, jede will updates haben etc. reine dateisynchronisierungsdienste wie seafile habe ich mal ausprobiert – war mir aber alles zu umständlich, ehrlich gesagt. owncloud läuft inzwischen recht zuverlässig bei mir.
    für bookmarks scheint es aber tatsächlich keine vernüfntige selbst gehostete software zu geben. ich bin auch bein pinboard gelandet (und damit auch zufrieden), nutze das aber auch eher wenig (vor allem als ablage, wenig – zu wenig – zur recherche …)
    lychee läuft bei mir seit einiger zeit – aber da ich ein textmensch bin, hat das wenig zu tun ;-) so weit bin ich aber ganz zufrieden damit, ist auch einigermaßen schick …
    beim suchen wechsle ich zwischen ddg (funktioniert meiner erfahrung nach besser für technisches und englisches) und startpage – also google ohne personalisierung.
    außerdem läuft auf meinem uberspace (um noch ganz geschickt werbung für meinen hoster zu machen und etwas lokalpatriotismus zu demonstrieren) noch tweetnest zu archivierungszwecken.
    und yourls als url-shortener.
    ergänzen kann man das dezentrale netz noch um:
    – piwik für die analytik
    – wallabag als „später lesen“-service (statt pocket oder instapaper)
    – runalyze für läufer-/sportdaten
    was mit einem shared host so alles möglich ist, kann man hier ganz gut sehen: https://wiki.uberspace.de/cool

  7. Pingback: Umleitung: Pegida, Charlie Hebdo, Feigheit, Bloggen, Tucholsky – Harburg, Kontaktbörsen und mehr. | zoom

  8. Christian Weiske sagt:

    Zum Thema Bookmarks: Ich selbst entwickle SemanticScuttle, was eine etwas aufgebohrte Variante von Scuttle ist.

    Was genau fehlt/ist schlecht an Scuttle?

Kommentare sind geschlossen.