Planet History

Tag: 14. Juli 2016

15.7.1916 Zwei Flugzeugabstürze

2 Flugzeugabstürze. Biaches erneut zurückerobert. Am Vormittag trotz des dunstigen, aber warmen Wetters rege Fliegertätigkeit auf beiden Seiten. Ich habe dabei Gelegenheit, wieder 2 interessante Flugzeugabstürze zu beobachten. Der erste betrifft einen deutschen Doppeldecker, der nach dem üblichen Maschinengewehrgeknatter “tack – tack – tack” plötzlich aus großer Höhe senkrecht herunterschießt, sich wieder erhebt, nochmals stürzt, […]

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Corpus Vitrearum

Das Glasmalerei-Corpus bietet nicht nur eine Bilddatenbank mit wikipediatauglichen Glasmalerei-Fotos (CC-BY), sondern jetzt auch vier gedruckte Bände als PDFs. 3,1: Oppenheim, Rhein- und Südhessen (PDF) – Rezension durch mich in Vorbereitung 10,2: Nürnberg, St. Sebalder Stadtseite (PDF) 19,3: Salzwedel (PDF) … Weiterlesen

„Das ist ein Scandal, das ist Terrorismus! Achtung vor dem Präsidenten!“ | Aus dem Protokoll des ersten Verhandlungstags (18. Mai 1848) der Nationalversammlung in der Paulskirche

Auszug: Wigard, Franz: Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der Deutschen Constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main, Bd.: 1. 1848, Frankfurt, M., 1848, hier: Erste vorberathende Versammlung in der Paulskirche. 18. Mai 1848, S. 7f. Eine Stimme: Wenn wir anfangen, so zu berathen, so geht der gesetzgebende Körper seiner Auflösung entgegen. Alterspräsident Lang (nachdem die Glocke lange vergeblich ertönt hatte): Ich habe die Versammlung zu fragen, ob sie eine weitere Fortsetzung der Debatte,…

On_Culture: CfA for Issue 2

The On_Culture Editorial Board would like to draw your attention to the Call for Abstracts for the second issue: “The Nonhuman: Concepts, Concerns, and Challenges in the Study of Culture”. We are particularly calling for ‘creative’ contributions that reflect upon the topic (the Nonhuman) in a non-conventional way: interviews, essays, opinion pieces, reviews of exhibitions, analyses of […]

„Der Umgangston unter Wikipedia-Autoren steckt oft voller Aggressionen und Beleidigungen“

Jammert ein Lars Lehmann (Pseudonym) in der FR: http://www.fr-online.de/medien/wikipedia–deine-mitarbeit-ist-unerwuenscht-,1473342,34493486.html Dagegen sagt Thierry Chervel (Perlentaucher): Kann sein, dass Wikipedia heute an einem Schnittpunkt ist, an dem es auch auf die Antwort der Gesellschaft, besonders der Wissenschaft und von Institutionen wie Museen … Weiterlesen

Informationspraxis 2016/1

„[M]it Abschluss der Ausgabe 1/2016 freuen wir uns, erneut eine Reihe interessanter Beiträge von Praktikerinnen und Praktikern der Fachcommunities aus Bibliothek, Archiv und Informationswesen veröffentlicht zu haben: Schumann, Tim: Urban Gardening und Öffentliche Bibliotheken: Konzeption einer Veranstaltungsreihe in der Stadtbibliothek … Weiterlesen

13 positions for PhD students in the field of digital history and hermeneutics at University of Luxembourg

The Historical Institute / Center for Contemporary and Digital History University of Luxembourg has obtained a large grant from the Fonds National de la Recherche Luxembourg in the framework of the so-called PRIDE-program, enabling the creation of a Doctoral Training Unit (DTU) and opens up to 13 positions for PhD students (Doctoral candidates) in the field of digital history and hermeneutics (m/f) Description  Ref: R-STR-3067-00-B Starting date: 15th January 2017 Duration: 14-months initial contract, extendable up to 3 years, further extendable by 1 year […]

Symposienbeiträge auf DigiGeist

via Julia Menzel, Geschäftsstelle „Digitalität in den Geisteswissenschaften“ Die Symposienreihe „Digitalität in den Geisteswissenschaften“ veröffentlicht unter http://digigeist.hypotheses.org die Beiträge des ersten Symposiums zum Thema „Digitalität. Theorien und Praktiken des Digitalen in den Geisteswissenschaften“. Das von Hypotheses präsentierte Blog ist als digitaler Tagungsband konzipiert, in dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Beiträge veröffentlichen und zur Diskussion […]

„Bibliothek der Neologie“ veröffentlicht Modelledition

Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Langzeitprojekt Bibliothek der Neologie. Kommentierte kritische Auswahledition in zehn Bänden hat auf seinem Portal eine Modelledition veröffentlicht, mit der ein Einblick in die fachwissenschaftliche Aufbereitung, die editorische Umsetzung sowie die informationstechnologische Entwicklung ermöglicht werden soll. Die Modelledition ist ein Auszug aus Johann August Nösselts Anweisung zur Bildung angehender […]

Theorien und Praktiken des Digitalen in den Geisteswissenschaften

Bericht zum Symposium in der Villa Vigoni, 26.-29.05.2016

Die Digitalisierung hat in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr Gesellschaftsbereiche erfasst und verändert. Auch die Geisteswissenschaften beziehen zunehmend digitale Technologien in ihre Arbeitspraxis ein, richten entsprechende Studiengänge ein und bedienen sich fächerübergreifend der großen Schlagworte „Digital Humanities“, „Big Data“ und „Open Access“. Der technologische Wandel generiert dabei in den geisteswissenschaftlichen Fächern nicht nur neue Untersuchungsgegenstände und Methoden. Er greift vielmehr in fachspezifisch tradierte Praktiken ein und stellt bisherige Routinen auf die Probe. Entsprechend blicken die Geisteswissenschaften nicht nur positiv auf den digitalen Wandel, sondern begegnen den aktuellen technischen Möglichkeiten durchaus auch skeptisch und mit einem ganzen Bündel an Fragen. Beim ersten Symposium der Reihe Digitalität in den Geisteswissenschaften Ende Mai in der Villa Vigoni diskutierten 27 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, welche Auswirkungen ‚das Digitale‘ auf die einzelnen Fachdisziplinen sowie auf die Geisteswissenschaften als Gesamtheit hat.
 
„Was macht die Digitalisierung mit den geisteswissenschaftlichen Disziplinen? Und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für Forscherinnen und Forscher sowie für die Forschungsförderung?“ Mit diesem Arbeitsauftrag begrüßten Prof. Dr.  Martin Huber und Prof. Dr. Claus Pias für die Steuerungsgruppe sowie Dr. Matthias Kiesselbach für die Geschäftsstelle der Deutschen Forschungsgemeinschaft die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des ersten Symposiums, das unter dem Motto „Digitalität – Theorien und Praktiken des Digitalen in den Geisteswissenschaften“ stand. Die Veranstaltung sei als ergebnisoffene Reflexion angelegt, betonten Huber und Pias, und könne als Bestandsaufnahme der einzelnen geisteswissenschaftlichen Fächer begriffen werden. So weiche man hier auch ein wenig vom üblichen Modell der DFG-Symposienreihen ab und habe im Vorfeld Konzeptpapiere statt druckreifer Beiträge von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern erbeten. Die Teilnehmenden hatten im Vorfeld ein kurzes Papier verfasst, in dem sie die Rolle der Digitalisierung in ihrem Fach sowie das dabei wirksame Konzept des Digitalen vorstellen, erläutern und ggf. problematisieren sollten. Diese Papiere wurden Respondierenden zugeordnet, die die Autorenposition dann referierten und in eine Diskussion im Plenum überführten.
 
Bevor die Vertreterinnen und Vertreter der jeweiligen Fachdisziplinen jedoch in den Austausch über die aktuellen Entwicklungen im Zuge der Digitalisierung traten, eröffnete  Frieder Nake das Symposium mit einem Abendvortrag. Unter dem Titel „Digital und algorithmisch, schön und gut. Die algorithmische Revolution ist doch vorüber, oder?“ reizte Nake seine Zuhörerschaft mit der Feststellung, das Digitalisierung nichts mit Forschung zu tun habe. Hier werde lediglich etwas gescannt, „was man vorher nicht gescannt hatte“. Computer können Zeichen nicht bearbeiten, nur Signale, denn ihnen fehlt es an der Fähigkeit zur Interpretation. Entsprechend sei die Digitalisierung nicht als Oberflächenerscheinung zu belassen, sondern hermeneutisch zu erfassen. Beim Nachdenken über Computer (und damit über Digitalität) dürfe aber der Kernpunkt nicht verloren gehen: Das Wesentliche an der Verwendung von Computern seien die Algorithmen und die Geflechte von Algorithmen. Es gehe um die Verwandlung aller Vorgänge in berechenbare Vorgänge. Das Vorhaben der Digital Humanities, mit diskreten Methoden an Fragen heranzugehen, die das eigentlich nicht erlauben würden, hob Nake daher auch als „aberwitzig geil“ hervor. Er bezeichnete die Geisteswissenschaften in diesem Zusammenhang als „Überkontextualisierungswissenschaften“, die eben immer mit Kontexten zu tun hätten, während das Programmieren Kontexte negiere. Ohne Reduzierung von Kontext(en) sei mit Computern aber nichts zu machen. Das löse häufig Unbehagen aus. „Wir wollen gerne das Werkzeug haben, aber vor der Maschine haben wir Angst“, spitzte Nake zu und gab eine der Leitfragen der Veranstaltung ins Plenum: „Was kann das sein – das Digitale?“
 
Was ein digitales Projekt leisten kann bzw. wie ein solches Projekt aussehen und die Versprechungen der digitalen Welt in den geisteswissenschaftlichen Disziplinen umsetzen kann, verdeutlichten zwei Fallbeispiele, die jeweils zu Beginn eines Symposientages vorgestellt wurden.
Karina van Dalen-Oskam stellte das Projekt The Riddle of Literary Quality vor und machte deutlich, auf welch unterschiedlichen Ebenen die Verwendung rechnergestützter Methoden die Literaturwissenschaft verändert und welche Kontroversen der Themenkomplex Digitalität/Digitalisierung auszulösen vermag. So rief das Projekt, das danach fragt, was von den Leserinnen und Lesern als literarisch empfunden wird und entsprechend untersucht, wie wir mehr Einblick in die Zuschreibung von Literarizität erhalten können, heftige Reaktionen hervor. Van Dalen-Oskam berichtete von der Infragestellung des Innovationscharakters, Vorwürfen zur Übernahme literaturwissenschaftlicher Kernkompetenzen durch den PC und den Risiken, die sich aus dem Projekt für ihren wissenschaftlichen Ruf aber auch die Karrierechancen beteiligter Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler ergeben hätten. Die Kritik sei dabei durchaus produktiv für das Projekt gewesen. Sie betonte „die Notwendigkeit des besonders sorgfältigen Forschungsdesigns und der umfassenden Transparenz“ angesichts der Kontroversen, die sich um das von der Königlichen Niederländischen Akademie der Wissenschaften geförderte Vorhaben ergaben. Weiterhin wies die Literaturwissenschaftlerin auf die methodologische Neuartigkeit des interdisziplinären Projekts hin, das an der Schnittstelle von Computerlinguistik, Literaturwissenschaft und Stylometrie verortet werden könne und auf Wiederhol- sowie Überprüfbarkeit angelegt sei. Neben der Entwicklung neuer Tools nehme die Frage, „inwiefern die erzielten Ergebnisse die bisherige Forschung bestätigen oder entkräften“, einen bedeutenden Teil des Projekts ein. Auch Anne Bohnenkamp-Renken führte den Mehrwert des digitalen Mediums hinsichtlich seiner wissenschaftlichen Erkenntnismöglichkeiten vor. Anhand der digitalen Faust-Edition, die sich derzeit in der Beta-Phase befindet, konnte sie deutlich machen, welche dynamischen Rezeptionsprozesse möglich sind, wenn eine digitale Edition aus dem Medium heraus und nicht lediglich als digitale Kopie der Printedition konzipiert wird. Handschriften, wie die hier edierten, seien nun einmal „Doppelwesen“, an denen das Verhältnis zwischen Bild und Text besonders virulent werde. Die digitale Edition trage dem durch die Verbindung der dokumentarischen und textuellen Transkriptionsformen Rechnung. Textkritisches und genetisches Paradigma, die beiden unterschiedlichen Editionsparadigmen des 19. und 20. Jahrhunderts, könnten so kombiniert werden. Dass beide Sichtweisen präsentiert werden können, sei eine der Hauptleistungen der elektronischen Ausgabe, medial bedingte Grenzen ließen sich nun auflösen. Daneben verwies Bohnenkamp-Renken auf den doppelten Nutzen derartiger Forschungsprojekte. Werkzeuge und Verfahren, die für diese und anhand dieser speziellen Edition entwickelt worden seien, könnten auch für weitere Editionsprojekte fruchtbar gemacht werden und tangierten damit den im Zuge der Digitalisierung häufig in Anschlag gebrachten Aspekt der Nachnutzbarkeit. Außerdem berge gerade die Zusammenarbeit mit Informatikern den äußerst produktiven Zwang zur Reflektion der „intuitionsphilologisch dunklen Ecken“. Wolle man in gleichberechtigten Teams neue Lösungen entwickeln, müsse man zwangsläufig konkret und präzise werden, was eine Reflektion der eigenen Methoden und Prämissen voraussetze. Überdies leiste man mit dieser Edition Grundlagenarbeit, die eine Fülle von Disziplinen anspreche und nicht mehr nur auf eine rein literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung zu begrenzen sei.
 
„Ist das noch Literaturwissenschaft?“ Mit dieser auf das Projekt The Riddle of Literary Quality bezogenen Frage läutete Bernhard Siegert (Kulturwissenschaft) die Diskussionen um den Stand des Digitalen in den einzelnen geisteswissenschaftlichen Fächern ein und markierte zugleich eines der bestimmenden Themenfelder des viertägigen Symposiums. So wurde in den über Respondenten referierten Konzeptpapieren wie  in den sich anschließenden Debatten häufig die Frage nach der Veränderung von Fachdisziplinen durch den digitalen Wandel gestellt. Was macht ‚die Digitalität‘ mit unseren Gegenständen und Fragen, letztlich also mit der eigenen Forschung? Ortwin Dally konstatierte so beispielweise für den Bereich der Archäologie ein durch die digitalen Methoden verändertes Verständnis von Expertise. Auch veränderte Erkenntnisinteressen seien als Folgeerscheinungen der Anwendung computergestützter Methoden auszumachen. Allerdings gebe es im Fach kaum Reflektion über das Erkenntnispotential der Methoden, sprach Dally ein Defizit in der Selbsthistorisierung der Archäologie an. Auch Margarete Pratschke erläuterte, hier für den Bereich der Kunstgeschichte, dass eine Aufarbeitung der Digitalisierungsgeschichte oder des Verhältnisses zu traditionellen Methoden in ihrem Fach nur zögerlich erfolge. Häufig erschöpfe sich die Anwendung digitaler Praktiken in der Fortschreibung herkömmlicher Fragen und Methoden. Die Digitalität stelle derzeit „keine wichtigen Fragen für die Kunstgeschichte“. Der damit angesprochene Bedarf an Theoretisierung beschäftigte das Plenum fachübergreifend. Digitalität sei, das werde hier deutlich, als Chance zur Selbstreflektion zu begreifen, denn digitale Methoden würden verstärkt Fragen nach dem neuen Potential hervorrufen. Während zum Teil bereits der Aspekt des Abgleichs digitaler Methoden mit den traditionellen Herangehensweisen als ein erkenntnistheoretischer Gewinn gewertet wurde, fragten andere Teilnehmer besorgt, zu wessen Lasten der starke Drang zur Digitalisierung gehe. Müssten nicht zwangsläufig die traditionellen Methoden zurückstecken? Dem widersprach u.a. Jens Schröter (Medienwissenschaft) in der Diskussion. Digitale Methoden würden die alten Methoden nicht ablösen, sondern neben sie treten, da sie zumeist andere Gegenstände behandeln. Mit der Veränderung der Methoden gehe gleichsam auch eine Veränderung der Forschungsgegenstände einher. Die Frage an digitale Methoden müsse daher nicht lauten, ob sie mehr zeigen können, sondern ob sie etwas anderes zu zeigen ermöglichen. An die Stelle eines gegeneinander Ausspielens trete für ihn vielmehr ein Methodenpluralismus. Wie bestimmend die Frage nach dem Innovationspotential digitaler Projekte ist, hob auch Stefan Müller (Mediävistik) hervor. So komme es leider vor, dass Fragestellungen mit unterkomplexen Annahmen durch Quantifizierung, wie sie in der Anwendung digitaler Methoden stecke, nobilitiert und aufgewertet würden. Auch die Bearbeitung vermeintlich abgelegter Thesen durch neue Verfahren, sei zuweilen zu beobachten, brachte Vinzenz Hediger (Filmwissenschaft) ein und reagierte damit auf Petra Gehrings (Philosophie) Nachfrage, ob dann „Digitalität als Akte X“ zu verstehen sei und letztlich nur liegen gebliebene Fälle neu aufrolle. Um eben diese Bedienung traditioneller Ziele und klassisch-altbackener Fragen könne es gerade nicht gehen, machte Müller klar. Es müssten stattdessen neue Fragestellungen anhand neuer Methoden entstehen. Entsprechend sei es ein Fehler, gewohnte Standards durch neue technische Standards zu ersetzen und an alten hermeneutischen Vorannahmen festzuhalten. Das Einschleppen alter Fragestellungen in neue Daten müsse vermieden werden, der Reiz der Verifikation sei der falsche Weg. Fotis Jannidis (Computerphilologie) bat um weitere Differenzierung. Das Liegengebliebene könne durchaus gewinnbringend mit neuen Methoden betrachtet werden. Die Umgestaltung der Forschung, die mit der Digitalisierung Einzug in die Wissenschaften halte, lasse sich nicht ausschließlich durch ein umfassendes Ersetzen kennzeichnen, sondern ebenso als Modifizierung zu begreifen, die ein „fröhliches Nebeneinander“ (so Herbert Hrachovec, Philosophie dazu) zulasse. „Müssen sich digitale Methoden am Status quo messen lassen oder können mit ihnen alte Agenden erfüllt werden?“, fasste Peter Strohschneider den Komplex zusammen und verwies damit auf die Frage des epistemischen Mehrwerts digitaler Projekte, die die Debatte aller vier Symposientage durchzog.
 
Was aber sind überhaupt digitale Projekte? Diese Frage bildete einen zweiten Schwerpunkt der Veranstaltung. Die Beiträge und Debatten machten das Definitionsdefizit deutlich, unter dem der Digitalitätsbegriff leidet. Die unterschiedlichen Dimensionen von Digitalität und Digitalisierung seien in der Auseinandersetzung mitzubedenken, warnte Margarete Pratschke und Karin Harrasser (Kulturwissenschaft) ergänzte: „Wissen wir, worüber wir reden, wenn wir digitale Techniken sagen?“ Petra Gehring führte aus, dass seit geraumer Zeit eine starke Digitalisierung stattfinde, die Digitalitätsprognose aber unklar sei. Herbert Knobloch (Wissenschaftsgeschichte) ergänzte, dass Digitalisierung aus seiner Sicht selbst keine Wissenschaft sei, diese aber ermögliche. Die Runde diskutierte, ob Digitalität als Theorie zur Praxis der Digitalisierung zu fassen sei oder selbst als veränderte Arbeitsweise gelten müsse und griff damit Wolfgang Coys (Informatik) Aussage zur „Disruption der Digitalisierung“ auf. Dass damit  angesprochene unklare Verhältnis zwischen Forschung an Digitalität und Digitalität im Vor- und Umfeld von Forschung macht sich, so wurde in der Debatte deutlich, nicht nur durch das Unscharfwerden der Grenzen von Forschung bemerkbar, sondern wirkt sich auch auf das (Selbst-)Verständnis der einzelnen Geisteswissenschaften aus. Könne man, fragte daher Manfred Thaller (Informatik), die Rolle der Digitalisierung im Fach überhaupt vom Fach selbst unterscheiden. Sei Digitalität noch als etwas Fachfremdes zu begreifen? Daran anschließend warf Gudrun Gersmann (Geschichte) die Überlegung auf, wo eigentlich das Eigene des Fachs zu verorten sei, wenn man beispielsweise in großen Forschungsverbünden arbeite. Martin Warnke (Informatik) schlug in der Debatte um die Begriffe ‚Digitalität‘, ‚Digitalisierung‘, ‚digitale Techniken und Projekte‘ eine Trennung zwischen den digitalisierten Disziplinen der Geisteswissenschaften und den digitalen Disziplinen der Geisteswissenschaften vor und verwies damit auf eine weitere grundlegende Frage des Symposiums: Was sind Geisteswissenschaften?
 
Die im Plenum immer wieder aufkommende Frage nach der Relevanz des Digitalen für die eigene Disziplin und die Geisteswissenschaften insgesamt, animierte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch zum Nachdenken über gemeinsame Grundlagen innerhalb der geisteswissenschaftlichen Disziplinen und zwischen der Informatik und den Geisteswissenschaften. Während Petra Gehring eine diziplinenübergreifende Arbeitssprache anregte, verwies Manfred Thaller auf die gemeinsamen wissenstheoretischen Grundlagen. Gemeinsam sei den Geisteswissenschaften „das Unpräzise, die unvollständigen Informationen“. Die Gegenüberstellung von Geistes- und Naturwissenschaften sei darüber hinaus ohnehin „wissenschaftspolitischer Selbstmord“. Nötig sei es, so eine Reihe von Diskutanten, ausgehend von den digitalen Praktiken theoriegeleitet und konzeptbasiert Grundsatzfragen zu stellen. Dabei müsse nicht nur reflektiert werden, was die Geisteswissenschaften methodisch eine und wo Differenzen bestehen würden. Zu fragen sei, ob die Geisteswissenschaften überhaupt gemeinsame methodische Modelle vorlegen könnten und warum gerade im Zusammenhang mit digitalen Methoden diese Forderung laut werde.  
 
Das Austarieren von Gemeinsamkeiten und Unterschieden prägt auch die konkrete Arbeit an digitalen Projekten. Zumeist in Tandem-Teams aus Informatikern und Geisteswissenschaftlern entstehen diese Projekte und werfen die Frage auf: Was bedeutet es, wenn man einen Informatiker in sein Team holt? Anknüpfend an die Vorstellung der digitalen Faust-Edition, bei der Anne Bohnenkamp-Renken bereits auf die Zusammenarbeit in gemischten Teams eingegangen war, kennzeichnete Wolfgang Coy die Informatik als „Erledigungswissenschaft“. Die Geisteswissenschaftler müssten also wissen, was sie erledigt haben wollen. Petra Gehring verwies dagegen auf den Wunsch vieler Informatiker, mit jedem neuen Projekt auch eine neue informatische Fragestellung zu erhalten. Insgesamt, so war sich das Plenum einig, müsse man sich vom Paradigma der Haupt- und Hilfswissenschaften entfernen und gleichberechtigt zusammenarbeiten.  Fotis Jannidis verwies dabei auf die zwei derzeit gängigen Wege der Ko-Entwicklung oder der Adaption bereits bestehender Techniken. Dies schlage sich auch in den Förderwegen nieder. Die Strukturen seien damit eigentlich gut ausgebaut und würden diesen Forschungsprozess auf zwei Ebenen gut abbilden.
 
Insbesondere die zweite Hälfte des Symposiums akzentuierte stärker solche praktischen Aspekte der Digitalität in den Geisteswissenschaften. So standen am Samstag auch die Reputations- und Anerkennungsmechanismen digitaler Publikationen sowie die Belange des wissenschaftlichen Nachwuchses auf der Agenda der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Deutlich wurde zunächst die Kluft zwischen Fachexpertisen und der Ausbildungssituation, die sich durch nahezu alle Fachbereiche zieht. Die Ergebnisse und Möglichkeiten innovativer Forschung im digitalen Bereich spiegele sich kaum in der Ausbildung der Studierenden wider.  Die bisherige Lösung sei die Gründung von DH-Studiengängen. Man müsse jedoch auch überlegen, wie die Curricula bestehender Studiengänge auf die Entwicklungen reagieren können. Insgesamt bestehe dringender Handlungsbedarf bei der Vermittlung. Das beträfe die universitäre Ausbildung, den Transfer in die Zivilgesellschaft (Stichwort „Third Mission“) sowie den wissenschaftlichen Nachwuchs. Gudrun Gersmann machte deutlich, dass gerade hier, also im Bereich des wissenschaftlichen Nachwuchses, ein Umdenken in der Reputationskultur stattfinden müsse. Viele junge Forscherinnen und Forscher würden neue Typen des Schreibens und Publizierens wählen, kollaborative Schreibprojekte verfolgen oder primär im Netz publizieren. Das Prima der Monographie gelte aber nach wie vor. Selbst E-Journals würden häufig nach den alten Print-Modellen operieren. Peer-Review-Verfahren würden weiterhin als Nobilitierungsstrategie eingesetzt. Eine Open Access-Publikation der Dissertation etwa, bekräftigte auch Margarete Pratschke, bedeute häufig den Verlust von Reputation und Distinktion. Gersmann schlug dazu u.a. ein „proved by“-Label der Fachgesellschaften vor, das als Anerkennungsmarker fungieren könne.
 
Open Access und Urheberrechtsfragen bildeten dann auch einen weiteren Anknüpfungspunkt für die Diskussionen. Daneben kamen immer wieder wissenschaftspolitische Fragen auf. Wird akademische Arbeit überflüssig durch den digitalen Wandel? Ersetzt der Computer den Forscher? Welchen speziellen Herausforderungen sind kleine Fächer ausgesetzt? Wie müssen wir unsere Wissenschaftskommunikation an die neuen Gegebenheiten anpassen? Qualitätssicherung und Standards sowie Nachnutzbarkeit und Langzeitarchivierung wurden ebenfalls als Kernproblem der Debatte um die Digitalität in den Geisteswissenschaften extrapoliert. Das Datenmanagment und die Nachhaltigkeit digitaler Projekte seien ein bedeutender Faktor in ihrer Bewertung. Nötig sei hier eine klare Konzeptualisierung der Arbeit und die produktive Auseinandersetzung über die Frage, wie wir richtig digitalisieren. Mechthild Habermann (Germanistische Linguistik) führte dazu beispielweise aus, dass über Digitalisierungen Basiskorpora, aber auch Basiskompetenzen zu sichern seien. Dem Wunsch nach systemunabhängiger Langzeitarchivierung aus dem Plenum folgte die Frage nach der richtigen  Zeitdimension von Nachhaltigkeit.
 
Insgesamt spiegelte das Symposium die Perspektivenvielfalt im Bereich der Digitalität in den Geisteswissenschaften wider. Deutlich wurden die Vorteile digitaler Verfahren innerhalb der einzelnen Disziplinen, aber auch die Herausforderungen, die diese Ansätze methodisch und konzeptionell mit sich bringen.  Über die Rekonstruktion von Digitalitätsdiskursen der einzelnen Fächer konnten Problemfelder und Arbeitsbereiche herausgearbeitet werden, die die die einzelnen Disziplinen wie die Gesamtheit der Geisteswissenschaften prägen.  So bleiben die Fächer in Sachen Digitalisierung häufig hinter dem Stand einzelner Personen und Projekte zurück und beginnen zumeist gerade erst, Digitalität als Theorieproblem zu begreifen.
 
Die einzelnen Beiträge des Symposiums zum online Lesen und Kommentieren finden Sie unter: http://digigeist.hypotheses.org/. 
 
 
Teilnehmerinnen und Teilnehmer: Prof. Dr. Anne Bohnenkamp-Renken, Prof. Dr. Wolfgang Coy, Prof. Dr. Karina van Dalen-Oskam, Prof. Dr. Ortwin Dally, Prof. Dr. Elena Esposito, Prof. Dr. Petra Gehring, Prof. Dr. Gudrun Gersmann, Prof. Dr. Mechthild Habermann, Prof. Dr. Karin Harrasser, Prof. Dr. Vinzenz Hediger, Prof. Dr. Herbert Hrachovec, Prof. Dr. Martin Huber (Steuerungsgruppe), Prof. Dr. Fotis Jannidis, Prof. Dr. Eberhard  Knobloch, Prof. Dr. Frieder Nake, Prof. Dr. Stephan Müller, Prof. Dr. Claus Pias (Steuerungsgruppe), Dr. Margarete Pratschke, Dr. Lynn Rother, Prof. Dr. Jens Schröter, Prof. Dr. Bernhard Siegert, Prof. Dr. Peter Strohschneider, Prof. Dr. Manfred Thaller, Prof. Dr. Martin Warnke                    
 
Über die Symposienreihe In der Symposienreihe „Digitalität in den Geisteswissenschaften“ diskutieren Vertreter verschiedener Wissenschaftsdisziplinen, um gemeinsam ein Verständnis für die digitalen Entwicklungen im Bereich der Geisteswissenschaften zu entwickeln. Die Reihe versteht sich dabei als interdisziplinäres Diskussionsforum zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den Potenzialen und Grenzen von Digitalität sowie den entstehenden neuen Arbeitsformen und Erkenntnismöglichkeiten in den geisteswissenschaftlichen Disziplinen. Die Veranstaltungen unter der Leitung von Prof. Dr. Martin Huber (Bayreuth), Prof. Dr. Sybille Krämer (Berlin) und Prof. Dr. Claus Pias (Lüneburg) werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.
 
Das erste Symposium fand vom 26. bis 29. Mai 2016 unter dem Titel „Digitalität – Theorien und Praktiken des Digitalen in den Geisteswissenschaften“ in der Villa Vigoni statt.
 
Weitere Informationen zur Reihe und den einzelnen Veranstaltungen finden Sie hier.
 
Kontakt: Julia Menzel, M.A. Geschäftsstelle „Digitalität in den Geisteswissenschaften“ Universität Bayreuth Universitätsstr. 30
GW I, Zi. 0.14 95447 Bayreuth Tel.: 0921/55-3629 digitalitaet.dfg@uni-bayreuth.de

Theorien und Praktiken des Digitalen in den Geisteswissenschaften

Bericht zum Symposium in der Villa Vigoni, 26.-29.05.2016

Die Digitalisierung hat in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr Gesellschaftsbereiche erfasst und verändert. Auch die Geisteswissenschaften beziehen zunehmend digitale Technologien in ihre Arbeitspraxis ein, richten entsprechende Studiengänge ein und bedienen sich fächerübergreifend der großen Schlagworte „Digital Humanities“, „Big Data“ und „Open Access“. Der technologische Wandel generiert dabei in den geisteswissenschaftlichen Fächern nicht nur neue Untersuchungsgegenstände und Methoden. Er greift vielmehr in fachspezifisch tradierte Praktiken ein und stellt bisherige Routinen auf die Probe. Entsprechend blicken die Geisteswissenschaften nicht nur positiv auf den digitalen Wandel, sondern begegnen den aktuellen technischen Möglichkeiten durchaus auch skeptisch und mit einem ganzen Bündel an Fragen. Beim ersten Symposium der Reihe Digitalität in den Geisteswissenschaften Ende Mai in der Villa Vigoni diskutierten 27 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, welche Auswirkungen ‚das Digitale‘ auf die einzelnen Fachdisziplinen sowie auf die Geisteswissenschaften als Gesamtheit hat.
 
„Was macht die Digitalisierung mit den geisteswissenschaftlichen Disziplinen? Und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für Forscherinnen und Forscher sowie für die Forschungsförderung?“ Mit diesem Arbeitsauftrag begrüßten Prof. Dr.  Martin Huber und Prof. Dr. Claus Pias für die Steuerungsgruppe sowie Dr. Matthias Kiesselbach für die Geschäftsstelle der Deutschen Forschungsgemeinschaft die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des ersten Symposiums, das unter dem Motto „Digitalität – Theorien und Praktiken des Digitalen in den Geisteswissenschaften“ stand. Die Veranstaltung sei als ergebnisoffene Reflexion angelegt, betonten Huber und Pias, und könne als Bestandsaufnahme der einzelnen geisteswissenschaftlichen Fächer begriffen werden. So weiche man hier auch ein wenig vom üblichen Modell der DFG-Symposienreihen ab und habe im Vorfeld Konzeptpapiere statt druckreifer Beiträge von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern erbeten. Die Teilnehmenden hatten im Vorfeld ein kurzes Papier verfasst, in dem sie die Rolle der Digitalisierung in ihrem Fach sowie das dabei wirksame Konzept des Digitalen vorstellen, erläutern und ggf. problematisieren sollten. Diese Papiere wurden Respondierenden zugeordnet, die die Autorenposition dann referierten und in eine Diskussion im Plenum überführten.
 
Bevor die Vertreterinnen und Vertreter der jeweiligen Fachdisziplinen jedoch in den Austausch über die aktuellen Entwicklungen im Zuge der Digitalisierung traten, eröffnete  Frieder Nake das Symposium mit einem Abendvortrag. Unter dem Titel „Digital und algorithmisch, schön und gut. Die algorithmische Revolution ist doch vorüber, oder?“ reizte Nake seine Zuhörerschaft mit der Feststellung, das Digitalisierung nichts mit Forschung zu tun habe. Hier werde lediglich etwas gescannt, „was man vorher nicht gescannt hatte“. Computer können Zeichen nicht bearbeiten, nur Signale, denn ihnen fehlt es an der Fähigkeit zur Interpretation. Entsprechend sei die Digitalisierung nicht als Oberflächenerscheinung zu belassen, sondern hermeneutisch zu erfassen. Beim Nachdenken über Computer (und damit über Digitalität) dürfe aber der Kernpunkt nicht verloren gehen: Das Wesentliche an der Verwendung von Computern seien die Algorithmen und die Geflechte von Algorithmen. Es gehe um die Verwandlung aller Vorgänge in berechenbare Vorgänge. Das Vorhaben der Digital Humanities, mit diskreten Methoden an Fragen heranzugehen, die das eigentlich nicht erlauben würden, hob Nake daher auch als „aberwitzig geil“ hervor. Er bezeichnete die Geisteswissenschaften in diesem Zusammenhang als „Überkontextualisierungswissenschaften“, die eben immer mit Kontexten zu tun hätten, während das Programmieren Kontexte negiere. Ohne Reduzierung von Kontext(en) sei mit Computern aber nichts zu machen. Das löse häufig Unbehagen aus. „Wir wollen gerne das Werkzeug haben, aber vor der Maschine haben wir Angst“, spitzte Nake zu und gab eine der Leitfragen der Veranstaltung ins Plenum: „Was kann das sein – das Digitale?“
 
Was ein digitales Projekt leisten kann bzw. wie ein solches Projekt aussehen und die Versprechungen der digitalen Welt in den geisteswissenschaftlichen Disziplinen umsetzen kann, verdeutlichten zwei Fallbeispiele, die jeweils zu Beginn eines Symposientages vorgestellt wurden.
Karina van Dalen-Oskam stellte das Projekt The Riddle of Literary Quality vor und machte deutlich, auf welch unterschiedlichen Ebenen die Verwendung rechnergestützter Methoden die Literaturwissenschaft verändert und welche Kontroversen der Themenkomplex Digitalität/Digitalisierung auszulösen vermag. So rief das Projekt, das danach fragt, was von den Leserinnen und Lesern als literarisch empfunden wird und entsprechend untersucht, wie wir mehr Einblick in die Zuschreibung von Literarizität erhalten können, heftige Reaktionen hervor. Van Dalen-Oskam berichtete von der Infragestellung des Innovationscharakters, Vorwürfen zur Übernahme literaturwissenschaftlicher Kernkompetenzen durch den PC und den Risiken, die sich aus dem Projekt für ihren wissenschaftlichen Ruf aber auch die Karrierechancen beteiligter Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler ergeben hätten. Die Kritik sei dabei durchaus produktiv für das Projekt gewesen. Sie betonte „die Notwendigkeit des besonders sorgfältigen Forschungsdesigns und der umfassenden Transparenz“ angesichts der Kontroversen, die sich um das von der Königlichen Niederländischen Akademie der Wissenschaften geförderte Vorhaben ergaben. Weiterhin wies die Literaturwissenschaftlerin auf die methodologische Neuartigkeit des interdisziplinären Projekts hin, das an der Schnittstelle von Computerlinguistik, Literaturwissenschaft und Stylometrie verortet werden könne und auf Wiederhol- sowie Überprüfbarkeit angelegt sei. Neben der Entwicklung neuer Tools nehme die Frage, „inwiefern die erzielten Ergebnisse die bisherige Forschung bestätigen oder entkräften“, einen bedeutenden Teil des Projekts ein. Auch Anne Bohnenkamp-Renken führte den Mehrwert des digitalen Mediums hinsichtlich seiner wissenschaftlichen Erkenntnismöglichkeiten vor. Anhand der digitalen Faust-Edition, die sich derzeit in der Beta-Phase befindet, konnte sie deutlich machen, welche dynamischen Rezeptionsprozesse möglich sind, wenn eine digitale Edition aus dem Medium heraus und nicht lediglich als digitale Kopie der Printedition konzipiert wird. Handschriften, wie die hier edierten, seien nun einmal „Doppelwesen“, an denen das Verhältnis zwischen Bild und Text besonders virulent werde. Die digitale Edition trage dem durch die Verbindung der dokumentarischen und textuellen Transkriptionsformen Rechnung. Textkritisches und genetisches Paradigma, die beiden unterschiedlichen Editionsparadigmen des 19. und 20. Jahrhunderts, könnten so kombiniert werden. Dass beide Sichtweisen präsentiert werden können, sei eine der Hauptleistungen der elektronischen Ausgabe, medial bedingte Grenzen ließen sich nun auflösen. Daneben verwies Bohnenkamp-Renken auf den doppelten Nutzen derartiger Forschungsprojekte. Werkzeuge und Verfahren, die für diese und anhand dieser speziellen Edition entwickelt worden seien, könnten auch für weitere Editionsprojekte fruchtbar gemacht werden und tangierten damit den im Zuge der Digitalisierung häufig in Anschlag gebrachten Aspekt der Nachnutzbarkeit. Außerdem berge gerade die Zusammenarbeit mit Informatikern den äußerst produktiven Zwang zur Reflektion der „intuitionsphilologisch dunklen Ecken“. Wolle man in gleichberechtigten Teams neue Lösungen entwickeln, müsse man zwangsläufig konkret und präzise werden, was eine Reflektion der eigenen Methoden und Prämissen voraussetze. Überdies leiste man mit dieser Edition Grundlagenarbeit, die eine Fülle von Disziplinen anspreche und nicht mehr nur auf eine rein literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung zu begrenzen sei.
 
„Ist das noch Literaturwissenschaft?“ Mit dieser auf das Projekt The Riddle of Literary Quality bezogenen Frage läutete Bernhard Siegert (Kulturwissenschaft) die Diskussionen um den Stand des Digitalen in den einzelnen geisteswissenschaftlichen Fächern ein und markierte zugleich eines der bestimmenden Themenfelder des viertägigen Symposiums. So wurde in den über Respondenten referierten Konzeptpapieren wie  in den sich anschließenden Debatten häufig die Frage nach der Veränderung von Fachdisziplinen durch den digitalen Wandel gestellt. Was macht ‚die Digitalität‘ mit unseren Gegenständen und Fragen, letztlich also mit der eigenen Forschung? Ortwin Dally konstatierte so beispielweise für den Bereich der Archäologie ein durch die digitalen Methoden verändertes Verständnis von Expertise. Auch veränderte Erkenntnisinteressen seien als Folgeerscheinungen der Anwendung computergestützter Methoden auszumachen. Allerdings gebe es im Fach kaum Reflektion über das Erkenntnispotential der Methoden, sprach Dally ein Defizit in der Selbsthistorisierung der Archäologie an. Auch Margarete Pratschke erläuterte, hier für den Bereich der Kunstgeschichte, dass eine Aufarbeitung der Digitalisierungsgeschichte oder des Verhältnisses zu traditionellen Methoden in ihrem Fach nur zögerlich erfolge. Häufig erschöpfe sich die Anwendung digitaler Praktiken in der Fortschreibung herkömmlicher Fragen und Methoden. Die Digitalität stelle derzeit „keine wichtigen Fragen für die Kunstgeschichte“. Der damit angesprochene Bedarf an Theoretisierung beschäftigte das Plenum fachübergreifend. Digitalität sei, das werde hier deutlich, als Chance zur Selbstreflektion zu begreifen, denn digitale Methoden würden verstärkt Fragen nach dem neuen Potential hervorrufen. Während zum Teil bereits der Aspekt des Abgleichs digitaler Methoden mit den traditionellen Herangehensweisen als ein erkenntnistheoretischer Gewinn gewertet wurde, fragten andere Teilnehmer besorgt, zu wessen Lasten der starke Drang zur Digitalisierung gehe. Müssten nicht zwangsläufig die traditionellen Methoden zurückstecken? Dem widersprach u.a. Jens Schröter (Medienwissenschaft) in der Diskussion. Digitale Methoden würden die alten Methoden nicht ablösen, sondern neben sie treten, da sie zumeist andere Gegenstände behandeln. Mit der Veränderung der Methoden gehe gleichsam auch eine Veränderung der Forschungsgegenstände einher. Die Frage an digitale Methoden müsse daher nicht lauten, ob sie mehr zeigen können, sondern ob sie etwas anderes zu zeigen ermöglichen. An die Stelle eines gegeneinander Ausspielens trete für ihn vielmehr ein Methodenpluralismus. Wie bestimmend die Frage nach dem Innovationspotential digitaler Projekte ist, hob auch Stefan Müller (Mediävistik) hervor. So komme es leider vor, dass Fragestellungen mit unterkomplexen Annahmen durch Quantifizierung, wie sie in der Anwendung digitaler Methoden stecke, nobilitiert und aufgewertet würden. Auch die Bearbeitung vermeintlich abgelegter Thesen durch neue Verfahren, sei zuweilen zu beobachten, brachte Vinzenz Hediger (Filmwissenschaft) ein und reagierte damit auf Petra Gehrings (Philosophie) Nachfrage, ob dann „Digitalität als Akte X“ zu verstehen sei und letztlich nur liegen gebliebene Fälle neu aufrolle. Um eben diese Bedienung traditioneller Ziele und klassisch-altbackener Fragen könne es gerade nicht gehen, machte Müller klar. Es müssten stattdessen neue Fragestellungen anhand neuer Methoden entstehen. Entsprechend sei es ein Fehler, gewohnte Standards durch neue technische Standards zu ersetzen und an alten hermeneutischen Vorannahmen festzuhalten. Das Einschleppen alter Fragestellungen in neue Daten müsse vermieden werden, der Reiz der Verifikation sei der falsche Weg. Fotis Jannidis (Computerphilologie) bat um weitere Differenzierung. Das Liegengebliebene könne durchaus gewinnbringend mit neuen Methoden betrachtet werden. Die Umgestaltung der Forschung, die mit der Digitalisierung Einzug in die Wissenschaften halte, lasse sich nicht ausschließlich durch ein umfassendes Ersetzen kennzeichnen, sondern ebenso als Modifizierung zu begreifen, die ein „fröhliches Nebeneinander“ (so Herbert Hrachovec, Philosophie dazu) zulasse. „Müssen sich digitale Methoden am Status quo messen lassen oder können mit ihnen alte Agenden erfüllt werden?“, fasste Peter Strohschneider den Komplex zusammen und verwies damit auf die Frage des epistemischen Mehrwerts digitaler Projekte, die die Debatte aller vier Symposientage durchzog.
 
Was aber sind überhaupt digitale Projekte? Diese Frage bildete einen zweiten Schwerpunkt der Veranstaltung. Die Beiträge und Debatten machten das Definitionsdefizit deutlich, unter dem der Digitalitätsbegriff leidet. Die unterschiedlichen Dimensionen von Digitalität und Digitalisierung seien in der Auseinandersetzung mitzubedenken, warnte Margarete Pratschke und Karin Harrasser (Kulturwissenschaft) ergänzte: „Wissen wir, worüber wir reden, wenn wir digitale Techniken sagen?“ Petra Gehring führte aus, dass seit geraumer Zeit eine starke Digitalisierung stattfinde, die Digitalitätsprognose aber unklar sei. Herbert Knobloch (Wissenschaftsgeschichte) ergänzte, dass Digitalisierung aus seiner Sicht selbst keine Wissenschaft sei, diese aber ermögliche. Die Runde diskutierte, ob Digitalität als Theorie zur Praxis der Digitalisierung zu fassen sei oder selbst als veränderte Arbeitsweise gelten müsse und griff damit Wolfgang Coys (Informatik) Aussage zur „Disruption der Digitalisierung“ auf. Dass damit  angesprochene unklare Verhältnis zwischen Forschung an Digitalität und Digitalität im Vor- und Umfeld von Forschung macht sich, so wurde in der Debatte deutlich, nicht nur durch das Unscharfwerden der Grenzen von Forschung bemerkbar, sondern wirkt sich auch auf das (Selbst-)Verständnis der einzelnen Geisteswissenschaften aus. Könne man, fragte daher Manfred Thaller (Informatik), die Rolle der Digitalisierung im Fach überhaupt vom Fach selbst unterscheiden. Sei Digitalität noch als etwas Fachfremdes zu begreifen? Daran anschließend warf Gudrun Gersmann (Geschichte) die Überlegung auf, wo eigentlich das Eigene des Fachs zu verorten sei, wenn man beispielsweise in großen Forschungsverbünden arbeite. Martin Warnke (Informatik) schlug in der Debatte um die Begriffe ‚Digitalität‘, ‚Digitalisierung‘, ‚digitale Techniken und Projekte‘ eine Trennung zwischen den digitalisierten Disziplinen der Geisteswissenschaften und den digitalen Disziplinen der Geisteswissenschaften vor und verwies damit auf eine weitere grundlegende Frage des Symposiums: Was sind Geisteswissenschaften?
 
Die im Plenum immer wieder aufkommende Frage nach der Relevanz des Digitalen für die eigene Disziplin und die Geisteswissenschaften insgesamt, animierte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch zum Nachdenken über gemeinsame Grundlagen innerhalb der geisteswissenschaftlichen Disziplinen und zwischen der Informatik und den Geisteswissenschaften. Während Petra Gehring eine diziplinenübergreifende Arbeitssprache anregte, verwies Manfred Thaller auf die gemeinsamen wissenstheoretischen Grundlagen. Gemeinsam sei den Geisteswissenschaften „das Unpräzise, die unvollständigen Informationen“. Die Gegenüberstellung von Geistes- und Naturwissenschaften sei darüber hinaus ohnehin „wissenschaftspolitischer Selbstmord“. Nötig sei es, so eine Reihe von Diskutanten, ausgehend von den digitalen Praktiken theoriegeleitet und konzeptbasiert Grundsatzfragen zu stellen. Dabei müsse nicht nur reflektiert werden, was die Geisteswissenschaften methodisch eine und wo Differenzen bestehen würden. Zu fragen sei, ob die Geisteswissenschaften überhaupt gemeinsame methodische Modelle vorlegen könnten und warum gerade im Zusammenhang mit digitalen Methoden diese Forderung laut werde.  
 
Das Austarieren von Gemeinsamkeiten und Unterschieden prägt auch die konkrete Arbeit an digitalen Projekten. Zumeist in Tandem-Teams aus Informatikern und Geisteswissenschaftlern entstehen diese Projekte und werfen die Frage auf: Was bedeutet es, wenn man einen Informatiker in sein Team holt? Anknüpfend an die Vorstellung der digitalen Faust-Edition, bei der Anne Bohnenkamp-Renken bereits auf die Zusammenarbeit in gemischten Teams eingegangen war, kennzeichnete Wolfgang Coy die Informatik als „Erledigungswissenschaft“. Die Geisteswissenschaftler müssten also wissen, was sie erledigt haben wollen. Petra Gehring verwies dagegen auf den Wunsch vieler Informatiker, mit jedem neuen Projekt auch eine neue informatische Fragestellung zu erhalten. Insgesamt, so war sich das Plenum einig, müsse man sich vom Paradigma der Haupt- und Hilfswissenschaften entfernen und gleichberechtigt zusammenarbeiten.  Fotis Jannidis verwies dabei auf die zwei derzeit gängigen Wege der Ko-Entwicklung oder der Adaption bereits bestehender Techniken. Dies schlage sich auch in den Förderwegen nieder. Die Strukturen seien damit eigentlich gut ausgebaut und würden diesen Forschungsprozess auf zwei Ebenen gut abbilden.
 
Insbesondere die zweite Hälfte des Symposiums akzentuierte stärker solche praktischen Aspekte der Digitalität in den Geisteswissenschaften. So standen am Samstag auch die Reputations- und Anerkennungsmechanismen digitaler Publikationen sowie die Belange des wissenschaftlichen Nachwuchses auf der Agenda der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Deutlich wurde zunächst die Kluft zwischen Fachexpertisen und der Ausbildungssituation, die sich durch nahezu alle Fachbereiche zieht. Die Ergebnisse und Möglichkeiten innovativer Forschung im digitalen Bereich spiegele sich kaum in der Ausbildung der Studierenden wider.  Die bisherige Lösung sei die Gründung von DH-Studiengängen. Man müsse jedoch auch überlegen, wie die Curricula bestehender Studiengänge auf die Entwicklungen reagieren können. Insgesamt bestehe dringender Handlungsbedarf bei der Vermittlung. Das beträfe die universitäre Ausbildung, den Transfer in die Zivilgesellschaft (Stichwort „Third Mission“) sowie den wissenschaftlichen Nachwuchs. Gudrun Gersmann machte deutlich, dass gerade hier, also im Bereich des wissenschaftlichen Nachwuchses, ein Umdenken in der Reputationskultur stattfinden müsse. Viele junge Forscherinnen und Forscher würden neue Typen des Schreibens und Publizierens wählen, kollaborative Schreibprojekte verfolgen oder primär im Netz publizieren. Das Prima der Monographie gelte aber nach wie vor. Selbst E-Journals würden häufig nach den alten Print-Modellen operieren. Peer-Review-Verfahren würden weiterhin als Nobilitierungsstrategie eingesetzt. Eine Open Access-Publikation der Dissertation etwa, bekräftigte auch Margarete Pratschke, bedeute häufig den Verlust von Reputation und Distinktion. Gersmann schlug dazu u.a. ein „proved by“-Label der Fachgesellschaften vor, das als Anerkennungsmarker fungieren könne.
 
Open Access und Urheberrechtsfragen bildeten dann auch einen weiteren Anknüpfungspunkt für die Diskussionen. Daneben kamen immer wieder wissenschaftspolitische Fragen auf. Wird akademische Arbeit überflüssig durch den digitalen Wandel? Ersetzt der Computer den Forscher? Welchen speziellen Herausforderungen sind kleine Fächer ausgesetzt? Wie müssen wir unsere Wissenschaftskommunikation an die neuen Gegebenheiten anpassen? Qualitätssicherung und Standards sowie Nachnutzbarkeit und Langzeitarchivierung wurden ebenfalls als Kernproblem der Debatte um die Digitalität in den Geisteswissenschaften extrapoliert. Das Datenmanagment und die Nachhaltigkeit digitaler Projekte seien ein bedeutender Faktor in ihrer Bewertung. Nötig sei hier eine klare Konzeptualisierung der Arbeit und die produktive Auseinandersetzung über die Frage, wie wir richtig digitalisieren. Mechthild Habermann (Germanistische Linguistik) führte dazu beispielweise aus, dass über Digitalisierungen Basiskorpora, aber auch Basiskompetenzen zu sichern seien. Dem Wunsch nach systemunabhängiger Langzeitarchivierung aus dem Plenum folgte die Frage nach der richtigen  Zeitdimension von Nachhaltigkeit.
 
Insgesamt spiegelte das Symposium die Perspektivenvielfalt im Bereich der Digitalität in den Geisteswissenschaften wider. Deutlich wurden die Vorteile digitaler Verfahren innerhalb der einzelnen Disziplinen, aber auch die Herausforderungen, die diese Ansätze methodisch und konzeptionell mit sich bringen.  Über die Rekonstruktion von Digitalitätsdiskursen der einzelnen Fächer konnten Problemfelder und Arbeitsbereiche herausgearbeitet werden, die die die einzelnen Disziplinen wie die Gesamtheit der Geisteswissenschaften prägen.  So bleiben die Fächer in Sachen Digitalisierung häufig hinter dem Stand einzelner Personen und Projekte zurück und beginnen zumeist gerade erst, Digitalität als Theorieproblem zu begreifen.
 
Die einzelnen Beiträge des Symposiums zum online Lesen und Kommentieren finden Sie unter: http://digigeist.hypotheses.org/. 
 
 
Teilnehmerinnen und Teilnehmer: Prof. Dr. Anne Bohnenkamp-Renken, Prof. Dr. Wolfgang Coy, Prof. Dr. Karina van Dalen-Oskam, Prof. Dr. Ortwin Dally, Prof. Dr. Elena Esposito, Prof. Dr. Petra Gehring, Prof. Dr. Gudrun Gersmann, Prof. Dr. Mechthild Habermann, Prof. Dr. Karin Harrasser, Prof. Dr. Vinzenz Hediger, Prof. Dr. Herbert Hrachovec, Prof. Dr. Martin Huber (Steuerungsgruppe), Prof. Dr. Fotis Jannidis, Prof. Dr. Eberhard  Knobloch, Prof. Dr. Frieder Nake, Prof. Dr. Stephan Müller, Prof. Dr. Claus Pias (Steuerungsgruppe), Dr. Margarete Pratschke, Dr. Lynn Rother, Prof. Dr. Jens Schröter, Prof. Dr. Bernhard Siegert, Prof. Dr. Peter Strohschneider, Prof. Dr. Manfred Thaller, Prof. Dr. Martin Warnke                    
 
Über die Symposienreihe In der Symposienreihe „Digitalität in den Geisteswissenschaften“ diskutieren Vertreter verschiedener Wissenschaftsdisziplinen, um gemeinsam ein Verständnis für die digitalen Entwicklungen im Bereich der Geisteswissenschaften zu entwickeln. Die Reihe versteht sich dabei als interdisziplinäres Diskussionsforum zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den Potenzialen und Grenzen von Digitalität sowie den entstehenden neuen Arbeitsformen und Erkenntnismöglichkeiten in den geisteswissenschaftlichen Disziplinen. Die Veranstaltungen unter der Leitung von Prof. Dr. Martin Huber (Bayreuth), Prof. Dr. Sybille Krämer (Berlin) und Prof. Dr. Claus Pias (Lüneburg) werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.
 
Das erste Symposium fand vom 26. bis 29. Mai 2016 unter dem Titel „Digitalität – Theorien und Praktiken des Digitalen in den Geisteswissenschaften“ in der Villa Vigoni statt.
 
Weitere Informationen zur Reihe und den einzelnen Veranstaltungen finden Sie hier.
 
Kontakt: Julia Menzel, M.A. Geschäftsstelle „Digitalität in den Geisteswissenschaften“ Universität Bayreuth Universitätsstr. 30
GW I, Zi. 0.14 95447 Bayreuth Tel.: 0921/55-3629 digitalitaet.dfg@uni-bayreuth.de

Plenumssitzung 30.6.2016: Gastvortrag von Stephan Ebert (TU Darmstadt): „Mensch und Natur in der Historiographie der Karolingerzeit. Umwelthistorische Zugriffe am Beispiel einer Hungerkrise“

Ein Beitrag von Tristan Schmidt.

In der Plenumssitzung am 30.6.2016 besuchte der Mittelalterhistoriker Stephan Ebert (TU Darmstadt) das Graduiertenkolleg und stellte Aspekte seines derzeit laufenden Dissertationsprojekts zu „Weltbild und Identität: Die Rolle von Naturkatastrophen und ihren Deutungsmustern in der mittelalterlichen Wahrnehmung“ (Fn. 1) vor. 
 
Unter dem Titel „Mensch und Natur in der Historiographie der Karolingerzeit. Umwelthistorische Zugriffe am Beispiel einer Hungerkrise“ widmete sich der Beitrag dem Umgang der fränkischen Gesellschaft des Frühmittelalters mit Hungerkrisen. In einem einführenden Teil führte Herr Ebert in moderne Forschungskonzepte zum Thema „Hunger“ ein. Gerade die Begriffe der „Vulnerabilität“ und der „Resilienz“ spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle.



Abb.: Sonnenuntergang. (Quelle: Creative Commons).

Im anschließenden Fallbeispiel ging es um eine Hungersnot, die für das Jahr 779 im fränkischen Reich nachweisbar ist. Die Ergebnisse der Klimaforschung können dabei die zahlreichen Aussagen der erzählenden Quellen zu diesem Ereignis stützen, die von großem Hunger und einer entsprechenden Sterblichkeit berichten. Mit dem sog. Kapitular von Herstal (779) verfügt man über eine Quelle, die über das bloße Konstatieren dieses Ereignisses hinausgeht und Rückschlüsse auf die Bewältigungsstrategien der Gesellschaft zulassen. Bei dem Kapitular handelt es sich um königliche Anweisungen an Laien und Klerus. Man erkennt, dass dem Ereignis auf mehreren Ebenen begegnet werden sollte: So wurden Geistliche wie Laien zu Messen, einem zweitägigen Fasten, Almosen oder einer Notsteuer sowie zur Aufnahme Hilfsbedürftiger aufgefordert.

Dieses Maßnahmenpaket zielte auf eine Art Selbstdisziplinierung zur Besänftigung Gottes und eine intensivere ’spirituelle Kommunikation‘, gleichzeitig aber auch auf praktische Maßnahmen wie Kalorienreduktion durch Fasten und eine Versorgung Hungernder ab. Gleichzeitig stärkte das Ermahnen von Seiten des Herrschers dessen Position in moralischer Hinsicht.
Diese Maßnahmen, die sich sowohl als Reaktionen auf die Hungerkrise als auch als Präventivmaßnahmen gegen eine Wiederholung einer solchen Katastrophe deuten lassen, vereinen somit Praktiken der transzendentalen Kommunikation, der Fürsorge und – schließlich – den Legitimitätsanspruch des Herrschers. Sie sollten die Resilienz der Gesellschaft im Umgang mit derartigen Krisenerscheinungen gewährleisten. 

Fußnote:
[1] Arbeitstitel.


Krimskrams: Verblödungsmaschinerie Campus Galli? — "Unterwerfung des Mannes zu der Frau" — Kulissen als Welterbe

Verblödungsmaschinerie Campus Galli?

Vom pseudomittelalterlichen Bauprojekt Campus Galli ist man mittlerweile ja viel Schmarrn gewöhnt. Dass die Möchtegern-Mönche im baden-württembergischen Meßkirch in Sachen Unfähigkeit freilich immer noch kräftig nachlegen können, zeigt ein aktueller Bericht der Tageszeitung Südkurier. Unter der Überschrift „Töpfern wie zur Römerzeit“, wird eine Fremdenführerin zitiert, die einer Schulklasse den neu errichteten Töpferofen des Campus Galli wie folgt erklärt:

„Da diese Brenntechnik aus der Römerzeit, dem 9. und 10. Jahrhundert, stammt, war es ein richtiges wissenschaftliches Projekt …“

Schlimm genug, dass die gute Frau nicht zwischen Wissenschaft und schnöder Museumspädagogik unterscheiden kann. Dass sie dann aber auch noch die Römerzeit ins 9. und 10. Jahrhundert verlegt, ist freilich an Peinlichkeit kaum noch zu überbieten. Ist ihr nicht aufgefallen, dass sie damit den ebenfalls im 9. Jahrhundert angesiedelten Campus Galli von der Karolingerzeit in die Antike transferiert?
Man möchte gar nicht wissen, mit welchem Unsinn die armen Kinder bei ihrem Besuch sonst noch gefüttert wurden …
Die mangelnde Kompetenz der Mitarbeiter wurde schon häufig kritisiert. So war etwa der Vorgänger des derzeitigen Töpfers nicht einmal in der Lage, einem Journalisten die typischen Temperaturen seines Feldbrandes zu nennen. 
Ganz offensichtlich hat es die Geschäftsleitung des Campus Galli nicht geschafft, seit dem Projektstart vor vier Jahren die Qualität des Personals umfassend zu heben. Lieber verlegt man sich auf lächerliches Namedropping und weist gebetsmühlenartig auf den ominösen wissenschaftlichen Beirat hin, dieses unbekannte Wesen, das irgendwo weitestgehend geräuschlos im Hintergrund schwebt und sich keinen Deut darum schert, wie das mit viel Steuergeld subventionierte Projekt in der Praxis umgesetzt wird. So darf diese Truppe naiver Dilettanten mit Unterstützung eines abgehobenen Ortskaisers und zweier lokaler Käseblätter auch weiterhin ihr Unwesen treiben.
Update: Der inkriminierte Artikel des Südkuriers wurde mittlerweile kommentarlos umbenannt und zusammengestrichen, inklusive der besonders peinlichen, oben zitierten Passage. Welche Schlüsse soll der geneigte Leser aus dieser Nacht-und-Nebel-Aktion ziehen? Für eine saubere Erklärung ist sich die Zeitung offensichtlich zu schade.

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„Unesco steht Kopien zerstörter Bauten in Palmyra kritisch gegenüber“ …
… titelt die österreichische Tageszeitung „der Standard“: Klick mich
In der Tat, warum sollte eine nachgebaute Kulisse uneingeschränkten „Welterbe“-Status erhalten? Man muss Obacht geben, dass hier nicht eine Art Büchse der Pandora geöffnet wird. 


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„Unterwerfung des Mannes zu der Frau“

Nordbayern.de berichtet von immer mehr Studenten, deren universitäre Eignung stark bezweifelt werden darf: Klick mich
Nun würde ich mich nicht gerade als absoluten Meister der deutschen Rechtschreibung und Grammatik bezeichnen, aber wenn ausgerechnet eine Germanistikstudentin ein Referat abliefert, in dem eine der Überschriften „Unterwerfung des Mannes zu der Frau“ lautet, dann darf wohl selbst ich den Kopf schütteln.
Aber he, Hauptsache die Akademikerquote wird gesteigert. Die Welt braucht schließlich noch mehr Bürokräfte mit Bachelor-Abschlüssen und promovierte Archäozoologen, die drittklassigen Mittelalterparks vorstehen.

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