Planet History

Tag: 15. Januar 2017

Online-Recherche im geschlossenen Stadtarchiv Stralsund

Damit man auch weiß, was einem entgeht, wurde die Online-Recherche ausgeweitet. http://recherche.stralsund.de/ Die Recherche ist schlecht, da man sich nicht gut zurechtfindet. Falls man doch (es gibt keinen Filter) Digitalisate auffindet, sind diese mit Copyfraud versehen. http://t.ostsee-zeitung.de/Vorpommern/Stralsund/Stadtarchiv-erweitert-digitale-Recherchemoeglichkeiten Siehe auch: https://archivalia.hypotheses.org/5699

Neuerscheinungen zu deutschsprachigen Handschriften 2016 – so gut wie nichts Open Access

http://www.handschriftencensus.de/forschungsliteratur/neuerscheinungen Der Handschriftencensus hat nun alle, auch unselbständigen Beiträge aus dem Jahr 2016 aufgelistet. Dies ermöglicht für den Bereich der altgermanistischen Handschriftenphilologie eine Abschätzung des Anteils der Open-Access-Publikationen. Von den 55 Titeln sind ganze 5 online, 3 Händlerkataloge und ein … Weiterlesen

Waldburg-Museum wegen Brandschutzmängeln geschlossen

Bis 1806 standen die Truchsesse von Waldburg in ihrem Herrschaftsgebiet über dem Gesetz. Ein bisschen von diesem herrschaftlichen Geist scheint sich auch in späteren Jahrzehnten erhalten zu haben. Auf die Idee, dass ein fürstliches Haus für den Betrieb eines Burgmuseums auch eine baurechtliche Genehmigung und ein Brandschutzkonzept braucht, kam in der einstigen Herrscherfamilie Waldburg-Wolfegg-Waldsee niemand. … Waldburg-Museum wegen Brandschutzmängeln geschlossen weiterlesen

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Die internationale französische Forschungsdatenbank “Calenda” im Überblick Januar 2017

Willkommen zum Überblick über die internationale französische Forschungsdatenbank „Calenda“! Seit Juli 2013 erscheint hier im monatlichen Rhythmus ein deutschsprachiger Überblick über die Beiträge auf Calenda zur mittelalterlichen Geschichte zur Verfügung gestellt. Bei Calenda handelt es sich um die wichtigste Forschungsdatenbank…

Die CC-Falle | Thomas Wolf stellt Fotos unter CC BY SA bei Wikimedia ein – nur um selbst Urheberrechtsverletzungs-Abmahnungen einzuklagen

Frage an Wikipedia / Wikimedia: Warum finden Fotos von Thomas Wolf oder „Der Wolf im Wald“ Verwendung bei Wikipedia? Sollten diese Bilder nicht besser aus Wikipedia-Artikeln entfernt werden? Die Vorstellung ist allen Seitenbetreibern und Bloggern ein Graus: Eine Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzungen von Bildmedien. Die Seite segu besteht jetzt bereits seit sechs Jahren. An diesem Freitag wurde uns die erste Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzung per Mail zugeschickt. Der Inhalt der Mail ist unten ausführlich…

Studientag: Kulturforum Bürgerforum Humboldt Forum – Aktualität und Nachleben einer (antiken) Idee

Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, Hauptgebäude, Hörsaal 3075

Berlin ist die Stadt mit der größten Dichte an staatlich-kulturellen Forumsplanungen seit dem 18. Jahrhundert. Auf das «Forum Fridericianum» folgten die Forumsbezüge Karl Friedrich Schinkels und Friedrich Wilhelms IV. im Bereich des Lustgartens. Als das Stadtschloss gesprengt wurde, setzten die langjährigen Planungen des Marx-Engels-Forum (auch «Forum der Nation» etc.) ein, welche die freigewordene Fläche des Schlosses zum Teil einbezogen – während das «Kulturforum» am Potsdamer Platz und das von Axel Schultes und Charlotte Frank intendierte «Bürgerforum»  vor dem Bundeskanzleramt jeweils eigene urbanistische Scharnierfunktionen anvisierten. Ziel des Studientags ist es, die aktuellen Planungen des «Humboldt Forum | Berliner Schloss» im Kontext der städtebaulichen und ideengeschichtlichen Dimension der Forumsidee zu diskutieren und nach der Aktualität, aber auch der sozialen und politischen Signifikanz des Forums zu fragen.

Studenten in Rostock

Studenten in Rostock Ulrich von Pommern (* 12. August 1589 in Barth; † 31. Oktober 1622 in Pribbernow) und Philipp von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg (* 15. März 1584; † 27. September 1663) studierten 1602 an der Universität in Rostock. Matrikel siehe http://matrikel.uni-rostock.de/id/100019824 Was … Weiterlesen

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Ohren ab, Nase ab: Eine unschöne Episode aus dem 2. Punischen Krieg

Livius‘ Schilderung des 2. Punischen Kriegs – die sich vom 21. bis zum 30. Buch seines Geschichtswerks Ab urbe condita erstreckt – bietet nicht nur einen guten Gesamtüberblick, sondern ist auch voller wenig beachteter Randereignisse, die zwar keine große Relevanz für den Kriegsverlauf besaßen, aber nichtsdestotrotz häufig spannender und interessanter sind, als manch große Schlacht.
Besonders eindrücklich ist beispielsweise die Beschreibung eines Massakers, das die römische Garnison der sizilianischen Stadt Henna verübte. Angeblich befürchtete der Kommandant Verrat und ließ auf den bloßen Verdacht hin alle Einwohner niedermetzeln, nachdem sich diese ahnungslos auf dem Hauptplatz eingefunden hatten. Selbst Livius, der zumeist die römische Sichtweise vertritt, scheint von diesem Vorfall peinlich berührt zu sein und möchte der offiziellen Version – die auf vorsorgliche „Notwehr“ hinausläuft – keinen rechten Glauben schenken. 
Ein noch bemerkenswerteres Ereignis trug sich in der Endphase des Krieges zu: Man schrieb das Jahr 205 v. Chr. Der karthagische Feldherr Hannibal hatte seinen Zenit längst überschritten, stand aber noch mit einem furchtgebietenden Heer im Süden Italiens. Sein neuester römischer Gegenspieler – Publius Cornelius Scipio (der später den Beinamen Africanus erhalten sollte) – stellte unterdessen in Syracus auf Sizilien ein Heer zusammen, um damit nach Nordafrika überzusetzen. Hannibal sollte durch diese Maßnahme gezwungen werden, Italien endlich zu verlassen, um seine Heimatstadt Karthago zu verteidigen. 
Mitten in Scipios Vorbereitungen platzte die überraschende Nachricht, dass die einst von Rom abgefallene Stadt Locri beabsichtigte, erneut die Seiten zu wechseln. Grund waren die ständigen Übergriffe auf die Zivilbevölkerung seitens der in der Stadt liegenden karthagischen Garnison. 
Scipio ließ nichts anbrennen und segelte sofort mit einigen Schiffen nach Locri, um dort die bereits aus Rhegium angerückten römischen Truppen bei der Rückeroberung zu unterstützen. Doch auch Hannibal hatte Wind von der Sache bekommen und marschierte eiligst mit einem Teil seines Heeres los, um das Abfallen der Stadt zu verhindern; er kam allerdings zu spät. Nachdem klar war, dass eine der beiden zu Locri gehörenden Burgen bereits in römischen Händen war, die Bevölkerung auf Seiten der Römer stand und Scipio selbst das Kommando führte, zogen sich die Karthager zurück (Notiz am Rande: Hier, und nicht erst in Afrika (Zama), trafen Hannibal und Scipio das erste Mal als gegnerische Feldherren aufeinander). 
Nachdem die Stadt gesichert war, wurden einige romfeindliche Elemente hingerichtet und den Bewohnern von Scipio eine Standpauke für ihre einstige Untreue gehalten. Er versprach aber auch, dass man den Locrern ihre freiwillige Rückkehr zum Bündnis mit Rom durchaus positiv anrechnen werde. Sie mögen eine Abordnung an den Senat schicken, auf dass dieser alles Weitere entscheide. Das Kommando über die vor Ort stationierten römischen Truppen erhielt der Legat Pleminius; er hatte sich bei der Rückeroberung von Locri hervorgetan. Scipio selbst kehrte nach Sizilien zurück, um seine Vorbereitungen für die Invasion in Afrika voranzutreiben. (Ab urbe condita, 29. Buch 6,1-8,5)
Was nun, nachdem der Oberkommandierende erst einmal abgereist war, in Locri folgte, wirft ein äußerst übles Licht auf die heute noch so hochgelobte Disziplin der römischen Streitkräfte. Auch Livius ist sich dieses Umstandes nur allzu bewusst:

Nach ihrem einstigen Abfall von den Römern waren die Locrer von den Karthagern so hochmütig und brutal behandelt worden, dass sie maßvolle Übergriffe nicht nur gleichmütig, sondern fast sogar gern hinnehmen konnten. In der Tat übertraf aber Pleminius Hamilkar, den Kommandanten der (punischen) Besatzung, und die römischen Besatzungssoldaten übertrafen die der Punier so sehr an Grausamkeit und Habgier, dass sie sich nicht mit Waffen, sondern mit ihren Lastern zu messen schienen. Nichts von all dem, was einem Schwachen die Macht des Stärkeren verhasst macht, ließen der Anführer oder die Soldaten gegenüber den Stadtbewohnern aus; ihnen selbst, ihren Kindern und Frauen wurden unsägliche Schändlichkeiten zugefügt. Denn die Habsucht machte nicht einmal vor der Plünderung der Heiligtümer Halt; man vergriff sich nicht nur an den anderen Tempeln, sondern sogar an den Schätzen der Proserpina, die immer unangetastet geblieben waren, wenn man davon absieht, dass sie angeblich einmal von Pyrrhus geplündert wurden, der aber für seinen Tempelraub schwer büßen musste und die Beutestücke wieder zurückbrachte. […]
Das Oberkommando lag bei Pleminius; ein Teil der Soldaten, die nämlich, die er selbst aus Rhegium herangeführt hatte, waren ihm, der andere Teil den Tribunen unterstellt. Nachdem er einen silbernen Becher aus dem Haus eines Bürgers geraubt hatte, traf der Soldat des Pleminius, verfolgt von den Eigentümern, bei seiner Flucht zufällig auf die Militärtribunen Sergius und Matienus. Als man ihm auf Geheiß der Tribunen den Becher wieder abgenommen hatte, kam es zu lautstarken Auseinandersetzungen und schließlich zwischen den Soldaten des Pleminius und denen der Tribunen zu einer Schlägerei, wobei – da jeder, der dazustieß, seinen Kameraden willkommen war – die Menge und das Durcheinander immer größer wurden.
Die Soldaten des Pleminius zogen den Kürzeren, liefen zu ihrem Kommandanten, zeigten ihm nicht ohne ein Geschrei der Entrüstung ihre blutenden Wunden und berichteten ihm von den Beschimpfungen, die gegen ihn selbst während des Gezänks erhoben worden waren. Daraufhin stürzte dieser wutentbrannt aus dem Haus, ließ die Tribunen rufen und gab den Befehl, sie zu entblößen und die Ruten herbeizuschaffen. Während sie entkleidet wurden – sie wehrten sich nämlich und flehten ihre Soldaten um Schutz an – verging einige Zeit. Wie wenn man gegen den Feind zu den Waffen gerufen hätte, liefen plötzlich Soldaten, in trotziger Begeisterung über ihren gerade errungenen Sieg, von allen Seiten zusammen. Und als sie sahen, dass ihre Tribunen bereits durch Rutenschläge verletzt waren, gerieten sie sofort erst recht in eine noch viel unbändigere Wut; und ohne Rücksicht nicht nur auf den hohen Rang, sondern auch auf die Menschlichkeit gingen sie gegen den Legaten los, nicht ohne vorher die Liktoren auf empörende Weise misshandelt zu haben. Dann rissen sie ihn von seinen Leuten weg, schleppten ihn beiseite, brachten ihm voller Feindseligkeit schwere Wunden bei und ließen ihn, die Nase und Ohren verstümmelt, halbtot liegen.
Wenige Tage nachdem diese Vorfälle in Messana gemeldet geworden waren, fuhr Scipio auf einem Sechsruderer nach Locri. Er hörte sich den Fall des Pleminius und der Tribunen an, sprach Pleminius von aller Schuld frei und beließ ihn auf seinem Posten in Locri, während die Tribunen für schuldig erklärt und in Fesseln gelegt wurden, weil sie nach Rom zum Senat geschickt werden sollten. Dann kehrte Scipio über Messana zurück nach Syrakus.
Pleminius glaubte, außer sich vor Zorn, dass das ihm zugefügte Unrecht von Scipio nicht ausreichend berücksichtigt und allzu leicht genommen worden sei und dass das, worum es in diesem Streit ging, nur von jemandem beurteilt werden könne, der den ganzen Horror am eigenen Leibe erfahren habe. Deshalb ließ er die Tribunen zu sich schleppen, sie mit allen Martern, die ein Körper erleiden kann, zerfleischen und umbringen; und er gab sich mit der Bestrafung der Lebenden nicht zufrieden, sondern ließ sie unbestattet auf die Straße werfen. Mit ähnlicher Grausamkeit ging er auch gegen die führenden Männer der Locrer vor, die, wie er hörte, zuvor zu Scipio gereist waren, um sich über die Ungerechtigkeiten zu beklagen. Und den schändlichen Taten, die er vorher aus Begierde und Habsucht an den Bundesgenossen verübt hatte, ließ er nun in seiner Wut immer weitere folgen und brachte Schande und Hass nicht nur über sich selbst, sondern auch über den Feldherrn (Scipio). 
(Ab urbe condita, 29. Buch 8,6-8,9)

Als die skandalösen Vorgänge in Locri nach Rom drangen, war dort der Teufel los. Scipio, der damals noch nicht den Gipfelpunkt seiner Karriere und Popularität erreicht hatte, wurde vor allem von politischen Gegnern vorgeworfen, dass er Pleminius auf seinen Posten belassen hatte und die Disziplinlosigkeit der Soldaten fördere. Nach heftigen Debatten im Senat wurde eine hochrangige Untersuchungskommission entsandt. Wohl auf deren Veranlassung wurde Pleminius, zusammen mit 32 Mitangeklagten, in Ketten nach Rom geführt und dort in den Kerker geworfen, wo er unter unbekannten Umständen starb, bevor ein Urteil über ihn gefällt werden konnte. Angeblich unternahm er zuvor noch den vergeblichen Versuch, mithilfe bestochener Handlanger Rom an mehreren Stellen gleichzeitig anzuzünden, um im allgemeinen Durcheinander entkommen zu können. 
Den Locrern aber gab man auf Beschluss des Senates nicht nur ihr geraubtes Hab und Gut zurück, sondern auch die volle kommunale Selbstbestimmung. (Ab urbe condita, 29. Buch 16,4-22,10)

Wäre diese Episode aus dem 2. Punischen Krieg nicht eine wunderbare Rahmenhandlung für einen spannenden historischen Roman? 
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Quelle / weiterführende Literatur:

  • Livius / Ursula Blank-Sangmeister (Übers.) | Ab urbe Condita, 29. Buch | Reclam Verlag | 2016 | Infos bei Amazon

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„Ich wollte sie präsent werden lassen“ – Hannah Bischof und ihre Großmutter Maria

 

Vor fast 15 Jahren haben sich die Berliner Malerin Hannah Bischof und ihre Schwester Regina Fenski auf die Suche gemacht. Auf die Suche nach ihrer Großmutter Maria, die im August 1942 in der Heilanstalt Neuruppin ermordet wurde. Hannah hat ihrer Großmutter einen Bilderzyklus gewidmet – für die Interview-Reihe „Das Schweigen brechen“ erzählt Hannah, wie sie die Jahre der Recherche und der Aufarbeitung erlebt hat.

 

[caption id="attachment_13872" align="aligncenter" width="469"] Hannah Bischof lebt und arbeitet in Berlin. Ihre Großmutter Maria Fenski wurde im Alter von nur 36 Jahren in Neuruppin ermordet. (Bilder: Bischof)[/caption]

 

Julia Frick: Wann hast du begonnen, über das Schicksal deiner Großmutter nachzuforschen? Kannst du dich an einen Moment erinnern, der ausschlaggebend für den Beginn deiner Recherchen war?

 

Hannah Bischof: Das war 2003. Geforscht hat eigentlich meine Schwester Dr. Regina Fenski, weil sie über das Leben unserer Großmutter ein Buch schreiben wollte und deshalb in Neuruppin nach ihrer Krankenakte gefragt hat. Mein Vater ist mit derselben Frage einige Jahre zuvor abschlägig beschieden worden; 2003 war die Akte plötzlich da… Meine Schwester hat mich gebeten, sie zu begleiten, und wir sind dann zusammen nach Neuruppin in die Ruppiner Kliniken gefahren. Wir wussten, dass unsere Großmutter 1942 in Neuruppin gestorben war; deshalb hatte meine Schwester dort gefragt. Wir waren beide sehr nervös und aufgeregt. Wir haben dann beide dort eine Kopie der Krankenakte erhalten.

 

Julia Frick: Wie ging es dann weiter?

 

Hannah Bischof: 2015, als schon etliche Bilder für meine Großmutter in meinem Atelier entstanden waren, bin ich auch nach Berlin-Lichtenberg in das Elisabeth-Herzberge-Krankenhaus gefahren und hatte dort ein Gespräch mit der Archivarin des Krankenhauses. Denn bevor Maria nach Neuruppin kam, war sie in diesem Krankenhaus gewesen. Die Archivarin sagte mir, dass die Akten damals alle an die Kliniken mitgegeben worden waren, in die die Patienten von Herzberge verlegt wurden. Deshalb existierten in Herzberge überhaupt keine Akten mehr.

 

Julia Frick: Was konntet ihr im Laufe der Zeit über das Schicksal eurer Großmutter herausfinden?

 

Hannah Bischof: Mit der Kopie der Krankenakte konnten wir den Großteil des Lebens unserer Großmutter nachvollziehen – zumindest den Teil, den sie in Kliniken verbracht hat. Wir begriffen, dass sie wirklich krank gewesen war und Psychosen hatte. Nach der Einschätzung von Dr. Göhlert, dem damaligen ärztlichen Direktor der Neuruppiner Kliniken, litt sie tatsächlich an Schizophrenie. Wir konnten auch herausfinden, dass sie an Unterernährung gestorben war; zum Zeitpunkt ihres Todes wog sie nur noch 42 Kilo, wie aus der Gewichtstabelle in der Akte hervorging. Diese bezeugte einen rapiden Gewichtsverlust in den letzten Monaten ihres Lebens.

Man hatte unsere Großmutter also verhungern lassen, und die angegebene Todesursache „Herzmuskelentartung“ war damit nicht einmal „gelogen“ – diese Krankheit des Herzens und des Herzmuskelgewebes ist eine Folge von Unterernährung. Wir konnten auch anhand der Akte herausfinden, dass sie schon mit 17 in einer Klinik in Osnabrück behandelt worden war. Ich fragte in der Klinik nach und bekam ihren dortigen Aufenthalt bestätigt.

 

 


„Mit dazu beitragen zu können, dass in den Familien darüber gesprochen wird, dass sich auch die Jüngeren dafür interessieren, was damals passiert ist, das wäre schön.“


 

 

Julia Frick: Wie hat eure Familie bzw. euer Umfeld auf euer Engagement und auf die neuen Informationen reagiert?

 

Hannah Bischof: Mein Engagement bezog sich ja nicht direkt auf die Recherchen; ich bin Malerin und habe das Leben und Sterben meiner Großmutter erst sehr viel später, lange nach den Besuchen in Neuruppin und Herzberge, in Bildern verarbeitet. Aber der Besitz der Krankenakte hat einiges aufgewühlt; meine Schwester und ich besuchten 2003 die Tochter unserer Großmutter, unsere Tante, der wir eine Kopie der Akte geschickt hatten und die uns erzählte, dass sie nach dem Lesen drei Tage geweint habe. Sie konnte uns noch sehr viel aus dieser Zeit berichten und war sehr froh, dass wir diesen Schritt unternommen und die Akte erhalten hatten. Ein Teil der Familie interessierte sich auch für diese Informationen und war sehr betroffen über das, was wir herausgefunden hatten – zumal bis dahin auch bei einigen die Version kursierte, dass unsere Großmutter Selbstmord begangen habe…

 

Julia Frick: Wie würdest du den Einfluss beschreiben, den eure gemeinsamen Recherchen auf dich selbst hatten?

 

Hannah Bischof: Letztendlich haben die Recherchen meiner Schwester und auch meine eigenen (in Osnabrück und in Berlin-Lichtenberg) dazu geführt, dass ich das Leben und Sterben meiner Großmutter in sechzehn Gemälden verarbeitet habe. Mit diesen Bildern und Fotos habe ich eine Ausstellung konzipiert, die ich 2016 in Neustadt (Schleswig-Holstein) und in Brandenburg an der Havel gezeigt habe. Von Januar bis März 2017 wird sie in Berlin in der Stiftung „Erinnerung – Verantwortung – Zukunft“ zu sehen sein. Meine Großmutter ist damit für mich sehr präsent geworden; sie ist wieder Teil der Familie, sie ist in die Familie zurückgekehrt.

 

Julia Frick: Zu guter Letzt – was treibt dich und deine Arbeit an?

 

Hannah Bischof: Mein Wunsch war, meiner Großmutter die Würde zurückzugeben, die ihr die Nationalsozialisten genommen hatten. Ich wollte sie präsent werden lassen, wollte der Öffentlichkeit zeigen, wer sie war und was man ihr angetan hatte. Ich wollte – und will – darauf hinweisen, was passiert, wenn man Menschen in einer Gesellschaft bewusst ausgrenzt. Und ich wünsche mir, dass die Menschen über dieses Unrecht sprechen. Gerade das Thema der sog. „Euthanasie“ ist in unserer und wahrscheinlich auch in anderen Gesellschaften m.E. noch nicht aufgearbeitet – aus Scham und wegen diffuser Ängste. Mit dazu beitragen zu können, dass in den Familien darüber gesprochen wird, dass sich auch die Jüngeren dafür interessieren, was damals passiert ist, das wäre schön.

 

 

Die Biografie von Maria Fenski können Sie hier nachlesen: http://gedenkort-t4.eu/de/vergangenheit/maria-fenski

 

Wenn Sie mehr über Hannah Bischof und ihre Arbeit erfahren möchten, besuchen Sie ihre Website: http://www.hannah-bischof.de

 

Nekrolog der Kartause Erfurt

http://recherche.landesarchiv.sachsen-anhalt.de/digital/Cop__Nr_1486.xml Leider sind die Bilder unscharf, und die Auflösung ermöglicht nicht die bei dieser Quellengattung besonders wichtige genaue Lektüre der Einträge. Zur Quelle: http://www.geschichtsquellen.de/repOpus_03516.html Zur Memoria bei den Kartäusern vgl. zuletzt am Beispiel Utrecht de Weijert-Gutman 2015 http://dspace.library.uu.nl:8080/handle/1874/308546 #histmonast