Planet History

Autor: Dr. Daniel Stahl

Aggressoren vor Gericht. Ein Podiumsgespräch über den Internationalen Strafgerichtshof und die Ahndung von Angriffskriegen

16.11.2017 I Köln, Fritz Thyssen Stiftung, 18:30 Uhr

Wenn die Mitgliedstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs im Dezember dieses Jahres in New York zusammenkommen, werden sie über eine Frage entscheiden, die weitreichende Konsequenzen für die internationale Politik haben könnte: Soll Den Haag die Kompetenz erhalten, über diejenigen zu Gericht zu sitzen, die für Angriffskriege verantwortlich gemacht werden?
Im Gespräch mit dem Journalisten Michael Köhler diskutieren der Historiker Norbert Frei, der Völkerrechtler Claus Kreß und die Politikwissenschaftlerin Andrea Liese über die seit Jahrzehnten laufenden Bemühungen, den Angriffskrieg zu ächten – und über mögliche Folgen der anstehenden Entscheidung.
Auf welche historischen Vorbilder geht der Vorstoß zurück? Was würde ein solcher Zuwachs an Strafmacht in der Gegenwart für den Internationalen Strafgerichtshof einerseits und für die internationale Politik andererseits bedeuten? Und inwiefern käme die strafrechtliche Ahndung von Angriffskriegen dem Schutz individueller Menschenrechte zugute?

Das Unbehagen an den Menschenrechten. Nikita Dhawan und José Brunner im Gespräch über postkoloniale Kritik und universale Rechte

29.06.2017, 18:30 Uhr I Fritz Thyssen Stiftung, Apostelnkloster 13-15, Köln

Postkoloniale Menschenrechtskritik hinterfragt westliche Menschenrechtspolitik und denkt über Freiheit und  Gleichheit jenseits der durch die europäische Aufklärung inspirierten Ideale nach. Doch ist diese Kritik überhaupt noch hilfreich oder relevant in einer Zeit, in der autoritäres Denken um sich greift?Nikita Dhawan und José Brunner diskutieren über Möglichkeiten und Grenzen postkolonialer Menschenrechtskritik in einem Moment, da die Gültigkeit universaler Rechte verstärkt von rechts infrage gestellt wird.

Staatsbürgerschaft und universelle Menschenrechte. Ein Vortrag von Dieter Gosewinkel über den Schutz des Individuums im Europa des 20. und 21. Jahrhunderts

24.11.2016, 18:30 Uhr | Fritz Thyssen Stiftung, Apostelnkloster 13-15, Köln

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gab es in Europa nicht mehr so viele Geflüchtete wie heute. Ihre Herkunftsstaaten versagen ihnen den Schutz staatsbürgerlicher Rechte. Bieten Menschenrechte in dieser Situation adäquaten Ersatz? Ausgehend von dieser Frage der Gegenwart nimmt Dieter Gosewinkel das Verhältnis von Staatsbürgerschaft und Menschenrechten aus historischer Perspektive in den Blick. Beide Konzepte traten mit der französischen Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte 1789 gleichzeitig in die Geschichte des europäischen Rechts ein, standen aber stets in einem Spannungsverhältnis zueinander.
 
Die Staatsbürgerschaft bildete sich im 19. und 20. Jahrhundert zu einer zentralen Institution individuellen Rechtsschutzes aus – nicht selten um den Preis der Verdrängung universeller Menschenrechte, scharfer Exklusion und Nationalisierung. Dagegen setzte der Aufschwung der Menschenrechte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts den Anspruch universellen Rechtsschutzes. Seitdem bestehen Menschen- und Staatsbürgerrechte im europäischen Recht nebeneinander. Sie sollen gemeinsam dem Individuum Schutz gewähren. Angesichts des neuen Nationalismus in Europa stellt sich allerdings die Frage, ob die Spannung zwischen beiden Konzepten wieder zunehmen wird.
 
Der Arbeitskreis Menschenrechte im 20. Jahrhundert lädt alle Interessierten herzlich ein und bittet um Anmeldung unter: www.fritz-thyssen-stiftung.de

Russland und die Menschenrechte. Ein Gespräch mit Irina Scherbakowa von MEMORIAL

23.06.2016, 18:30 Uhr | Fritz Thyssen Stiftung, Apostelnkloster 13-15, Köln

MEMORIAL, eine der bedeutendsten Menschenrechtsorganisationen Russlands, wurde während der Perestroika mit dem Ziel gegründet, vergangenes und fortbestehendes staatliches Unrecht aufzudecken und Opfern von Menschenrechtsverletzungen Beistand zu leisten. Das Ende des Kalten Krieges eröffnete Organisationen wie MEMORIAL völlig neue Handlungsspielräume, doch seit einigen Jahren sehen sie ihre Arbeitsmöglichkeiten immer weiter eingeengt: durch gesetzliche Auflagen, Bürorazzien und sogar durch Verhaftungen von Aktivisten.
 
Prof. Dr. Irina Scherbakowa zählt zu den Gründungspersönlichkeiten von MEMORIAL und hat sich als Historikerin und Germanistin vor allem mit den Verbrechen des Stalinismus beschäftigt. Im Gespräch mit Prof. Dr. Susanne Buckley-Zistel, Professorin für Friedens- und Konfliktforschung an der Philipps-Universität Marburg, und Prof. Dr. Norbert Frei, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, berichtet sie über ihre Arbeit für und mit MEMORIAL und über ihre Erfahrungen im gegenwärtigen Russland.
 
Der Arbeitskreis Menschenrechte im 20. Jahrhundert lädt alle Interessierten herzlich ein und bittet um Anmeldung unter: www.fritz-thyssen-stiftung.de

Russland und die Menschenrechte. Ein Gespräch mit Irina Scherbakowa von MEMORIAL

23.06.2016, 18:30 Uhr | Fritz Thyssen Stiftung, Apostelnkloster 13-15, Köln

MEMORIAL, eine der bedeutendsten Menschenrechtsorganisationen Russlands, wurde während der Perestroika mit dem Ziel gegründet, vergangenes und fortbestehendes staatliches Unrecht aufzudecken und Opfern von Menschenrechtsverletzungen Beistand zu leisten. Das Ende des Kalten Krieges eröffnete Organisationen wie MEMORIAL völlig neue Handlungsspielräume, doch seit einigen Jahren sehen sie ihre Arbeitsmöglichkeiten immer weiter eingeengt: durch gesetzliche Auflagen, Bürorazzien und sogar durch Verhaftungen von Aktivisten.
 
Prof. Dr. Irina Scherbakowa zählt zu den Gründungspersönlichkeiten von MEMORIAL und hat sich als Historikerin und Germanistin vor allem mit den Verbrechen des Stalinismus beschäftigt. Im Gespräch mit Prof. Dr. Susanne Buckley-Zistel, Professorin für Friedens- und Konfliktforschung an der Philipps-Universität Marburg, und Prof. Dr. Norbert Frei, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, berichtet sie über ihre Arbeit für und mit MEMORIAL und über ihre Erfahrungen im gegenwärtigen Russland.
 
Der Arbeitskreis Menschenrechte im 20. Jahrhundert lädt alle Interessierten herzlich ein und bittet um Anmeldung unter: www.fritz-thyssen-stiftung.de

Mehr Verantwortung übernehmen? Ein Vortrag von Gerhart Baum zur jüngsten Debatte über die deutsche Außenpolitik

11.06.2015 | Köln, Amélie Thyssen Auditorium der Fritz Thyssen Stiftung, 19:00 Uhr

Spätestens seit der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 wird über notwendige Veränderungen in der deutschen Außenpolitik diskutiert. Im Einklang mit dem Bundespräsidenten fordern Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, Deutschland müsse international mehr Verantwortung übernehmen. In der regen Debatte, die sich darüber entfaltet hat, geht es nicht zuletzt um die Frage, welche Rolle Menschenrechte und humanitäre Erwägungen in der deutschen Außenpolitik spielen sollen.
 
Mit Bundesminister des Innern a.D. Gerhart Baum bezieht ein Elder Statesman Stellung, der sich mit dem Thema der humanitären Intervention immer wieder ganz konkret auseinandergesetzt hat: Nach seiner Zeit als Mitglied der sozialliberalen Bundesregierung bereiste Baum seit den achtziger Jahren als Bundestagsabgeordneter zahlreiche Staaten und machte auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam. Er vertrat die Bundesrepublik auf der Wiener Menschenrechtskonferenz 1993 und war zwischen 2001 und 2003 UN-Beauftragter für Menschenrechte im Sudan.
 
Den Ausführungen Baums folgen zwei Kommentare: Professor Dr. Dan Diner (Hebräische Universität Jerusalem) beleuchtet die Argumente des Politikers aus der Sicht des Historikers, Professor Dr. Claus Kreß (Universität zu Köln) aus der Sicht des Völkerrechtlers.
 
Der Arbeitskreis Menschenrechte im 20. Jahrhundert lädt alle Interessierten herzlich ein und bittet um Anmeldung unter: www.fritz-thyssen-stiftung.de

Die Ukraine und das Völkerrecht Ein Podiumsgespräch über Macht und Ohnmacht …

Es diskutieren: Andrea Böhm, Redaktion „Die Zeit“, Hamburg; Claus Kreß, Institute for International Peace and Security Law der Universität zu Köln; Annette Weinke, Historisches Institut der Universität Jena; Gesprächsleitung: Norbert Frei
 
In der Ukraine berufen sich die verschiedenen Konfliktparteien auf Völkerrecht und Menschenrechte, um ihren jeweiligen Standpunkt zu legitimieren: Russland, das bisher strikt anti-interventionistische Positionen vertrat, begründet seine Intervention nun mit dem Verweis darauf, die Menschenrechte bestimmter Bevölkerungsgruppen schützen zu wollen, und kritisiert das Vorgehen Kiews gegen Separatisten in der Ost-Ukraine als Verstoß gegen das Völkerrecht. Gleichzeitig klagt der Westen, Moskau halte sich nicht an internationales Recht.
Sind internationale Normen, die den Frieden sichern sollen, in der Praxis nichts weiter, als beliebig einsetzbare Instrumente der Machtpolitik? Ist Russlands interventionistische Kehrtwende ein Indiz dafür, dass sich die Debatte über Völkerrecht und Menschenrechte verändert? Wie beeinflussen die Medien diese Debatte?
Diesen und anderen Fragen geht das Podiumsgespräch nach, zu dem der Arbeitskreis Menschenrechte im 20. Jahrhundert der Fritz Thyssen Stiftung herzlich einlädt.

Die Ukraine und das Völkerrecht Ein Podiumsgespräch über Macht und Ohnmacht …

Es diskutieren: Andrea Böhm, Redaktion „Die Zeit“, Hamburg; Claus Kreß, Institute for International Peace and Security Law der Universität zu Köln; Annette Weinke, Historisches Institut der Universität Jena; Gesprächsleitung: Norbert Frei
 
In der Ukraine berufen sich die verschiedenen Konfliktparteien auf Völkerrecht und Menschenrechte, um ihren jeweiligen Standpunkt zu legitimieren: Russland, das bisher strikt anti-interventionistische Positionen vertrat, begründet seine Intervention nun mit dem Verweis darauf, die Menschenrechte bestimmter Bevölkerungsgruppen schützen zu wollen, und kritisiert das Vorgehen Kiews gegen Separatisten in der Ost-Ukraine als Verstoß gegen das Völkerrecht. Gleichzeitig klagt der Westen, Moskau halte sich nicht an internationales Recht.
Sind internationale Normen, die den Frieden sichern sollen, in der Praxis nichts weiter, als beliebig einsetzbare Instrumente der Machtpolitik? Ist Russlands interventionistische Kehrtwende ein Indiz dafür, dass sich die Debatte über Völkerrecht und Menschenrechte verändert? Wie beeinflussen die Medien diese Debatte?
Diesen und anderen Fragen geht das Podiumsgespräch nach, zu dem der Arbeitskreis Menschenrechte im 20. Jahrhundert der Fritz Thyssen Stiftung herzlich einlädt.

Kampf um die Wahrheit Ein Filmgespräch über die Rolle von Archiven in postdiktatorischen …

Durch einen Zufall wurden im Juli 2005 in Guatemala 80 Millionen Dokumente der Nationalpolizei entdeckt, die in einem verfallenen Gebäude auf dem Gelände einer Polizeischule dahinrotteten. Der Bestand enthält detaillierte Informationen über die Verbrechen der Militärregime, die jahrzehntelang die Geschichte des Landes prägten und der über 200 000 Menschen zum Opfer gefallen sind. Was bedeutet es für den Einzelnen und für eine ganze Gesellschaft, wenn Dokumente über Folter, Tod und Verschwinden zugänglich gemacht werden? Der Dokumentarfilm La Isla. Archive einer Tragödie, den der deutsche Regisseur Uli Stelzner 2010 über die Dokumentenfunde in Guatemala drehte, widmet sich dieser Frage. Ausgehend von Filmausschnitten diskutieren Uli Stelzner und Tom Koenigs unter der Leitung von Dieter Gosewinkel über die Bedeutung von Dokumenten schwerer Menschenrechtsverletzungen und über das Beispiel Guatemala, mit dessen Geschichte und Gegenwart sich beide intensiv befasst haben: Stelzner als Dokumentarfilmer und Mitarbeiter des Projekts „Visuelle Erinnerung in Guatemala“, Koenigs als Leiter einer UN-Friedenssicherungsmission in dem vom Bürgerkrieg gezeichneten Land.
Der Arbeitskreis Menschenrechte im 20. Jahrhundert lädt alle Interessenten herzlich ein und bittet um vorherige Anmeldung bis zum 12. November unter: www.fritz-thyssen-stiftung.de

Kampf um die Wahrheit Ein Filmgespräch über die Rolle von Archiven in postdiktatorischen …

Durch einen Zufall wurden im Juli 2005 in Guatemala 80 Millionen Dokumente der Nationalpolizei entdeckt, die in einem verfallenen Gebäude auf dem Gelände einer Polizeischule dahinrotteten. Der Bestand enthält detaillierte Informationen über die Verbrechen der Militärregime, die jahrzehntelang die Geschichte des Landes prägten und der über 200 000 Menschen zum Opfer gefallen sind. Was bedeutet es für den Einzelnen und für eine ganze Gesellschaft, wenn Dokumente über Folter, Tod und Verschwinden zugänglich gemacht werden? Der Dokumentarfilm La Isla. Archive einer Tragödie, den der deutsche Regisseur Uli Stelzner 2010 über die Dokumentenfunde in Guatemala drehte, widmet sich dieser Frage. Ausgehend von Filmausschnitten diskutieren Uli Stelzner und Tom Koenigs unter der Leitung von Dieter Gosewinkel über die Bedeutung von Dokumenten schwerer Menschenrechtsverletzungen und über das Beispiel Guatemala, mit dessen Geschichte und Gegenwart sich beide intensiv befasst haben: Stelzner als Dokumentarfilmer und Mitarbeiter des Projekts „Visuelle Erinnerung in Guatemala“, Koenigs als Leiter einer UN-Friedenssicherungsmission in dem vom Bürgerkrieg gezeichneten Land.
Der Arbeitskreis Menschenrechte im 20. Jahrhundert lädt alle Interessenten herzlich ein und bittet um vorherige Anmeldung bis zum 12. November unter: www.fritz-thyssen-stiftung.de

Neues Recht für alte Verbrechen? Osteuropas Vergangenheit und die europäische Gerichtsbarkeit

Ein Vortrag von Prof. Dr. Dr. h.c. Angelika Nußberger, Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Die meisten Verfahren am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte betreffen gegenwärtig Osteuropa. Dabei wird über aktuelle Menschenrechtsverletzungen verhandelt; ausnahmsweise können aber auch Verbrechen aus der Zeit vor 1989/90 – etwa das Massaker von Katyn, stalinistische Schauprozesse oder die Ermordung von Zivilisten in Lettland durch sowjetische Partisanen – in Verfahren vor dem Gerichtshof aufgegriffen werden. Kann ein europäisches Gericht zur Vergangenheitsbewältigung beitragen? Wie kann längst vergangenes Unrecht mit neu entwickelten Maßstäben gemessen werden? Diesen Fragen geht Professor Dr. Angelika Nußberger in ihrem Vortrag nach. Als Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und Direktorin des Instituts für Ostrecht an der Universität zu Köln hat sie die Rechtsprechung des Gerichtshofs mitgeprägt und kennt die Rechtskulturen Osteuropas aus eigenen Forschungen und Aufenthalten.Der Vortrag wird vom Arbeitskreis Menschenrechte im 20. Jahrhundert der Fritz Thyssen Stiftung organisiert.
Teilnahme nach Anmeldung unter http://fts.veranstaltungs-anmeldung.de

Neues Recht für alte Verbrechen? Osteuropas Vergangenheit und die europäische Gerichtsbarkeit

Ein Vortrag von Prof. Dr. Dr. h.c. Angelika Nußberger, Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Die meisten Verfahren am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte betreffen gegenwärtig Osteuropa. Dabei wird über aktuelle Menschenrechtsverletzungen verhandelt; ausnahmsweise können aber auch Verbrechen aus der Zeit vor 1989/90 – etwa das Massaker von Katyn, stalinistische Schauprozesse oder die Ermordung von Zivilisten in Lettland durch sowjetische Partisanen – in Verfahren vor dem Gerichtshof aufgegriffen werden. Kann ein europäisches Gericht zur Vergangenheitsbewältigung beitragen? Wie kann längst vergangenes Unrecht mit neu entwickelten Maßstäben gemessen werden? Diesen Fragen geht Professor Dr. Angelika Nußberger in ihrem Vortrag nach. Als Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und Direktorin des Instituts für Ostrecht an der Universität zu Köln hat sie die Rechtsprechung des Gerichtshofs mitgeprägt und kennt die Rechtskulturen Osteuropas aus eigenen Forschungen und Aufenthalten.Der Vortrag wird vom Arbeitskreis Menschenrechte im 20. Jahrhundert der Fritz Thyssen Stiftung organisiert.
Teilnahme nach Anmeldung unter http://fts.veranstaltungs-anmeldung.de

Historiker dürfen nicht denselben Fehler machen wie das Nobelkomitee

Die europäische Integration hat dem Kontinent Frieden, Aussöhnung und Demokratie gebracht. Zu diesem Schluss ist das Nobelkomitee in seiner Begründung für die Vergabe des diesjährigen Nobelpreises gelangt. Was für eine eindimensionale Sicht auf unsere jüngste Geschichte! Europa ist in erster Linie ein Konzept kollektiver Identität. Als solches dient es nicht nur der Inklusion, sondern auch der Exklusion – und Exklusionsprozesse sind selten friedlich und versöhnlich. Das Nobelkomitee hat diese simple Logik nicht beachtet. Es bleibt zu hoffen, dass es zumindest die Historiker tun, wenn sie sich daran machen, Europas Integration zu historisieren.
 
Um allerdings Exklusionsprozesse im Zuge der europäischen Einigung ausfindig zu machen, muss man sich auf die Suche nach der Geschichte Europas außerhalb der europäischen Grenzen machen. Es lohnt sich beispielsweise, nach Afrika zu blicken. Die Geschichte der europäischen und afrikanischen Grenzregime ist weit verflochtener, als es den meisten Menschen in Europa bewusst ist. Die Öffnung der innereuropäischen Grenzen hatte zur Folge, dass die Abschottung von Afrika fortan zu einer gemeinsamen Angelegenheit aller europäischen Staaten wurde. Sie begannen, vereinten Druck auf die afrikanischen Regierungen auszuüben, den Flüchtlingsstrom nach Europa zu unterbinden. Das war aus ihrer Sicht wichtig, um jenen innereuropäischen Frieden aufrecht zu erhalten, für den die EU nun ausgezeichnet worden ist. Die unrühmliche Kooperation Europas mit Gaddafi bei der Abschottung der libyschen Grenzen ist deshalb Teil der Geschichte des europäischen Integrationsprozesses. Die vielen Afrikaner, die nach ihren Fluchtversuchen in libyschen Lagern gefangen gehalten oder von Regierungstruppen in der Wüste ausgesetzt wurden und dort verdursteten, gehören in die Annalen der EU.
 
Das ist jedoch bei weitem noch nicht alles und lediglich der bekanntere Teil der Geschichte. Europas Regierungen blieb nicht verborgen, dass die Flüchtlingsrouten nach Europa weit im Inneren Afrikas beginnen. Im Laufe des letzten Jahrzehnts haben sie deshalb immer stärkeren Druck auch auf die afrikanischen Staaten südlich der Sahara ausgeübt, die eigenen Grenzen besser zu kontrollieren. Während es in Europa immer leichter wurde, zu reisen, entstanden innerhalb Afrikas zahlreiche neue Hürden. In den letzten Jahren gingen einige afrikanische Länder dazu über, für Bürger aus Nachbarländern die Visa-Pflicht einzuführen.
 
Man könnte noch lange fortfahren, Folgen zu benennen, die das Zusammenwachsen Europas für Nichteuropäer hatte. Nie zuvor waren die Staaten unseres Kontinents so vereint im Kampf gegen Immigration. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Politik der EU und der europäischen Staaten mit ein Grund ist, warum die Bewohner Afrikas ihre Heimat verlassen. Europas Politiker weigern sich, EU-Subventionen für Landwirtschaft aufzugeben, dem Aufkauf von afrikanischem Ackerland durch internationale Konzerne Riegel vorzuschieben oder dem europäischen Fischfang vor den afrikanischen Küsten einzudämmen.
 
All das zeigt, wie ambivalent der Integrationsprozess unseres Kontinents war. Er brachte Frieden und Unfreiheit, er erleichterte das Los einiger Menschen und erschwerte das anderer. Wenn Historiker Europas Geschichte bilanzieren, dürfen sie es sich nicht so leicht machen wie das Nobelkomitee, das lediglich nach den Folgen der Integration für die europäische Bevölkerung fragte. Die Geschichte des Einigungsprozesses in seinen globalen Bezügen zu untersuchen – etwas, das in der Geschichtswissenschaft eine Selbstverständlichkeit sein sollte – heißt immer auch, nach den Kosten zu fragen, die er in anderen Regionen verursacht hat. Es wäre ein großer Fehler, eine eurozentrische Geschichte Europas zu schreiben.

Historiker dürfen nicht denselben Fehler machen wie das Nobelkomitee

Die europäische Integration hat dem Kontinent Frieden, Aussöhnung und Demokratie gebracht. Zu diesem Schluss ist das Nobelkomitee in seiner Begründung für die Vergabe des diesjährigen Nobelpreises gelangt. Was für eine eindimensionale Sicht auf unsere jüngste Geschichte! Europa ist in erster Linie ein Konzept kollektiver Identität. Als solches dient es nicht nur der Inklusion, sondern auch der Exklusion – und Exklusionsprozesse sind selten friedlich und versöhnlich. Das Nobelkomitee hat diese simple Logik nicht beachtet. Es bleibt zu hoffen, dass es zumindest die Historiker tun, wenn sie sich daran machen, Europas Integration zu historisieren.
 
Um allerdings Exklusionsprozesse im Zuge der europäischen Einigung ausfindig zu machen, muss man sich auf die Suche nach der Geschichte Europas außerhalb der europäischen Grenzen machen. Es lohnt sich beispielsweise, nach Afrika zu blicken. Die Geschichte der europäischen und afrikanischen Grenzregime ist weit verflochtener, als es den meisten Menschen in Europa bewusst ist. Die Öffnung der innereuropäischen Grenzen hatte zur Folge, dass die Abschottung von Afrika fortan zu einer gemeinsamen Angelegenheit aller europäischen Staaten wurde. Sie begannen, vereinten Druck auf die afrikanischen Regierungen auszuüben, den Flüchtlingsstrom nach Europa zu unterbinden. Das war aus ihrer Sicht wichtig, um jenen innereuropäischen Frieden aufrecht zu erhalten, für den die EU nun ausgezeichnet worden ist. Die unrühmliche Kooperation Europas mit Gaddafi bei der Abschottung der libyschen Grenzen ist deshalb Teil der Geschichte des europäischen Integrationsprozesses. Die vielen Afrikaner, die nach ihren Fluchtversuchen in libyschen Lagern gefangen gehalten oder von Regierungstruppen in der Wüste ausgesetzt wurden und dort verdursteten, gehören in die Annalen der EU.
 
Das ist jedoch bei weitem noch nicht alles und lediglich der bekanntere Teil der Geschichte. Europas Regierungen blieb nicht verborgen, dass die Flüchtlingsrouten nach Europa weit im Inneren Afrikas beginnen. Im Laufe des letzten Jahrzehnts haben sie deshalb immer stärkeren Druck auch auf die afrikanischen Staaten südlich der Sahara ausgeübt, die eigenen Grenzen besser zu kontrollieren. Während es in Europa immer leichter wurde, zu reisen, entstanden innerhalb Afrikas zahlreiche neue Hürden. In den letzten Jahren gingen einige afrikanische Länder dazu über, für Bürger aus Nachbarländern die Visa-Pflicht einzuführen.
 
Man könnte noch lange fortfahren, Folgen zu benennen, die das Zusammenwachsen Europas für Nichteuropäer hatte. Nie zuvor waren die Staaten unseres Kontinents so vereint im Kampf gegen Immigration. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Politik der EU und der europäischen Staaten mit ein Grund ist, warum die Bewohner Afrikas ihre Heimat verlassen. Europas Politiker weigern sich, EU-Subventionen für Landwirtschaft aufzugeben, dem Aufkauf von afrikanischem Ackerland durch internationale Konzerne Riegel vorzuschieben oder dem europäischen Fischfang vor den afrikanischen Küsten einzudämmen.
 
All das zeigt, wie ambivalent der Integrationsprozess unseres Kontinents war. Er brachte Frieden und Unfreiheit, er erleichterte das Los einiger Menschen und erschwerte das anderer. Wenn Historiker Europas Geschichte bilanzieren, dürfen sie es sich nicht so leicht machen wie das Nobelkomitee, das lediglich nach den Folgen der Integration für die europäische Bevölkerung fragte. Die Geschichte des Einigungsprozesses in seinen globalen Bezügen zu untersuchen – etwas, das in der Geschichtswissenschaft eine Selbstverständlichkeit sein sollte – heißt immer auch, nach den Kosten zu fragen, die er in anderen Regionen verursacht hat. Es wäre ein großer Fehler, eine eurozentrische Geschichte Europas zu schreiben.

Symbolische Macht

Vom 28. bis zum 30. Juni fand auf der Dornburg in der Nähe von Jena eine Tagung zum Thema „Toward a New Moral Order? Menschenrechtspolitik und Völkerrecht seit 1945“ statt. Die Vorträge und Diskussionen machten deutlich, dass der Bezug auf Menschenrechtsnormen im 20. Jahrhundert zu einem Instrument internationaler Politik wurde, dessen sich ganz unterschiedliche Akteure mit teils gegensätzlichen Zielen bedienten. Das zeigt auch der Beitrag von Jan Eckel, der nach der Bedeutung der Menschenrechte für die Dekolonisierungsbewegung fragte. Waren sie eine zentrale Triebkraft für den Unabhängigkeitskampf oder spielten sie eine marginale Rolle?

Symbolische Macht

Vom 28. bis zum 30. Juni fand auf der Dornburg in der Nähe von Jena eine Tagung zum Thema „Toward a New Moral Order? Menschenrechtspolitik und Völkerrecht seit 1945“ statt. Die Vorträge und Diskussionen machten deutlich, dass der Bezug auf Menschenrechtsnormen im 20. Jahrhundert zu einem Instrument internationaler Politik wurde, dessen sich ganz unterschiedliche Akteure mit teils gegensätzlichen Zielen bedienten. Das zeigt auch der Beitrag von Jan Eckel, der nach der Bedeutung der Menschenrechte für die Dekolonisierungsbewegung fragte. Waren sie eine zentrale Triebkraft für den Unabhängigkeitskampf oder spielten sie eine marginale Rolle?

Towards a New Moral Order? Menschenrechtspolitik und Völkerrecht seit 1945

Lange Zeit beschränkte sich das Interesse der Historiker am Thema Menschenrechte auf ideengeschichtliche Aspekte. Seit kurzem aber mehren sich empirische Studien über die Rolle internationaler Organisationen, die Herausbildung globaler Menschenrechtdiskurse und die Interventionen zivilgesellschaftlicher Akteure. Und inzwischen ist die Frage nach einem historisch tragfähigen Begriff von den Menschenrechten ebenso umstritten wie die nach ihrer Genese und Periodisierung: War mit dem Aufkommen des Begriffs der Human Rights am Ende des Zweiten Weltkriegs tatsächlich so etwas wie eine globale „Menschenrechtsrevolution“ verbunden? Oder handelte es sich um moralpolitisches Window Dressing der Großmächte, das von der Fortgeltung traditioneller Machtpolitik im Zeitalter des Kalten Krieges ablenken sollte? Lässt sich, wenn man den Umgang mit staatlicher Massengewalt und illegitimen Angriffskriegen betrachtet, ein Bogen schlagen vom internationalen Legalismus der Nachkriegszeit zum Ende der bipolaren Weltordnung? Was erzählen die vergangenen Konjunkturen der Menschenrechte über den Wandel im Verhältnis von Staat, Nation und Gesellschaft? Soll man zum Beispiel den „neuen Humanitarismus“ der siebziger Jahre als Symptom eines sich verstärkenden Krisenbewusstseins, gar als Indiz für die Erosion von Staatlichkeit verstehen?
Die Tagung will zu einer Historisierungsdebatte beitragen, die der Entwicklung der Menschenrechte seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in unterschiedlichen Kontexten auf die Spur zu kommen sucht.Eine Veranstaltung des Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts in Kooperation mit dem Imre Kertész Kolleg Jena.   Programmübersicht: http://www.jenacenter.uni-jena.de/Veranstaltungen/Aktuell/Symposion+Menschenrechte.html Teilnahme nur nach bestätigter Anmeldung per Email an: jena.center@uni-jena.de  

Towards a New Moral Order? Menschenrechtspolitik und Völkerrecht seit 1945

Lange Zeit beschränkte sich das Interesse der Historiker am Thema Menschenrechte auf ideengeschichtliche Aspekte. Seit kurzem aber mehren sich empirische Studien über die Rolle internationaler Organisationen, die Herausbildung globaler Menschenrechtdiskurse und die Interventionen zivilgesellschaftlicher Akteure. Und inzwischen ist die Frage nach einem historisch tragfähigen Begriff von den Menschenrechten ebenso umstritten wie die nach ihrer Genese und Periodisierung: War mit dem Aufkommen des Begriffs der Human Rights am Ende des Zweiten Weltkriegs tatsächlich so etwas wie eine globale „Menschenrechtsrevolution“ verbunden? Oder handelte es sich um moralpolitisches Window Dressing der Großmächte, das von der Fortgeltung traditioneller Machtpolitik im Zeitalter des Kalten Krieges ablenken sollte? Lässt sich, wenn man den Umgang mit staatlicher Massengewalt und illegitimen Angriffskriegen betrachtet, ein Bogen schlagen vom internationalen Legalismus der Nachkriegszeit zum Ende der bipolaren Weltordnung? Was erzählen die vergangenen Konjunkturen der Menschenrechte über den Wandel im Verhältnis von Staat, Nation und Gesellschaft? Soll man zum Beispiel den „neuen Humanitarismus“ der siebziger Jahre als Symptom eines sich verstärkenden Krisenbewusstseins, gar als Indiz für die Erosion von Staatlichkeit verstehen?
Die Tagung will zu einer Historisierungsdebatte beitragen, die der Entwicklung der Menschenrechte seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in unterschiedlichen Kontexten auf die Spur zu kommen sucht.Eine Veranstaltung des Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts in Kooperation mit dem Imre Kertész Kolleg Jena.   Programmübersicht: http://www.jenacenter.uni-jena.de/Veranstaltungen/Aktuell/Symposion+Menschenrechte.html Teilnahme nur nach bestätigter Anmeldung per Email an: jena.center@uni-jena.de  

Bedrohliche Eliten

Der Sieg der Alliierten über das „Dritte Reich“ beendete zwar die Herrschaft der Nationalsozialisten, die von ihnen ausgehende Bedrohung aber war in den Augen vieler Zeitgenossen noch lange nicht gebannt: Würde die entmachtete NS-Elite versuchen, erneut Einfluss zu gewinnen, um ihrer Ideologie einen zweiten Siegeszug zu ermöglichen? Wie reell solche Bedrohungsszenarien waren, zeigte sich 1953, als die Mitglieder des sogenannten Naumann-Kreises verhaftet wurden. Unter der Leitung des ehemaligen Staatssekretärs Goebbels’ hatte eine Gruppe von „Unverbesserlichen“ versucht, die FDP zu infiltrieren, um Einfluss auf die Bundespolitik zu erlangen.
 
Aber nicht nur für die politische Entwicklung in der Bundesrepublik galt die ehemalige NS-Elite als Bedrohung. Die Tatsache, dass viele ihrer Vertreter nach Argentinien emigrierten, blieb nicht unbemerkt und gab sowohl der argentinischen Opposition als auch den amerikanischen Medien Anlass zur Vermutung, dass unter dem Schutz des populistischen Regimes Juan Domingo Peróns ein „Viertes Reich“ errichtet werde. Auch Jahre später, als sich während der siebziger Jahre in mehreren südamerikanischen Ländern Diktaturen herausbildeten und die Repression zunahm, sahen Menschenrechtsorganisationen und Oppositionelle Hitlers Funktionseliten am Werk. Sie behaupteten, dass Klaus Barbie, der ehemalige Gestapo-Chef von Lyon, Walther Rauff, der an der Konstruktion von Gaswagen beteiligt gewesen war, oder der KZ-Arzt Josef Mengele als Berater der Diktatoren Südamerikas tätig seien und dabei aus ihrem im „Dritten Reich“ gewonnenen Erfahrungsschatz schöpften.
 
Anderer Art war die Gefahr, die hinter der NS-Emigration in die arabischen Länder gewittert wurde. Israel befürchtete, dass die Tätigkeit ehemaliger NS-Propagandisten in Ägypten und Syrien gepaart mit dem waffentechnische Know-how emigrierter deutscher Wissenschaftler und Ingeneure zu einer ernsthaften Bedrohung für die eigene Sicherheit werden könnte.
 
Jemand, der wie kein anderer für diese teils realen, teils imaginierten Gefahren stand, war Johann von Leers. Er verkörperte gleich alle drei Bedrohungsszenarien. Während des Nationalsozialismus hatte er sich als antisemitischer Hetzredner und Propagandist verdient gemacht. Nach dem Krieg emigrierte er nach Argentinien, wo er für die rechtsextreme Zeitschrift „Der Weg“ tätig war, deren Mitarbeiter Kontakte zum Naumann-Kreis in der Bundesrepublik unterhielten. Als Perón 1955 gestürzt wurde, ging er schließlich nach Ägypten, wo er zeitweilig im Informationsministerium arbeitete und die internationale rechte Szene mit antisemitischen Schriften versorgte. Mit dem Lebensweg dieses unverbesserlichen Antisemiten und den religiösen Überzeugungen, die sein Handeln bestimmten, befasst sich der vor kurzem bei der ZEIT erschienene Artikel „Erlösung durch Vernichtung“ ( http://www.zeit.de/2010/22/GES-Johann-von-Leers ).

Bedrohliche Eliten

Der Sieg der Alliierten über das „Dritte Reich“ beendete zwar die Herrschaft der Nationalsozialisten, die von ihnen ausgehende Bedrohung aber war in den Augen vieler Zeitgenossen noch lange nicht gebannt: Würde die entmachtete NS-Elite versuchen, erneut Einfluss zu gewinnen, um ihrer Ideologie einen zweiten Siegeszug zu ermöglichen? Wie reell solche Bedrohungsszenarien waren, zeigte sich 1953, als die Mitglieder des sogenannten Naumann-Kreises verhaftet wurden. Unter der Leitung des ehemaligen Staatssekretärs Goebbels’ hatte eine Gruppe von „Unverbesserlichen“ versucht, die FDP zu infiltrieren, um Einfluss auf die Bundespolitik zu erlangen.
 
Aber nicht nur für die politische Entwicklung in der Bundesrepublik galt die ehemalige NS-Elite als Bedrohung. Die Tatsache, dass viele ihrer Vertreter nach Argentinien emigrierten, blieb nicht unbemerkt und gab sowohl der argentinischen Opposition als auch den amerikanischen Medien Anlass zur Vermutung, dass unter dem Schutz des populistischen Regimes Juan Domingo Peróns ein „Viertes Reich“ errichtet werde. Auch Jahre später, als sich während der siebziger Jahre in mehreren südamerikanischen Ländern Diktaturen herausbildeten und die Repression zunahm, sahen Menschenrechtsorganisationen und Oppositionelle Hitlers Funktionseliten am Werk. Sie behaupteten, dass Klaus Barbie, der ehemalige Gestapo-Chef von Lyon, Walther Rauff, der an der Konstruktion von Gaswagen beteiligt gewesen war, oder der KZ-Arzt Josef Mengele als Berater der Diktatoren Südamerikas tätig seien und dabei aus ihrem im „Dritten Reich“ gewonnenen Erfahrungsschatz schöpften.
 
Anderer Art war die Gefahr, die hinter der NS-Emigration in die arabischen Länder gewittert wurde. Israel befürchtete, dass die Tätigkeit ehemaliger NS-Propagandisten in Ägypten und Syrien gepaart mit dem waffentechnische Know-how emigrierter deutscher Wissenschaftler und Ingeneure zu einer ernsthaften Bedrohung für die eigene Sicherheit werden könnte.
 
Jemand, der wie kein anderer für diese teils realen, teils imaginierten Gefahren stand, war Johann von Leers. Er verkörperte gleich alle drei Bedrohungsszenarien. Während des Nationalsozialismus hatte er sich als antisemitischer Hetzredner und Propagandist verdient gemacht. Nach dem Krieg emigrierte er nach Argentinien, wo er für die rechtsextreme Zeitschrift „Der Weg“ tätig war, deren Mitarbeiter Kontakte zum Naumann-Kreis in der Bundesrepublik unterhielten. Als Perón 1955 gestürzt wurde, ging er schließlich nach Ägypten, wo er zeitweilig im Informationsministerium arbeitete und die internationale rechte Szene mit antisemitischen Schriften versorgte. Mit dem Lebensweg dieses unverbesserlichen Antisemiten und den religiösen Überzeugungen, die sein Handeln bestimmten, befasst sich der vor kurzem bei der ZEIT erschienene Artikel „Erlösung durch Vernichtung“ ( http://www.zeit.de/2010/22/GES-Johann-von-Leers ).