Planet History

Autor: Martina Hartmann-Menz

Ernst Klee – der Wegbereiter der Forschungen zu den NS-Medizinverbrechen

Am 15. März 2017 wäre der Journalist,  Publizist, Historiker und Grundlagenforscher zu den  „Euthanasie“-Verbrechen 75 Jahre alt geworden.

[caption id="attachment_13948" align="alignleft" width="150"] Foto: Fritz Bauer Institut[/caption]

Der im Mai 2013 in Frankfurt am Main Verstorbene war ursprünglich gelernter Installateur, holte das Abitur auf dem 2. Bildungsweg nach und studierte anschließend Sozialpädagogik und Theologie. Zunächst befasste sich Ernst Klee in den 70er Jahren mit jenen, die den sozialen Randgruppen der damaligen BRD zugerechnet wurden: Menschen mit Psychiatrieerfahrung, Obdachlose und Menschen mit Behinderung. Er publizierte zur Thematik der „Gastarbeiter“ und Strafgefangenen, verfasste eine Vielzahl von Sozialreportagen und war auch als Dokumentarfilmer tätig.

Der heute allgegenwärtige Begriff der „Inklusion“ wurde von Ernst Klee lange vor dessen Entstehung  gelebt und in seinem politischen Wirken implizit eingefordert. Ein besonderes Verdienst von Ernst Klee ist die frühe Erforschung und vielfache publizistische Sichtbarmachung der Verbrechen der sog. Euthanasie. Die auf dem Eichberg im Rheingau und dem Idsteiner Kalmenhof durch NS-Mediziner eingerichteten „Kinderfachabteilungen“ wurden ebenso zum Forschungsgegenstand des Frankfurter Historikers wie die „T4“-Tötungsanstalt in Hadamar. Ernst Klee untersuchte die systematischen Morde an den gemäß NS-Doktrin „Lebensunwerten“  in einem Zeitraum der deutschen Geschichtsschreibung, in der Institutionen, Berufsverbände, Wissenschaft und Forschung primär mit dem Nicht-Wahrhaben der Medizinverbrechen des Nationalsozialismus, nicht aber deren Aufarbeitung befasst waren.

Die 1983 erschienene, mehrfach überarbeitete Publikation „Euthanasie im Dritten Reich“, der Begleitband „Dokumente zur Euthanasie“ (1985) und das „Personenlexikon zum Dritten Reich“ (2003) gehören heute zur fachwissenschaftlichen Standardliteratur. Es ist das Verdienst von Ernst Klee, dass die NS-Medizinverbrechen in den Fokus von Gedenkstättenarbeit und wissenschaftlicher Forschung gerückt sind. Durch die Akribie, den Fleiß und die dezidiert an ethischen Gegenwartsfragen anknüpfende Arbeitsweise des „Außenseiters“ Ernst Klee wurde die Messlatte – auch für den heutigen Wissenschaftsbetrieb – sehr hoch gehängt. Die politische Stimme Ernst Klees, aber auch seine unabhängige Expertise fehlen uns heute vielerorts.