Exkursionsnachbetrachtungen – Harz

Wenn einer eine Reise macht, dann kann er was erzählen. Und wenn einer eine Exkursion einer Uni mitmacht, dann kann er mehr erzählen als gut ist. Eine Exkursion ist immer lehrreich, beinhaltet aber auch dermaßen viele Besichtigungen, Referate, Themen, Orte und Aspekte, dass man nachher erstmal eine Weile benötigt, um die Eindrücke zu sortieren und zu verarbeiten. Und wenn man schon ein Blog betreibt, kann man es auch perfekt dafür benutzen, um gerade diese Eindrücke zu sortieren. Verzeiht mir also, wenn ich die nächsten Posts etwas zu viel über diverse Kirchen schreibe.

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Angefangen hat der Kirchenmarathon in Bad Gandersheim, einem mir vorher völlig unbekannten Ort, der allerdings zur Zeit der Ottonen recht zentral war – das dortige Stift wurde 852 vom Sachsenherzog Liudolf gegründet, aus dessen Familie die Liudolfinger hervorgingen, die man normalerweise als Ottonen kennt. Bad Gandersheim war es bis zur Gründung von Quedlinburg das wichtigste Familienstift der Ottonen.
Ansonsten ist es immer schwierig etwas über Kirchen, Stifte oder Klöster zu schreiben – die Geschichten ähneln sich häufig: Gegründet wird meistens aus Gründen der Machtvergrößerung, der Memoria, Stifte dienen auch als Ausbildungs- und Verwahrungsorte der Frauen der Familie und die Gebäude werden des Öfteren umgebaut, brennen auch gerne mal ab, werden vergrößert, vielleicht mal geplündert oder bekommen reiche Geschenke. Mächtige Familien unterstellen ihre Stiftungen gerne auch dem Kaiser direkt und diese Reichsunmittelbarkeit ist ständiger Streitpunkt zwischen den formell unabhängigen, reichen Klöstern und den zuständigen Bischöfen, welche diese natürlich gerne unter Kontrolle bekommen würden. Irgendwann kommt dann die Reformation oder nicht, das Kloster wird aufgelöst oder nicht und meistens erfolgt im 19. Jahrhundert eine nicht wirklich originalgetreue Rekonstruktion. Dann wirken häufig noch diverse Äbtissinen im Stift, denen bevorzugt gedacht wird und im Prinzip hat man damit die meisten derartigen Orte beschrieben. Wenn man in einer Woche unzählige ähnliche Orte besucht, fließt das alles irgendwann ineinander und daher werde ich zu jedem Ort nur das Bemerkenswerte aufzählen. DSC08215

Ebenfalls in Bad Gandersheim: Um an die Kaiserin Theophanu zu erinnern, wurden bei der Renovierung der Kirche vor ein paar Jahren “byzantinisch” anmutende Lampen aufgehängt. Das ist übrigens ein Aspekt, der häufiger auftaucht – die Kaiserin Theophanu hat einen enorm hohen Stellenwert in der Erinnerungskultur der ehemaligen ottonischen Gebiete und wird häufig auf eine derartige Weise geehrt und häufiger erwähnt als alle anderen Kaiserinnen. Der Aspekt der “Exotik” wird dabei besonders betont – die Frau aus dem fremden Land, die als Kulturbringerin im Harz agiert.

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St. Cyriakus in Gernrode – ebenfalls ein Familienstift, diesmal des sächsischen Markgrafen Gero. Bemerkenswert ist nicht nur der romanische Bau, sondern vor allem zwei Dinge: Zum einen die Ausmalung. Diese ist allerdings erst im 19. Jahrhundert bei der Renovierung der Kirche angebracht worden und entspricht daher natürlich absolut nicht den historischen Vorgängern. Und zum anderen besitzt St. Cyriakus die wohl älteste Nachbildung des Heiligen Grabes in Norddeutschland. Derartige Nachbildungen zeigen die stärkere religiöse Hinwendung der Christenheit nach Jerusalem – diese Entwicklung führt (unter anderem) später zu den Kreuzzügen und wird von mir viel zu verkürzt dargestellt.

Nach dem morgendlichen Besuch in Gernrode ging es weiter nach Quedlinburg. Zu Quedlinburg muss man eigentlich fast nichts mehr schreiben – alleine die Größe der Altstadt ist beeindruckend, vor allem wenn man die Größe anderer mittelalterlicher Altstädte kennt. Der ehemalige Reichtum der Stadt manifestiert sich schon in der Größe und auch in der Pracht der Fachwerkhäuser. Fachwerkfetischisten kommen hier ganz auf ihre Kosten.

DSC08280 Der Marktplatz von QuedlinburgDSC08352Die Stiftskirche St. Servatius, häufig auch als Quedlinburger Dom bezeichnet. Die Grablege von Heinrich I. und seiner Gattin Mathilde, die schon selbst eine interessante Geschichte haben. Darauf werde ich aber später in einem gesonderten Beitrag eingehen.DSC08329Das Innere des Doms. Besonders gut ist hier eine Sache zu sehen, die elementar für die mittelalterliche Gesellschaft war: Rang. Dieser ist hier direkt in den unterschiedlichen Ebenen des Domes zu erkennen – unten bei den Stühlen war der Platz für die Gemeinen Leute, die in diesem Fall natürlich trotzdem in den meisten Fällen adelig waren. Der Ort, von dem dieses Foto geschossen wurde, ist deutlich erhöht und war der Platz des Klerus. Im Hintergrund sieht man dann die Loge des Kaisers, die wieder eine Höhenstufe über der des Klerus steht.  DSC08309

Zum Schluss noch ein paar Fachwerkhäuser.

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Eine der Sachen, für die leider keine Zeit war: Dampflokfahren. Wie jeder andere kleine und größere Junge finde ich Dampfloks natürlich großartig und der Harz ist eine der wenigen Orte, an denen noch Dampfloks im Regelbetrieb verkehren. Irgendwann muss ich daher nochmal in die Gegend, um mit der Bahn auf den Brocken zu fahren.

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Das Rathaus von Werningerode. Das Hasseröder Pils kommt aus einer wirklich schönen Stadt, die extrem schick herausgeputzt wurde und top restauriert ist, dummerweise aber den schlechtesten Stadtführer Norddeutschlands beherbergt. 

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Der Dom von Halberstadt ist so schon ein beeindruckendes Bauwerk (einer der wenigen Bauten nach französischem Kathedralschema) und einen Lettner sieht man nur noch extrem selten in Kirchen. Besonders toll ist aber der Domschatz, bei dem man als Historiker wirklich ins Schwärmen geraten kann. Der Domschatz überlebte die Einführung der Reformation praktisch unversehrt. Gerade zu dem Teppich, den prachtvollen Messgewändern oder den Altären könnte man einiges schreiben, aber da im Dommuseum Fotoverbot herrscht, werde ich das lassen.

Das war der erste Teil der Exkursionsnachbetrachtungen, der zweite Teil, der sich mit den Kaiserpfalzen Werla, Goslar und der Harzburg beschäftigt, kommt…irgendwann.

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