Wer nach Berlin fährt, der hat die Auswahl zwischen einer unglaublichen Anzahl von Museen. Man kann tagelang durch die Museumslandschaft der Stadt ziehen und im Vergleich z.B. zu Wien ist dies sogar erstaunlich günstig. Einige Museen haben sogar freien Eintritt genau wie die neugestaltete Topographie des Terrors. Dieses neugestaltete Museum am Ort der ehemaligen Gestapo-Zentrale soll an den Terror der Nationalsozialisten erinnern und vor allem an diesem “Ort der Täter” die Täter in den Blickpunkt rücken. Während an anderen Orten wie dem Holocaust-Mahnmal vor allem die Opfer im Mittelpunkt stehen, geht es hier um die Täter.
An dem Ort der ehemaligen Gestapo-Zentrale ist von der historischen Bausubstanz mittlerweile praktisch nichts mehr erhalten. Unter einem der wenigen erhaltenen Stücke der Berliner Mauer (Touristenattraktion!) erstrecken sich dort einige kümmerliche Reste der ehemaligen Gefängniszellen. Ansonsten dominieren drei Elemente den Platz: Zum einen der neue, graue Bau mit Lamellenfassade, die große Schotterfläche und natürlich die Außenausstellung.
Wer ein fast idealtypisches Beispiel für den westdeutschen Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit sucht, findet es im Umgang mit dem Ort. Die im Krieg zerstörten Gebäude werden nach dem Krieg abgerissen und das Gelände führt ein abgelegenes und kaum beachtetes Dasein als Schutthalde und Standort eines Autoscooters (!). 1978 gab es erste Überlegungen, an diesem Ort eine Gedenkstätte zu errichten, aber erst 1987 entsteht eine erste provisorische Ausstellung. Seit 1992 existiert eine Stiftung zum Bau eines Dokumentationszentrums, die nach langem Hin und Her, diversen Kostenstreitigkeiten und anderen Verwicklungen den ersten Entwurf eines Museums nicht realisieren konnte und erst jetzt Anfang 2010 das neue Museum eröffnen konnte.
Die eigentliche Stätte ist in zwei Bereiche geteilt: Zum einen eine Freiluftausstellung draußen an dem Ort, an dem sich auch die alte Ausstellung befand und zum anderen eine ausführliche im Museumsbau. Die Außenausstellung beschäftigt sich mit dem Thema “Berlin 1933-1945. Zwischen Propaganda und Terror”, welche die historische Rolle Berlins als Hauptstadt behandelt. Diese Ausstellung war trotz frostiger Temperaturen erstaunlich gut besucht:
Kommen wir zur eigentlichen Ausstellung drinnen: Bei dem Thema kann man schlecht sagen, dass sie mir gut gefallen hat, aber sie war sehr gut gemacht. Natürlich ist eine Ausstellung an einem derartigen Ort mit einer entsprechenden Ausstellung auf dem aktuellen Stand der Forschung und gerade der Blick auf die Täter eröffnet einen Zugang zum Naziterror, der doch einiges mehr verrät als man denkt. Gerade indem die Täter einem immer wieder als großformatige Fotos begegnen, rücken sie einem näher und wirken banaler als man denkt. Nehmen wir einfach mal dieses Bild von einem Gestapo-Betriebsausflug:
Das, was hier wie ein Betriebsausflug der Sparkasse Breisgau-Hochschwarzwald mit lustigen Hüten wirkt, ist das Personal der Gestapo. Das sind die Leute, die ihre politischen Gegner foltern, die den NS-Terror maßgeblich mittragen und um die sich der Mythos der allwissenden Geheimpolizei dreht. Gerade in dieser Auswahl und in groß ist das einfach erstaunlich. Gleichzeitig zeigt die Ausstellung sehr schön, mit welch kleiner Personaldecke die Gestapo agierte und wie tief sie in der Gesellschaft verankert war. Auch die ausgestellten Denuziationsbriefe entfalten eine morbide Wirkung: Häufig mit Rechtschreib- und Grammatikfehlern versehen melden sich hier “ordentliche” und “aufrichtige”, “deutsche” Bürger bei der Gestapo, um andere Menschen anzuschwärzen. Teilweise sind die Briefe banal – und führten doch zu Verhaftungen, Folter, Konzentrationslager und Tod. Kurz gesagt: Die Ausstellung ist absolut lohnenswert.
Was auch noch zu erwähnen ist, sind die kleinen Details am Rande: Die gesamte Ausstellung ist zweisprachig auf Deutsch und Englisch und für die häufiger ausgestellten Schriftdokumente wurde ein englisches Exerpt angefertigt. Besonders gut gefallen hat mir die Idee, für die historische Einordnung und Bewertung der Gestapo Zitate von Historikern zu benutzen. Die kurzen und prägnanten Formulierungen fassen in einem oder zwei Sätzen meistens sehr gut zusammen, worum es geht und sie scheuen sich auch nicht, unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Sowas würde ich gerne häufiger in Museen sehen.
Der Besuch in der Topographie des Terrors lohnt sich also durchaus. Es gibt allerdings ein Problem: Das gesamte Museum stellt keine Originaldokumente aus, sondern es handelt sich komplett um Schautafeln mit Fotos und Bildern von Dokumenten. Im Prinzip könnte man auch einfach den Katalog kaufen und den in Ruhe auf der Rückfahrt studieren. Als Museum ohne Ausstellungsstücke an einem historischen Ort, an dem kaum noch etwas von der Geschichte erhalten geblieben ist, macht die Topographie das Beste aus der Situation. Hut ab!