Die Zukunft des Buches? Wohl eher nicht

Die Agentur Ideo hat ein Konzept für das Buch der Zukunft vorgestellt. Das ganze basiert auf einem Tablet-PC und ist in drei verschiedene Bereiche geteilt:

The Future of the Book. from IDEO on Vimeo.

 

“Nelson” konzentriert sich vor allem auf Sachbücher, die mit zusätzlichen Statistiken und Informationen angereichert werden. So soll die Debatte über ein Buch mit dem Buch verknüpfen. So sollen durch eine simple Drehung des Tablets Zusatzinformationen wie Rezensionen und Reaktionen auf das Buch eingeblendet werden. Ein Faktchecker soll es dem Leser ermöglichen, die im Buch verwendeten Informationen zu überprüfen und zu erkennen, ob ein Autor Unsinn schreibt.

“Coupland” konzentriert sich auf die soziale Dimension des Lesens und ist ein Social Network für Bücher. Es zeigt an, welche Bücher gerade im Freundeskreis gelesen werden, bietet einfache Buchempfehlungen, eigene Buchclubs und im Zweifelsfall kann man sich direkt die empfohlenen Bücher über das Gerät kaufen.

“Alice” hingegen versucht sich an den interaktiven Möglichkeiten der E-Books. Erste Ansätze dazu gibt es natürlich schon in den alten “Choose your own adventure”-Büchern wie Ian Livingstones “Forst der Finsternis”, aber die digitalen Möglichkeiten bieten natürlich noch einiges neues. So könnte sich die Geschichte verändern, wenn man z.B.

– An einem bestimmten Orten ist
– Wenn man mit den Charakteren der Geschichte per Handy kommuniziert
– Wenn man an den Geschichten selbst mitschreibt
– Wenn geheime Kapitel und Ereignisse freigeschaltet werden
– Wenn es weiterführende Informationen zu Akteuren, Orten und Ereignissen gibt

Im Prinzip handelt es sich um den Versuch, nicht-lineare Geschichten zu erzählen.

Insgesamt wirkt das Konzept bei aller visuellen Reife allerdings doch etwas konservativ. Das sind alles altbekannte Techniken, die einfach nur in einen Tablet-PC integriert wurden. Seiten wie Perlentaucher aggregieren allgemein schon die Rezensionen und Debatten über ein Buch, Google ist der wohl verbreitetste Faktchecker überhaupt und Userrezensionen bieten auch Händler wie Amazon. Das alles in einem Paket ist nett, aber jetzt auch nicht unbedingt der große Wurf.

Das gilt auch für die sozialen Dimensionen, wie Coupland sie verwirklichen will. Abgesehen davon, dass es bei so einem Dienst wohl extrem schwierig werden wird, eine kritische Masse an Usern zu erreichen, ist es im Prinzip nur eine hardwaregebundene Variante von bereits bestehenden Diensten wie LibraryThing (mein Account ist übrigens hier). Und über interaktive Geschichten und nicht-lineares Geschichtenerzählen wird seit Jahrzehnten nachgedacht, richtig gut hat es aber noch keiner umgesetzt – das liegt wohl vor allem daran, dass nicht-lineare Geschichten deutlich mehr Arbeit bedeuten und sie schwieriger zu lesen sind. Nehmen wir z.B. die angedachte Möglichkeit, dass Leser an einem bestimmten Ort zusätzliche Storyteile freischalten können. Abgesehen davon, dass dies recht leserfeindlich ist, wenn sagen wir mal ein Dan Brown die Leser zwingt, vom Louvre in Paris über London nach Rom zu reisen, um alles im Buch zu erfahren, muss der Autor natürlich auch noch diese zusätzlichen Informationen und Storyteile schreiben ohne zu wissen, ob jemals jemand sich die Mühe macht und um Mitternacht unter der großen Eiche steht.

Im Prinzip gilt dies auch für Sachbücher – die ließen sich recht problemlos mit zusätzlichen Inhalten anreichern, die Frage ist aber, wer die Mehrkosten und den Mehraufwand übernimmt. So kann z.B. eine Kulturgeschichte der Bundesrepublik deutlich profitieren, wenn Kunstwerke, Musik, Theaterstücke, Kinofilme oder Fotos eingebunden werden könnten. Hier wird aber das Urheberrecht vielen Projekten einen Strich durch die Rechnung machen – selbst wenn die entsprechenden Lizenzen angeboten werden, wird es nicht billig werden.

Dieser Beitrag wurde unter Bücher abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.