Hier in Freiburg gab es in den letzten Tagen etwas Aufregung um die geplante Ausstellung "Die Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948". Sie wurde vom Verein "Café Palestine" nach Freiburg geholt und sollte in der örtlichen Stadtbibliothek stattfinden. Kurz vor Ausstellungsbeginn untersagte der Bürgermeister Dieter Salomon die Nutzung städtischer Räumlichkeiten für diese Ausstellung, weil sie "verzerrend und polarisierend" sei. Der Verein klagte gegen diese Entscheidung und bekam Recht, allerdings nur aufgrund von juristischen Aspekten:
"Gestern nun gab ihnen das Verwaltungsgericht recht und wies die Stadt an, die Ausstellung doch stattfinden zu lassen. Das Gericht ist der Auffassung, dass – vereinfacht gesagt – die Absage zu kurzfristig erfolgt sei. Die Zusage im Oktober sei damals rechtmäßig gewesen; ein Widerruf komme nur in Frage, wenn das öffentliche Interesse gefährdet sei oder man damit schwere Nachteile für das Gemeinwohl verhüten wolle. Dies sieht das Verwaltungsgericht nicht. In der Begründung heißt es: "Die Ausstellung verstoße inhaltlich nicht gegen Strafgesetze und sei von der Meinungsfreiheit getragen, möge sie das Flucht- und Vertreibungsgeschehen im Jahr 1948 auch eher einseitig darstellen."
Die Stadt musste also die Stadtbücherei wieder zur Verfügung stellen und in den Kommentaren unserer örtlichen Zeitung tobte ein regelrechter Kleinkrieg zwischen Israelkritikern und -verteidigern.
Der Palästinakonflikt ist eines dieser Gebiete, auf denen sich Historiker automatisch in ein Minenfeld begeben. Es gibt kaum einen anderen Konflikt auf dieser Welt, der so dermaßen aus der Geschichte hergeleitet wird. Alles wird zur Munition in der aktuellen Auseinandersetzung und alles dient automatisch der Schuldzuweisung und der Aufstellung neuer Forderungen. Gerade das macht dieses Thema und diese Ausstellung so brisant – im Hintergrund steht hier die Frage, ob hier mit einem Verweis auf die Ereignisse im Krieg 1948 ein Angriff auf das heutige Israel unternommen wird.
Die Ausstellung an sich ist herzlich unspektakulär. Da sie ohne Wegweiser im Keller der Stadtbibliothek untergebracht ist und nur aus 13 Wandtafeln zwischen Comicregal und Brettspielregal besteht, braucht man eine Weile, um sie überhaupt zu finden. Die Tafeln sind typographisch recht konservativ gehalten und es wird hauptsächlich mit Text gearbeitet. Die Inhalte auf den Schautafeln sind auch, wie das Verwaltungsgericht so schön formliert hat, nicht strafrechtlich relevant, sondern von der Meinungsfreiheit getragen. Die einzelnen Darstellungen beruhen, soweit ich das überblicken kann, durchaus auf historischen Fakten.
Trotzdem finde ich die Ausstellung aus kritisch, da sie wirklich sehr einseitig ist. Um die Situation im Nahen Osten zu verstehen, muss man zwingend beide Seiten in den Blick nehmen und gerade das tut die Ausstellung nur unzureichend. Von Differenzierungen innerhalb der jüdischen Bevölkerung ist gar nicht die Rede, auch nicht von verschiedenen politischen Ansichten oder Strategien, die es auch im Zionismus durchaus gegeben hat. Es ist immer nur von "den Juden" oder "den Zionisten" die Rede. Kritisch wird dies, wenn Gruppen wie die Irgun als Akteure auftauchen. Diese unternahmen Terroranschläg, konnten aber immer nur auf vergleichsweise wenig Unterstützer bauen. Hier alle Juden als Zionisten über einen Kamm zu scheren und mit den Anschlägen der Irgun in Verbindung zu setzen, halte ich für nicht angebracht.
Das gilt auch für viele weitere Details, von denen ich nur eins herausgreife: Die Balfour-Erklärung als Versprechen der britischen Regierung, einen jüdischen Staat in Palästina zu errichten, ist nur ein Teil eines meisterhaften und umtriebigen diplomatischen Manövers der Briten, welche Zionisten, Arabern und Franzosen gleichzeitig nicht Kompatibles versprechen und am Ende Palästina selbst behalten. Hier einfach nur die Balfour-Erklärung zu erwähnen, ist zwar nicht falsch, aber verfälschend. Ohne die Erwähnung der Husain-McMahon-Korrespondenz und des Sykes-Picot-Abkommens entsteht so eine Schieflage. Dies gilt für viele weitere Aspekte – so wird z.B. erwähnt, dass Araber durch das Abschneiden von Versorgungslinien zum Verlassen ihrer Dörfer gezwungen wurden, aber eben nicht, dass die arabische Seite die gleiche Taktik einsetzte. In der Ausstellung lernt man also nur viel Halbwissen und viele Aspekte, die für das Verständnis des Nahostkonfliktes elementar sind, werden kaum angesprochen. Der Holocaust taucht beispielsweise auch nur randständig auf, die gesamte Geschichte nach 1948 wird ausgeblendet.
Es stellt sich bei so einem Thema natürlich auch die Frage, warum im Jahre 2010 in Freiburg so eine Ausstellung zu sehen ist. Es handelt sich bei den Organisatoren durchwegs um Leute, die sich stark für die Sache der Palästinenser einsetzen. Dabei scheint die nötige kritische Distanz zu fehlen, was hier in der Stadtbücherei zu sehen ist, ist ein schönes Beispiel dafür, wie Geschichte zu Propagandazwecken genutzt werden kann.
Fazit: Den Weg in die Stadtbücherei kann man sich sparen. Außer man leiht sich ein vernünftiges und wissenschaftliches Buch zum Thema aus und lässt die Ausstellung links liegen.
(Wer sich selbst ein Bild machen will, findet die Folien der Ausstellung hier)