Cité de l’Automobile

Es gibt Geschichten, die sind so unglaublich, dass sie auch aus einem schlechten Film stammen könnten. Wie wär’s mit dieser? Zwei erfolgreiche Textilfabrikanten finden ihre wahre Leidenschaft: Alte Autos, vor allem alte Bugattis. Sie fangen an, wie die Wilden hunderte alte Autos, Sportwagen, Luxuskarossen, Kuriositäten und mehr zu sammeln. Die Zeit vergeht, die Sammlung wächst immer weiter und die Begeisterung steigt und steigt. Irgendwann sind es nicht mehr nur ein paar Dutzend Wagen, sondern hunderte. Mechaniker werden eingestellt, um diese zu warten. Die Profite der Firma sinken und irgendwann kommt das böse erwachen: Die zwei Textilfabrikanten sind pleite, besitzen aber über 400 Autos.

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Wohl eines der absoluten Prunkstücke: Ein Bugatti Royale

Jetzt werden die Arbeiter aufsässig, denn ihre Jobs stehen auf dem Spiel. Sie streiken und protestieren. Und ein junger Journalist hat spitzgekriegt, dass es diese Autosammlung gibt und bricht heimlich in diese ein und macht Fotos, welche natürlich einschlagen wie eine Bombe. Soll die Sammlung verkauft werden und damit die Fabrik gerettet werden? Oder ist sie dermaßen wertvoll, dass sie nicht zerschlagen werden darf?

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Eines der ältesten Automobile. Selbst Oma Duck fährt was moderneres.

Jetzt setzen sich die zwei Fabrikanten ins Ausland ab, um sich selbst vor dem Staatsanwalt zu schützen während die Arbeiter erstmal die Fabrik und Sammlung besetzen. So geschah es 1976/77 im französischen Moulhouse in der Textilfabrik der Brüder Schlumpf. Die Sammlung wurde 1978 schließlich vom französischen Präsidenten unter Denkmalschutz gestellt und in ein Museum überführt. Die beiden sammelwütigen Textilfabrikanten kämpften daraufhin weiter um ihre Sammlung, letztlich aber eher erfolglos.

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Käfer-Klone? Käfer-Klone!

Was daraus entstand ist das weltgrößte Automobilmuseum in Moulhouse. Die eh schon beeindruckende Sammlung von 437 Autos wurde weiter ausgebaut und umfasst mittlerweile über 520 Exemplare. Und was soll man sagen? Sie ist einfach überwältigend. Erregt mittlerweile bereits ein älterer Ferrari auf einem Parkplatz einige bewundernde Anerkennung, würde er hier gnadenlos untergehen. Die Sammlung ist derartig umfassend, dass man einfach sprachlos zurückbleibt – von den ersten Automobilen gibt es nicht nur eins oder zwei, sondern Dutzende. Bugattis gibt es so viele, dass man einfach nur staunen muss. Und auch sonst haben die Brüder Schlumpf eben nicht “normale” Autos gesammelt, sondern Luxusautos. Bugattis, Ferraris, Mercedes, Hispano-Suiza und wie sie alle heißen. Die absolute Oberklasse der Automobile aus der “goldenen Zeit” des Autobaus als noch hunderte Kleinfirmen ihre eigenen Autos nach eigenen Maßstäben produzierten, als Aerodynamik völlig egal war und Autofahren ein Vergnügen für Reiche war. Oder für Verrückte – die Autorennen dieser Zeit sind dermaßen irre, wahnwitzig und gefährlich, dass man einfach nur staunend auf die in der Ausstellung gezeigten Videos schaut. Was man auch sehr gut sieht, ist die Entwicklung der Automobile von den anfänglichen, kutschenartigen Gefährten über diverse Experimentalphasen hin zu der heute üblicehn Bauweise. Kurz: Diese Sammlung werden auch Leute, die sich sonst nicht für Autos interessieren, begeistert verlassen. Und Leute, die sich für Autos interessieren, werden wohl erst Abends gewaltsam vom Sicherheitsdienst aus der Halle getragen werden müssen.

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Mehr Rennwagen, als man an einem Tag wirklich würdigen kann.

Zum Schluss noch eine Warnung an Besucher: Es ist natürlich nicht erlaubt, selbst mit den Autos herumzufahren. Und die etwas verschämt in einer Ecke stehenden Videospielautomaten mit Klassikern wie Sega Rally sind von einer krakelenden Horde Kinder belagert. Und der Museumsshop verpasst die Gelegenheit, einem die passenden Computerspiele zu verkaufen. Wer sich nach Moulhouse aufmacht, sollte sich daher vorsorglich ein paar Tage im Voraus schon die passenden Spiele besorgen. Ich empfehle GT Legends oder das sehr alte Grand Prix Legends. Ansonsten sitzt man Abends zuhause, der Bleifuß juckt und kratzen hilft nichts.

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Paul Arzens Œuf von 1942

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Ebenfalls von Arzens: La Baleine

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Formen, die begeistern!

(Moulhouse bietet übrigens neben dem Automuseum auch noch ein thematisch passendes Eisenbahnmuseum und passende Kombitickets an. Die Innenstadt ist recht häßlich und wenig lohnenswert, dafür darf man sich in Ottmarsheim die dem Aachener Dom nachempfundene Abteikirche anschauen. Oder man besucht die wirklich beeindruckend-verstörenden Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges auf dem Hartmannsweilerkopf)

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