Historiker in Streitlaune

Historiker sind im Kern ein friedliches Völkchen. Man übt sich eher im Understatement, wissenschaftliche Differenzen werden meistens mit fußnotengesättigten Aufsätzen oder Rezensionen in Fachzeitschriften ausgefochten und das Ganze dreht sich meistens um kleinere Details in kleineren Subdisziplinen. Die Zeiten der großen ideologischen Keilereien schienen vorbei zu sein, aber in letzter Zeit scheinen wir Historiker die Streitlust wieder zu entdecken. Oder es ist etwas im Trinkwasser.

Die Debatte um die Rolle des Auswärtigen Amtes im Dritten Reich brodelt ja schon seit Jahren und findet jetzt in der Auseinandersetzung um das Buch “Das Amt und die Vergangenheit” von Frei, Hayes, Zimmermann und Conze immer neue Höhepunkt. Wer will, kann sich hier einen kleinen Überblick schaffen.

Aber auch das ist “nur” der Streit um die Rolle eines einzigen Ministeriums, auch wenn natürlich sensible Bereiche des Umgangs mit dem Nationalsozialismus, der Kontinuität in die Bundesrepublik und dem Selbstverständnis einer ganzen Generation berührt werden. Da kann man wunderbar drüber streiten.

Und weil das Ganze so viel Spaß macht, geht die Keilerei gleich weiter. Diesmal legt Christian Staas, Chefredakteur von ZEIT Geschichte, die Messlatte richtig hoch. In einer lesenswerten Kritik attackiert er den Leiter des Erlangener Zentrums für Angewandte Geschichte (ZAG), Gregor Schöllgen. Dieser hat sich zum Ziel gesetzt, Geschichte zu kapitalisieren, sprich kommerziell mit Gewinnabsicht Unternehmensgeschichte zu schreiben, finanziert von den untersuchten Unternehmen.

Dieses Vorgehen ist natürlich schon im Kern sehr kritisch – die beauftragenden Unternehmen sind meistens an zwei Dingen interessiert: Zum einen geht es um die Erforschung und Aufarbeitung ihrer Rolle im Dritten Reich und zum anderen sollen Biographien der Firmengründer verfasst werden. Hier droht natürlich die Gefahr eines pseudowissenschaftlichen Persilscheines und derartige Biographien missraten gerne zu reinen Hagiographien.

Mehr schreibe ich jetzt nicht dazu, der Artikel von Staas ist eine derartig umfassend und böse geschriebene Attacke, dass er nicht zusammengefasst, sondern im Ganzen gelesen werden sollte.

Bonusmaterial: Das ZAG nimmt den Artikel zur Kenntnis, zitiert auf seiner Internetseite aber mehr als verfälschend. Auf eine weitergehende Reaktion bin ich weiterhin gespannt.

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