Es gibt Bücher, die so dermaßen bescheuerte Titel und Konzepte haben, dass man einfach nicht an ihnen vorbei gehen kann ohne sie zu kaufen. So ging es mir bei diesem Meisterwerk der Kalter Krieg-Propaganda: “What to do when the russians come. A survivor’s guide” von Robert Conquest und Jon Manchip White glänzt schon durch das Cover, das Buch selbst enthält aber noch deutlich mehr Wahnsinn: Die Autoren gehen davon aus, dass es eine realistische Chance gibt, dass die Sowjetunion irgendwann Mitte der 80er Jahre (das Buch stammt von 1984) die Vereinigten Staaten erobern könnte ohne dass die gesamte Welt ein radioaktiv verseuchtes Ödland wird:
“It is widely accepted that the United States now faces a real possibility of succumbing to the power of an alien egime unless the right policies are pursued.”
Wenn das der Ronald Reagan wüsste! Das Buch will den armen bedrohten Amerikanern helfen, sich auf das schlimmste vorzubereiten. Ausgehend von der historischen Erfahrung anderer Länder, die von der Roten Armee erobert wurden (Mitteleuropa nach dem Zweiten Weltkrieg, Afghanistan 1979 etc.) versuchen die Autoren den bedrohten Bewohnern aus gods own country eine Anleitung zu geben, wie sie ihre Überlebenschancen verbessern können:
“It’s [aim] is to show the American citizen clearly and factually what the results of this possible Soviet domination could be and how it would affect him or her personally; and second, to give some serious advice on how to survive. How can you, the individual American citizen, expect your personal record to be treated by the new masters? What kind of existence, under Soviet domination, can you look forward to? Will there be any possibility of protest, resistance, and revolt; and what forms might they take? This book offers you insights into what it will be like and advice as to survival behavior in the far-from-impossible event that this is what the future holds in store.”
Die Autoren versichern daraufhin glaubwürdig, dass sie kein “worst case”-Szenario erstellt haben und legen dann richtig los: Der Durchschnittsamerikaner bekommt natürlich die volle Ladung sowjetischen Lebensstil ab: Er verarmt, wird enteignet, Familien werden zerrissen, die Religion bekämpft, die Kinder werden in der Schule indoktriniert und dazu aufgefordert, ihre Eltern zu bespitzeln und zu verpetzen, die vormals reichlich gefüllten Läden werden nur noch wenige Nahrungsmittel führen und die Menschen müssen auch für diese Schlange stehen. Natürlich tritt das nur ein, wenn der Patriot nicht eh sofort in Arbeits- oder Umerziehungslager verschleppt wird oder von der Geheimpolizei gefoltert wird. Zum Glück gibt das Buch auch gleich Tipps, wie man diese Verhöre übersteht (“try to use names of people you know are dead or have escaped the country or otherwise dissappeared. In addition you may be able to involve Communists or other Quislings.”). Auch bei den Arbeitslagern steht bereits fest, wo die Russen sie errichten werden. Richtig – natürlich in den kanadischen Uranminen, wo denn sonst? Ach ja, in Grönland und der Antarktis. Gut, dass die Autoren auch hier wertvolle Tipps bieten: “when you are in prison or in the camp, it is vital not to miss any opportunity to eat.” Gut, dass ich dieses Buch gekauft habe, darauf wäre ich niemals gekommen.
Das wirkliche Highlight des Buches ist aber Kapitel 4, in dem je nach Beruf aufgezählt wird, was passieren wird. Neben normalen Berufen wie Autohändler (“Out of business”), gibt es noch so großartige Klassen wie “Chinese American” (“automatically suspect”) Alkoholiker (tragischerweise sinkt die Qualität des Alkohols!), Anarchisten (“You will be shot”), Kommunist (“Your immediate future is bright”), Krimineller (“continuous opportunities”), oder Verräter (“There will, of course, be many high posts available throughout the police, governmental, and economic machinery for any reasonably qualified traitors”). Wir Akademiker müssen uns natürlich auf eine schnelle Umerziehung inkl. veränderter Lehrpläne einstellen. Aber auch Friseure, Aktienbroker, Schwarze,
Der Leser hat es sicherlich bemerkt: Dieses Buch kann man 27 Jahre nach seinem Erscheinen einfach nicht mehr ernst nehmen. Alleine schon die Grundüberlegung ist dermaßen absurd, dass man sich das Grinsen einfach nicht verkneifen kann und dieser ernste Tonfall, den die Autoren anschlagen, ist einfach zum Brüllen komisch. Dieses Alarmistische kombiniert mit absoluter Ernsthaftigkeit ist im Rückblick einfach nicht ernst zu nehmen – auch wenn es Mitte der 1980er Jahre anscheinend wirklich entsprechende Ängste in den USA gab. So weidet etwa der Kinofilm Red Dawn dieses Szenario genüsslich aus (und natürlich schlägt eine Gruppe Highschool-Schüler die russische Invasion nieder). Die völlig überzogene Gefahr einer russischen Invasion diente so als Legitimation für das gewaltige Rüstungsprogramm der Reagan-Regierung. Und wenn man mit so einem Buch etwas Angst verbreiten kann, verkauft sich das SDI-Programm gleich deutlich besser.
Die Autoren sind übrigens keine dahergelaufenen Wirrköpfe: John Manchip White, der Mann mit dem großartigen Namen, ist ein durchaus anerkannter Autor und Fernsehproduzent. Robert Conquest ist einer der wohl bekanntesten Osteuropa-Historiker, der mit seinem Buch “Der große Terror” eines der immer noch aktuellen Standardwerke zu Stalins Säuberungen schrieb. Die beiden gehören zwar in sehr konservativen Kreise, eine derart plumpe Panikmache gehört aber eigentlich nicht zu den Aufgaben von Intellektuellen. Aber vielleicht zeigt uns gerade das, wie Angst im Kalten Krieg funktionierte.