Steven Spielberg hat neben vielen großartigen (und vielen fürchterlichen) Filmen zwei Sachen für die Wissenschaft geleistet: Seine Verdienste um die Erinnerung an den Holocaust sind nicht hoch genug zu hängen – Schindlers Liste hat ihn noch mal und eindrucksvoll bildgewaltig in das kollektive Gedächtnis der Menschheit gebracht und Spielberg engagiert sich auch im Rahmen seines Shoa-Projektes darum, möglichst viele Zeitzeugenstimmen von Holocaustüberlebenden zu sammeln. Und dann hat er fast im Alleingang nur zusammen mit Harrison Ford eine kleine akademische Disziplin nicht nur über Nacht von ihrem staubigen Image befreit und Tausende junge Menschen motiviert, Archäologe zu werden. Eine bessere Imagekampagne als die Indiana Jones-Filme kann sich wohl keine Disziplin wünschen.
Jetzt hat Spielberg mit Falling Skies eine Serie gedreht, in der eine kleine Schar von Menschen nach einer verheerend-emmerichskösen Alieninvasion ums nackte Überleben kämpfen. In der Hauptrolle, ganz vorne an der Front, kämpft Tom Mason. Tom ist Historiker. Und zwar keiner dieser Feld-, Wald- und Wiesenhistoriker, die sich seit dem cultural turn mit so ziemlich allem beschäftigen, sondern ein Militärhistoriker der alten Schule. Tom weiß, wie die Griechen die Perser bei Marathon besiegt haben. Tom ist als patriotischer Amerikaner natürlich bestens über die amerikanische Revolution und den Unabhängigkeitskrieg informiert.
Und Tom könnte auch die Schlacht bei Gettysburg oder die an der Somme nachträglich gewinnen. Tom nervt seine Begleiter des Archetyps “coole US-Soldaten” mit ständigen historischen Vergleichen und Analogien. Tom weiß, wie man die Alienfeste knacken könnte, weil es im Ersten Weltkrieg auch mit einem Tunnel und viel Sprengstoff gegen die mächtigen Bunker der Gegner klappte. Tom weiß was.
Dabei ist Tom alles andere als der weltfremde, bücherfressende Wissenschaftler. Mit seinem leicht ungepflegt, aber dann doch irgendwie gepflegten Auftreten besetzt er genau die Nische zwischen zukünftigem u-asta-Vorstand und Keanu Reeves.
Die Mischung aus Keanu Reeves und u-asta-Vorstand: Tom Mason
Er ist nicht nur hochgebildet, sondern kann auch den bösen Aliens kräftig in den Hintern treten. Der Militärhistoriker kennt zudem natürlich perfekt alle möglichen Strategien und Taktiken. Tom fragt den Banditenführer, der ihn gefangen nimmt, nach einem kühlen Bier. Dazu ist Tom natürlich auch ein herzensguter Mensch, der sich rührend und fürsorglich um seinen kleinen Sohn kümmert und sich nach Kräften bemüht, ihm das Grauen der Alieninvasion erträglicher zu machen. Spielberg kann einfach nicht ohne nervige Kinder auskommen. Seinem älteren Sohn ist Tom hingegen der eher kumpelhafte Vater, der den jugendlichen Heißsporn im genau passenden Moment bremst. Neben all diesem bleibt Tom auch noch genügend Zeit, um mit der Medizinerin der Truppe zu flirten. Und falls dies noch nicht allzu viel des übermenschlichen Gutmenschentums war: Tom bringt es in der ersten Serienfolge als das Lager der Menschen vor den Aliens evakuiert werden muss nicht übers Herz, einen Stapel Bücher einfach so zurückzulassen und stopft sich nach reiflicher, in Großaufnahme gezeigter Überlegung noch eins in den Rucksack. Kurz: Tom ist der ideale Schwiegersohn und der perfekte Ehemann, der ohne Alieninvasion wohl jeden zweiten Tag mit Blumen nach Hause kommt und keinen Hochzeitstag vergisst.
Dabei weiß doch jeder, dass Historiker normalerweise im Anzug herumlaufen.
Und doch fehlt Tom einfach die wirkliche Coolness: Er ist einfach zu nett und zu gut, um einen glaubwürdigen Helden abzugeben. In all dem Chaos verliert er nie den kühlen Kopf, ist trotz allem immer gut gelaunt, und während alle um ihn herum verzweifelt sind, zieht er aus der Geschichte die Motivation, um weiterzukämpfen: Wenn die Amerikaner 1776 die Briten in die Flucht geschlagen haben, einfach indem sie den Krieg durch ständige Guerillataktiken für diese zu teuer und zu kostspielig machten, dann schaffen das die heutigen Amerikaner auch!
Den aktuelleren und vielleicht passenderen Afghanistan-Vergleich spart sich Spielberg an dieser Stelle übrigens, denn solche Untertöne sind nicht die seinen. Hier liegt auch der große Kritikpunkt an Falling Skies: Es ist doch genau den einen Tacken zu glattgebügelt. Der Hauptdarsteller ist zu viel in einem und hat zu wenig Kanten. Die Nebendarsteller dürfen nur ihre Klischeerolle spielen, aber eben nichts Eigenes hereinbringen: Da haben wir den jugendlichen Draufgänger, sein love-interest, das kluge, sensible Kind, den nach außen harten, aber doch irgendwie verständnisvollen Militär, die sich aufopfernde Medizinerin, den wortkargen, kampferprobten Asiaten und natürlich den schwarzen Soldaten mit dem schweren Maschinengewehr und den Patronengurten. Das ist zu vorhersehbar, zu bekannt und genau die typische Hollywood-Drehbuchschablone. Etwas mehr Individualität hätte der Serie gut getan. Vielleicht bin ich aber auch einfach von den großen HBO-Serien verdorben, die genau dies umsetzen.
Was bleibt? Tom Mason ist auf jeden Fall nicht der neue Indiana Jones und die paar tausend zusätzlichen Abiturienten vor den Toren der Universitäten sind Folge der Doppeljahrgänge und nicht von Falling Skies. Wenn sich das Bild vom Historiker als duften, kompetenten und netten Typen etabliert, soll es auch nicht unser Schaden sein. Wer die Zombieserie Walking Dead gerne gesehen hat, darf sich auch Falling Skies anschauen. Das Szenario ist ungefähr vergleichbar, der Stil auch und irgendwie unterhält die Serie dann doch. Und falls die Serie dann doch gerade einen kleinen Hänger hat, hilft die Vorstellung, dass statt Übermensch Tom einer unserer deutschen Historiker in seiner Rolle steckt. Bücher schreiben können wir in Freiburg, aber die Aliens würden uns schon in Gundelfingen bis auf den letzten Mann erledigen.
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