Happy Birthday, Marshall McLuhan!

Marshall McLuhan, der große Medientheoretiker, würde heute seinen 100. Geburtstag feiern. Seine Theorien sind mittlerweile in aller Munde und er gilt als einer der Propheten des Internets. Diese sind auch zu einleuchtend und scheinen auch perfekt auf unsere neue Medienwelt zu passen: McLuhan prägte den Begriff des Globalen Dorfes, McLuhan sprach von der Gutenberg Galaxis, McLuhan sprach von Medien als “Extensions of Man” und McLuhan verkündete, dass das Medium selbst und nicht sein Inhalt die Botschaft sei.

mcluhan 
CC-BY-NC 2.0 bingbing

Gerne wird McLuhan daher als einer der Visionäre des Internets gedeutet, als einer, der schon sehr früh in den 1960ern die revolutionären Veränderungen vorhersagte und gleichzeitig eine passende Interpretation mitlieferte. Die Gefahr dabei ist, dass man nur Versatzstücke von McLuhans Theorien rezipiert, einzelne Bruchstücke aus dem gewaltigen Steinbruch seiner Werke herausbricht und den Rest, das Unbequeme und falsch Verstandene vernachlässigt. McLuhan wird so häufig zitiert und auf seine drei oder vier Schlagwörter reduziert, so dass man sich wirklich manchmal wünscht, dass sich diese Szene aus Woody Allens Stadtneurotiker wirklich abspielt:

Gerade die Aktualisierung von McLuhan ist extrem schwierig. Zum einen Übergeht sie mehrere Jahrzehnte Forschung, die sich natürlich auch an McLuhan abgearbeitet hat. So hat etwa die Geschichtswissenschaft gezeigt, dass McLuhans Thesen zu den Folgen des Buchdruckes so nicht zutreffen. Zum anderen sagt McLuhan kaum etwas über Computer. Seine Computer sind die Rechenzentren der 1960er, nicht die Bastlergeräte der späten 1970er, nicht die Heimcomputer der 1980er, die PCs der 1990er und schon gar nicht die Laptops, iPhones oder Tablets unserer Zeit. Weiterhin vertrat er auch einige recht krude Theorien. Eine Gehirn-Computer-Verknüpfung als eine Neuinterpretation des mystischen Leibes Jesu Christi klingt plötzlich nicht mehr so sexy wie die des Globalen Dorfes:

PLAYBOY: Are you talking about global telepathy?

MCLUHAN: Precisely. Already, computers offer the potential of instantaneous translation of any code or language into any other code or language. If a data feedback is possible through the computer, why not a feed-forward of thought whereby a world consciousness links into a world computer? Via the computer, we could logically proceed from translating languages to bypassing them entirely in favor of an integral cosmic unconsciousness somewhat similar to the collective unconscious envisioned by Bergson. The computer thus holds out the promise of a technologically engendered state of universal understanding and unity, a state of absorption in the logos that could knit mankind into one family and create a perpetuity of collective harmony and peace. This is the real use of the computer, not to expedite marketing or solve technical problems but to speed the process of discovery and orchestrate terrestrial–and eventually galactic–environments and energies. Psychic communal integration, made possible at last by the electronic media, could create the universality of consciousness foreseen by Dante when he predicted that men would continue as no more than broken fragments until they were unified into an inclusive consciousness. In a Christian sense, this is merely a new interpretation of the mystical body of Christ; and Christ, after all, is the ultimate extension of man.

McLuhan war zudem auch kein Prophet: Markus Hündgen beschreibt ihn völlig treffend als Konservativen, der das, was ihn bekümmerte möglichst genau verstehen und beschreiben wollte. Wer an diesem doch etwas versifften Donnerstagabend nichts besseres vor hat, der darf gerne einen Streifzug durch McLuhans Welt beginnen.

Ich empfehle zum einen David Carrs Review in der New York Times zu Douglas Couplands Biographie “You know Nothing of My Work!”, welches McLuhans Werk und sein Leben beispielhaft verknüpft. Weiterhin darf man dieses Interview des Playboys mit McLuhan selbst aus dem Jahre 1969 lesen – nicht nur, um nachher damit prahlen zu können, dass man den Playboy doch wegen seiner Artikel liest. Und zum Schluss gibt es noch die feine Seite MarshallMcLuhanSpeaks.com, welche thematisch sortierte Reden, Vorträge und Interviews McLuhans anbietet. Damit werde ich auf jeden Fall heute ein paar Minuten verbringen.

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