Was ist eigentlich aus WikiWatch geworden?

Wir erinnern uns: Vor ein paar Wochen schlug die Affäre um das an der Uni Frankfurt/Oder angesiedelte Projekt WikiWatch und dessen Leiter Wolfgang Stock hohe Wellen. Den Betreibern wurde zuerst von der Wikipedia-Community vorgeworfen, unter diversen Pseudonymen gezielt Artikel zu manipulieren. Die Betroffenen wurden gesperrt und die Anschuldigungen in einem massiven PDF gesammelt.

Unter genauer Beobachtung: WikiWatch (CC-BY-SA 3.0, Deutsche Fotothek)

Dann mischten sich die regulären Medien ein: Zuerst veröffentlichte Jörg Wittkewitz einen Artikel in der FAZ, in welchem die Vorwürfe noch einmal verschärft wurden. Stock erreichte mit einer einstweiligen Anordnung, dass der Artikel wieder depubliziert werden musste und löste so völlig vorhersehbar einen Streisand-Effekt aus.

Aber was ist davon geblieben? Was bewirkt ein Proteststurm im Internet?
Zuerst muss man feststellen, dass das Interesse an WikiWatch praktisch zum Erliegen gekommen ist. Der Traffic, der hier über die entsprechenden Suchbegriffe ankommt, ist mittlerweile gleich null. Auf Twitter diskutiert keiner mehr, weitere Zeitungsartikel folgten auch nicht und auch kein Blogger schrieb etwas. Angesichts der fehlenden Neuigkeiten in diesem Fall ist das zwar nicht verwunderlich, aber trotzdem ernüchternd: Die Themen im deutschsprachigen Internet wechseln schnell und es findet sich kaum einer, der eine längere, tiefergehende Berichterstattung betreibt.
Weiterhin ist der FAZ-Artikel wieder aus dem Netz verschwunden, wohl wieder aufgrund einer Klage Stocks. Über diesen Stand der Auseinandersetzungen ist aber nichts bekannt, wir wissen nicht, was die umstrittenen Punkte sind. So verteidigte sich Stock gegen die erste Version des Artikels mit der Feststellung, dass WikiWatch die Artikelqualität der Wikipedia nicht mit sechs, sondern mit fünf Sternen bewerten würde; der Artikel sei also offensichtlich falsch. Zu den Vorwürfen des Pharmalobbyings äußerte er sich damals nicht. Was also die strittigen Punkte zwischen Stock und der FAZ genau sind, wissen wir nicht. Es kann etwas banales, nebensächliches sein oder ein zentraler Punkt. Denkbar wäre auch die Frage, wer die strittigen Edits von Stocks Rechnern tätigte: Er sprach von Familienmitgliedern und einem „Hausfreund“, welche aus persönlichem Interesse die Insulin-Artikel bearbeitet hätten. Hier besteht natürlich für die FAZ das zentrale Problem, dass sie nicht beweisen kann, was bei Stocks in der Wohnung genau passiert. Murdoch könnte das vielleicht ;)
Interessant ist auch ein anderer Aspekt: In der Wikipedia sind die fraglichen Artikel zu Wolfgang Stock und die Dokumentation der Edits ständigen Veränderungsversuchen von IPs ausgesetzt. Da stellt eine IP mal einen Löschantrag, weil es sich ja um persönliche Angriffe handele oder auf der Diskussionsseite des (natürlich gesperrten) Artikels zu Stock tauchen diverse IPs auf, die diverse Formulierungen falsch finden oder die erneute Depublizierung des FAZ-Artikels zum Anlass nehmen, gleich alle Vorwürfe für Nichtig zu erklären. Dabei darf man dann auch gleich einen Verweis zu den Hitler-Tagebüchern bemühen. Mir ist es völlig schleierhaft, welches Interesse diese Internetnutzer (z.T. mit amerikanischem Provider) an solchen Fragen haben. Die Wikipedia-User deuten diese Edits daher auch als gezielten Einflussversuch von ratet mal wem und lehnen entsprechende Anliegen konsequent ab.
Und WikiWatch? Deren Blog veröffentlicht weiterhin keine kritischen Kommentare und ging wieder zur Tagesordnung über. Mittlerweile erschienen einige Posts zu diversen Themen, auf die Vorwürfe wurde nicht reagiert und es wird fleißig prozessiert. Wenn dann nicht die Uni Frankfurt/Oder sich dazu entschließt, das Projekt dicht zu machen. Denn die wissenschaftliche Reputation ist trotz allem ruiniert – da hilft auch die fürsorgliche Unterstützung von mehreren anonymen IPs nichts mehr.

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