Der 1. Januar ist nicht nur der Tag, an dem halb Deutschland verzweifelt versucht sich zu erinnern, was es in der vorigen Nacht gemacht hat und die andere Hälfte des Landes sich über den Böllermüll auf den Straßen aufregt, sondern auch der Tag, an dem neue Werke in die Public Domain fallen. Das Urheberrecht eines Werkes erlischt nämlich nicht genau 70 Jahre nach dem Tod eines Autoren, sondern erst am darauf folgenden 1. Januar.
Dieses Jahr ist es mir eine persönliche Freude, dass die Werke von James Joyce ab sofort gemeinfrei sind. Nicht, weil ich ein großer Fan seiner Werke bin – ich habe sie alle nicht gelesen – sondern weil damit Stephen Joyce seine Machtposition verliert. Stephen Joyce bestimmte bis gestern über das Urheberrecht an den Werken seines Großvaters und nutzte dies gnadenlos aus. Er verbot es Wissenschaftlern, die sich mit dem Werk beschäftigten, ausführlich aus ihm zu zitieren – was die gesamte Angelegenheit natürlich deutlich schwerer macht. Er führte diverse Prozesse. Er klagte gegen eine Ausstellung von Manuskripten. Er verbrannte persönliche Briefe. Er stoppte fast fertige Projekte. Er drohte Autoren wissenschaftlicher Bücher. Und er verhält sich generell wie ein Elefant im Porzellanladen. Selbst Mikroben waren nicht vor ihm sicher.
Dieser Artikel aus dem New Yorker von 2006 über ihn gehört zu den für mich persönlich extrem prägenden Artikeln was meinen Standpunkt zum Urheberrecht betrifft. Es macht schon keinen Sinn, dass das Urheberrecht satte 70 Jahre nach dem Tod eines Autoren gilt. Es wurde ursprünglich eingeführt, um Autoren ein Leben von ihrer Kunst zu ermöglichen und so die Schaffung weiterer Werke zu begünstigen. Tote Autoren schreiben aber nunmal keine Zeile mehr. Wenn die Erben aber anfangen, dermaßen aggressiv mit ihrem Erbe umzugehen, dann sollte man wirklich über eine dramatische Verkürzung der Schutzzeiten nachdenken.
(Den im Artikel geschilderten Rechtsstreit hat Stephen Joyce übrigens verloren.)
Von daher freue ich mich heute besonders, dass dieser Mensch ab sofort keinem mehr verbieten kann, ausführlich aus dem Werk seines Großvaters zu zitieren. In der englischen Wikisource gibt es bereits einen Großteil davon online. Viel Spaß damit – und wer Lust und Interesse hat, darf sicherlich in den nächsten Monaten einen Blick in die entsprechenden Literaturwissenschafts-Zeitschriften werfen. Ich bin mir sicher, dass viele ihre spannenden Aufsätze in der letzten Zeit zurückgehalten haben, um sie jetzt zu publizieren.
Neben Joyce sind 1941 natürlich diverse andere Autoren gestorben. Eine kurze Liste findet sich hier, die ausführlichste führt natürlich wieder die Wikipedia.