Das Argument taucht in jeder Diskussion um Raubkopien, neue, digitale Geschäftsmodelle und das Ende der alten Verwertungslogik auf: Das Pferdeargument. Nach der Erfindung des Automobils hätten sich die bisherigen Transportunternehmer dem technischen Fortschritt anpassen müssen – eine Gesetzgebung, welche etwa Postkutschenbetreiber, Pferdeställe oder Pferdehändler vor den heute überall üblichen Autos geschützt hätte, würde uns heute einfach absurd erscheinen. Dabei gab es etwa Gesetze, die Geschwindigkeitsbegrenzungen einführten und in diversen Sammlungen von “lustigen Gesetzen aus den USA” taucht immer wieder das wunderbare Gesetz auf, nach dem ein Mann mit einer roten Fahne vor einem Automobil laufen muss, um andere Verkehrteilnehmer zu warnen. Je nach Quelle gilt dies nur, wenn eine Frau am Steuer sitzt.
Die Intention ist klar: Ein gesetzlicher Schutz von Haferproduzenten, Hufschmieden und Pferdezüchtern erscheint absurd. Ebenso soll die jetzige Verwertungsindustrie nicht durch Gesetze wie ACTA, SOPA & Co geschützt werden. Der technische Fortschritt erfordert dies und am Ende sind wir ohne Pferde doch schneller und bequemer unterwegs und die Straßen sind nicht voller Pferdeäpfel.
Dieser Vergleich hinkt natürlich. Interessanter und vielleicht vergleichbarer ist der Übergang vom Stummfilm zum Tonfilm. Stummfilme werden heute – wenn sie überhaupt geschaut werden – wirklich ohne Tonuntermalung geschaut, dabei saßen damals Musiker in den Kino, welche die Filme musikalisch begleiteten. Und dann kam der Tonfilm mit fertigen Tonspuren und bedrohte das Einkommen der Künstler.
Daher starteten diverse Initiativen Kampagnen, welche diese Entwicklung aufhalten sollten. Das wunderbare Blog Paleofuture hat jetzt die Werbekampagne der American Federation of Musicians ausgegraben, welche alleine in ihrer Bildsprache beeindruckend ist.
Abgesehen davon, dass ich jetzt auch so einen bösen Musikroboter haben will: Die Betonung von Authentizität, von wahrer Kunst gegen “canned music” kommt einem erstaunlich bekannt vor. Heute sind es die Indie- und Alternativeszenen, die vielen semiprofessionellen Hobbymusiker im Internet, die authentischen Musikgenuss versprechen. Die kleinen Bands, welche auf kleinen Bühnen vor einem kleinen Publikum spielen und “echte Musik” machen. Der Gegensatz dazu sind die großen Castingstars, die Boybands, One Hit Wonder und sonstigen Produkte der Musikindustrie, die aus reinem Profitinteresse zusammengestellt werden, um möglichst massenkompatible Musik zu machen. Wenn jemand das Schild “Canned Music in Theatres” durch “Musikindustrie” ersetzt, dann hat er das perfekte Protestplakat für die nächste Anti-ACTA-Demo.
Entsprechende Kampagnen gab es übrigens nicht nur in den USA. Auch in Deutschland wurde gegen den Tonfilm argumentiert und auch hier wurde versucht, das Publikum auf seine Seite zu ziehen: