60 Jahre BILD – Grund zum Feiern?

Pflasterstein mit Anstecker „Enteignet Springer“, 1969, Sammlung Kindheit und Jugend (Stiftung Stadtmuseum Berlin), Wallstraße, Berlin-Mitte (gemeinfrei, Andreas Praefcke)

Der Axel Springer Verlag feierte heute das 60jährige Jubiläum der BILD-Zeitung mit einer großen Aktion: An fast alle Haushalte Deutschlands wurde ein Gratis-Exemplar verschickt, nur 250.000 BILD-Gegner hatten vorher in einer Internetaktion widersprochen.
Mit 60 ist die BILD jetzt fünf Jahre vom gesetzlichen Renteneintrittsalter entfernt. Schaut man sich die Auflagenentwicklung an, dann scheinen die guten Zeiten für Springers Flaggschiff vorbei zu sein – die große Gratisaktion ist natürlich auch beste Eigenwerbung.

Der typische Artikel über die Geschichte der BILD-Zeitung ist erstaunlich stereotyp. Zuerst geht man auf die Gründung der Zeitung ein und beschreibt die erste Ausgabe. Dann schwadroniert man über die Person Axel Springer und erwähnt seine innige Beziehung zu Israel, die sich auch in den Verlagsstatuten widerfindet. Man darf auch gerne erwähnen, dass die Springerzeitungen „DDR“ immer in Anführungszeichen gesetzt haben, um dem zweiten deutschen Staat keine Anerkennung zukommen zu lassen. Springers Reise 1958 nach Moskau darf ebenfalls nicht fehlen. Dann unternimmt man einen Sprung in die 1960er und thematisiert die Berichterstattung der BILD und anderer Springerzeitungen über die Studentenproteste. Links eingestellte Personen dürfen diese gerne als „Hetze“ beschreiben. Dann folgen der 2. Juni 1967, das Attentat auf Rudi Dutschke („BILD schoss mit“) und die darauf folgenden Proteste („Enteignet Springer“). Nun folgt häufig ein großer Sprung: Günter Wallraff betritt 1977 als Hans Esser verkleidet die Redaktionsräumer der Zeitung und sorgt für den wohl größten Skandal in ihrer Geschichte.

Jetzt ist der Artikel fast fertig und wir überspringen einfach mal die 1980er und 1990er Jahre. Die interessieren ja eh keinen. Abgerundet wird der Artikel mit ein paar Schlagzeilen. „Wir sind Papst“ ist beliebt, kreative Köpfe nehmen aber lieber „UFO-Sekte will Hitler klonen“ oder „Nachfahren der Kannibalen: Sorry, wir haben Ihren Ururgroßvater verspeist.“ Ganz wagemutige Autoren dürfen auch gerne noch das Bildblog erwähnen oder ein paar Zitate des redseligen Chefredakteurs einbauen und schon ist der klassische Artikel über die BILD fertig.

Das ist irgendwie unbefriedigend, was aber auch daran liegt, dass die Geschichte der BILD eine riesige Lücke in der Zeitgeschichtsschreibung darstellt. Als nicht abonnierbares Blatt, welches nicht auf Microfiche-Archiv verfügbar ist und auch kein digitales Archiv betreibt. So ist es hier an der Ex-Exellenzuniversität Freiburg kaum möglich die BILD sinnvoll zu erforschen. Ausnahme ist das Medienarchiv68, welches vom Springer-Verlag ins Leben gerufen wurde, um die Kontroversen um die Berichterstattung 1967/68 zu entkräften. Hier gibt es auf jeden Fall noch viel zu tun und entsprechend schwer ist die Bilanz zum 60. Geburtstag.

So schlimm alle Kampagnen, alle Persönlichkeitsrechtsverletzungen und alle Schmierenkampagnen sind: Es könnte deutlich schlimmer sein. Schaut man ins Ausland, dann sieht man, wie gut wir es hier in Deutschland mit der BILD haben. Hier gibt es im Prinzip außer einigen regionalen Boulevardblättern nur die BILD und selbst die hat mittlerweile nur noch eine Auflage von 2,65 Millionen Exemplaren. In Großbritannien herrscht hingegen ein brutaler Wettbewerb zwischen den verschiedenen Schmierblättern, was zu einer noch heftigeren Berichterstattung und einer Verrohung der Sitten führt. So etwas wie Murdochs Abhörskandal ist in Deutschland in den Ausmaßen wohl nicht denkbar. In Österreich agitiert die Kronen-Zeitung deutlich heftiger, schrieb die FPÖ hoch und greift gezielt in die Politik ein. Von Medienmogulen wie dem Fox News-Eigner Rupert Murdoch oder gar Silvio Berlusconi sind wir verschont geblieben. Springer hat nie den Fernsehmarkt erobern können und die BILD-Redaktion hat sich immer zur Demokratie bekannt und eben keine rechtspopulistischen Bewegungen hochgeschrieben wie die Boulevardblätter anderswo. Daher ein vielleicht etwas zu versöhnliches Fazit: 60 Jahre BILD – Es hätte schlimmer kommen können.

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2 Antworten zu 60 Jahre BILD – Grund zum Feiern?

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