Die Wikipedia im Jahr 2015–das Athena Project

Die Wikipedia steckt jetzt schon seit einer Weile in einer kleinen Krise. Die Zahl der Autoren schrumpft, gerade die deutsche Community streitet sich viel zu gerne und viele Wikimedia-Projekte wie etwa Wikibooks, Wikinews oder Wikiversity sind praktisch gescheitert. Dort tummeln sich nur wenige Nutzer und nur wenige Inhalte entstanden.
Gleichzeitig wurde die technische Weiterentwicklung lange Zeit vernachlässigt. Abgesehen von einigen kleinen Verbesserungen hat sich die Wikipedia seit ihrer Gründung 2001 nur wenig entwickelt. Immer  noch Mediawiki, immer noch die komplizierte Wikisyntax, immer noch diese chaotischen, unübersichtlichen Diskussionsseiten, immer noch fehlende Benachrichtigungsoptionen und es gibt immer noch zu viele Hacks und externe Tools, die eigentlich in die Hauptsoftware gehören.
Während die Wikipedia also zu den ersten und immer noch erfolgreichsten Vertretern des Mitmachwebs gehört, haben sie andere Anbieter mittlerweile überholt. Woanders ist das Mitmachen einfacher, woanders gibt es weniger Regeln, woanders gibt es mehr Anerkennung. Der Software fehlen simpelste Features – so ist etwa schon länger bekannt, dass man Leute mit einfachsten Dingen wie etwa einem Beitragszähler, einem “Gefällt mir”-Button oder sonstigen Dingen motivieren kann. In der Wikipedia verpuffen Beiträge recht schnell und ohne Feedback. Der gut recherchierte, mit Quellen belegte Artikel, der mehrere Arbeitsstunden gebraucht hat, steht dann online, aber Lob gibt es selten. Viel wahrscheinlicher ist im aktuellen Klima leider dann ein Löschantrag wegen fehlender Relevanz, ein Editwar um sinnlose Details oder sonstige unangenehme Dinge. Entsprechend sinkt die Anzahl der aktiven Nutzer und in der englischen Wikipedia sinkt auch die Anzahl der Admins deutlich. Dazu kommt noch ein zweites Problem: Viele Artikel sind bereits auf einem Niveau, bei dem der normale Nutzer nur noch wenig beitragen kann. Selbst bei Themen, die ich als Geschichtsstudent ausführlich etwa per Hausarbeit, Vorlesung oder Seminar studiert habe, gibt es häufig nur wenig hinzuzufügen. Die ausbaufähigen Artikel über kleine afrikanische Städte sind dann auch nicht so spannend, dass man sich damit in der Freizeit beschäftigt.

Am zweiten Problem kann man wenig ändern, das erste ist allerdings hausgemacht: Die Software ist doch sehr gemeinschaftsfeindlich. Das soll sich jetzt ändern. Auf der aktuellen Wikimania hat Brandon Harris, der einigen von den Spendenbannern bekannt sein dürfte, die geplanten technischen Verbesserungen vorgestellt. So soll etwa das Layout der Artikel etwas hübscher werden, indem etwa ein spezielles Coverbild hinzugefügt werden kann:

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Weiterhin soll es globale Benachrichtigungen geben, wie es jede andere Internetseite schon seit Jahren hinkriegt. Der Button erinnert nicht zuletzt an die bekannten Facebook-Benachrichtigungen. Weiterhin bekommen Nutzer anscheinend Avatare, was ihnen ein menschlicheres Gesicht geben könnte und u. U. das Betriebsklima verbessern könnte.

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Damit sollen auch die alten Benutzerdiskussionsseiten verschwinden und mit “Flow” einem “structured user-to-user messaging system” weichen. Das sieht doch schon eher nach einem halbwegs vernünftigen Kommunikationssystem aus!

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Dazu soll noch ein globales Profil kommen, welches die vielen Benutzerseiten auf den verschiedenen Wikis ersetzt. Ich habe etwa Benutzerseiten auf der deutschen Wikipedia, der englischen und den Commons. Außerdem werden automatisch welche angelegt, wenn ich eine weitere fremdsprachige Wikipedia besuche, auch wenn ich dortige Kommunikation niemals mitkriege. Die Nutzerseiten sollen auch halbwegs einfach zu gestalten sein und auch halbwegs ordentlich aussehen.

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Weiterhin soll das komplette Userinterface umgekrempelt und in die drei Teilbereiche “Reading”, „Editing” und “Curating” gesplittet werden. Dabei kommen anscheinend einige Bearbeitungswerkzeuge und Bausteine, die man sonst erst mühsam suchen muss, direkt in das Nutzerinterface. So zeigt etwa dieses Bild eine vereinfachte Tagging-Funktion, bei der man nicht irgendwelche {{obskuren-Tags}} in den Wikitext einfügen muss.

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Der Haken an der Sache? Die Änderungen sollen erst im Jahr 2015 umgesetzt werden. Da wollte ich eigentlich schon mit meinem fliegenden Auto auf dem Mond außer Kontrolle geratene Zylonen bekämpfen. Ebenfalls fehlt ein konsequenter Vorstoß in den Bereich des mobilen Editierens. Smartphones und Tablets werden wichtiger werden und es fehlt noch eine Variante, wie die mobilen User in den Editprozess eingebunden werden könnten. So könnten sie sicherlich mit der richtigen Software problemlos etwa zum Bebildern eingesetzt werden – wer sich mobil einen Artikel ohne Bild anschaut, könnte etwa gefragt werden, ob er nicht eins machen will.

(Alle Bilder stammen aus der Präsentation “The Athena Project: Wikipedia in 2015” von Brandon Harris, CC Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

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9 Antworten zu Die Wikipedia im Jahr 2015–das Athena Project

  1. @MschFr sagt:

    Gebloggt: Die Wikipedia im Jahr 2015 – das Athena Project http://t.co/9gQu12Wy #wikipedia

  2. @hamster44 sagt:

    Aus „Schmalenstroer.net“ Die Wikipedia im Jahr 2015–das Athena Project http://t.co/u1RrAUev

  3. @pavel sagt:

    Da scheine ich ja eine Session verpasst zu haben RT @AchimRaschka Wikipedia 2015? -> http://t.co/loFAWAht

  4. Matthiasb sagt:

    Wenn das kommt, bin ich aus Wikipedia raus.

    • admin sagt:

      Darf ich fragen, warum du die Wikipedia dann verlassen würdest? Im Kern kommen ja keine revolutionären Features, sondern bestehendes wird vereinfacht. Und das alte Layout wird wohl zuschaltbar bleiben.

      • Neitram sagt:

        Genau das ist der Punkt: die Änderungen umfassen mehr als was ein bloßer Skin kann. Mit Athena wird, so wie ich es verstehe, das bisherige Grundprinzip von Mediawiki verlassen, dass alle Kommunikation genauso wie die Artikelerstellung auf Wiki-Seiten stattfindet. Das kann man gut finden oder auch nicht. Die bisherige Bedienung kann jedenfalls kaum erhalten bleiben, wenn Athena umgesetzt wird. Athena ist mehr als ein Skin, es ist ein riesiger Eingriff in die Mediawiki-Software (weshalb Brandon auch realistisch 3 Jahre Entwicklungszeit veranschlagt hat).

        Mit der Intention der „Vereinfachung für die Benutzer“ hat man übrigens schon oft Dinge verkompliziert — wie jeder weiß, der schon mal über (irgendwelche) Softwareupdates geflucht hat.

        • Matthiasb sagt:

          Mit einem facebookähnlichen Outfit kommen wir noch häufiger in die Situation, daß in einem Artikel alles schon gesagt wurde, nur noch nicht vor allem. Diese Social-Media-Look kann letztendlich zu nur noch mehr Getrolle und zu nur noch mehr Geschwätzt und zu nur noch weniger Qualität führen.

          Wikipedia ist eine Enzyklopädie (oder der Versuch zu so etwas) und kein Facebook-Ersatz. Was Wikipedia (eigentlich MediaWiki) braucht, ist endlich eine vernünftige Referenzierungsfunktion und keine Spielereien. Die haben wir mit Kätzchenbildverteilungsfunktion und dem umpfzehnten Versuch eines Feedbackfeatures bereits zur Genüge erlebt.

  5. Marcus Cyron sagt:

    Kleine Korrektur: es wird zwar andauernd behauptet und an diversen Stellen kolportiert – aber die Autorenzahl geht nicht zurück. Das mag leicht in der englischsprachigen Version zutreffen, nicht aber für das gesamte Projekt. Die deutschsprachige Wikipedia stagniert seit Jahren. Es gibt anders als früher kein Autorenwachstum mehr. Das ist alles andere als gut. Aber eben kein Rückgang.

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