Aus der taz vom 31.3.1983:
Dieser Leserbrief ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: „Laßt hunderttausend Objektive blinken“ denkt das 2006 von Steve Mann entwickelte Konzept der Sousveillance vor. Diese „Unterwachung“ von staatlichem Handeln durch tausende Einzelpersonen ist mit Digitalkameras und Smartphones mittlerweile allgegenwärtig. Es gibt mittlerweile wohl kaum eine Demonstration mehr, auf der kritische Situationen nicht umfangreich sowohl von Polizei als auch von Teilnehmern gefilmt werden. Mittlerweile wird staatliches Handeln global von den BürgerInnen beobachtet und Mißverhalten fleißig per Internet verbreitet. Wir können sogar – wie etwa im Arabischen Frühling oder im syrischen Bürgerkrieg – menschenrechtswidriges Verhalten quasi live mitverfolgen.
Der andere Punkt ist der Hinweis auf Datensparsamkeit – wenn ein Leserbrief mit einem derartig harmlosen Inhalt plötzlich als Indiz in einem Strafverfahren auftaucht, ist eine vorige Anonymisierung wichtig. Gerade digitale Daten wirken oft harmlos, haben aber unvorhergesehene Konsequenzen, wenn sie einmal ausgewertet werden. §3a des Bundesdatenschutzgesetzes fordert daher „so wenig personenbezogene Daten wie möglich zu erheben, zu verarbeiten oder zu nutzen. Insbesondere sind personenbezogene Daten zu anonymisieren oder zu pseudonymisieren, soweit dies nach dem Verwendungszweck möglich ist und keinen im Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck unverhältnismäßigen Aufwand erfordert.“ Es gibt wohl nur wenige Gesetze, die so sehr mit Füßen getreten werden. Gerade im Digitalen wird ja gespeichert, was sich speichern lässt. Je mehr Daten, desto besser. Der Nutzer wird v.a. von Werbenetzwerken umfassend ausspioniert.
Oder wie es der Leserbriefschreiber formuliert: „Nicht daß die Staatsgewalt die Wahrheit ohne Computer nicht wüßte, aber die Maschine erleichtert ihnen die Arbeit ungemein.“ Ein zu wenig diskutiertes Problem des NSA-Skandals ist ja gerade der gesetzlich festgezurrte Zugriff staatlicher Stellen auf die massenhaft von privaten Unternehmen gespeicherten Daten. Gäbe es diese nicht in diesem Umfang, würde auch die gesamte Überwachungsmaschinerie deutlich schwerfälliger laufen.
Ich habe für mein Blog daher ein Plugin gesucht, welches die Kommentare nach einer gewissen Zeit anonymisiert. Hier kommentieren viele Nutzer unter ihren Klarnamen und WordPress bietet ihnen standardmäßig etwa nicht an, ihre Kommentare später wieder zu löschen. Wenn also ein „Peter Müller“ hier unter seinem Klarnamen etwas schreibt, was er später nicht mehr im Internet per Google auffindbar lesen will, muss er mir eine Mail schreiben. Bei vielen Kommentaren in vielen verschiedenen Blogs kann dies sehr viel Arbeit bedeuten und in einigen Fällen auch unmöglich sein. Das erstaunliche ist, dass ich kein derartiges Plugin gefunden habe. Wer eins kennt, soll sich melden. Ich installiere es dann sofort. In der Zwischenzeit dürft ihr hier auch gerne mit Nicknamen kommentieren.
RT @MschFr: Gebloggt: Ein alter Leserbrief http://t.co/s3M9N0tuxO #blogwerbung
Das ist allerdings eine Bevormundung, die ebenfalls fragwürdig ist. Wenn ich mit meinem vollen Namen unterschreibe, weiß ich doch, was ich tue und möchte meine Meinungsäußerung auch mit meinem Namen verbunden wissen. Es geht ja durchaus auch mit Nickname. Was tatsächlich überhaupt nicht notwendig ist, ewig gespeichert zu bleiben, sind IP-Adressen, genaues Datum und genaue Uhrzeit des Kommentars (das sollte z. B. auch in Projekten wie der Wikipedia nach wenigen Tagen gelöscht werden, was natürlich nicht passiert).
Ein alter Leserbrief http://t.co/bNIhPUDdKS
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