Um 70 v.Chr. sank vor der griechischen Insel Antikythera ein Frachtschiff, voll beladen mit Luxusgütern für das aufstrebende Rom. Das römische Reich war durch zahlreiche Eroberungszüge im wahrsten Sinne des Wortes reich geworden. Sklaven, Beute, Handelswaren, Luxusgüter, alle Handelswege führten plötzlich nach Rom. Dessen Oberschicht gierte nach Luxusgütern, Kunstgegenständen, Statuen und Schriften aus dem Osten, aus Griechenland, Kleinasien oder Persien – und sie konnte es sich leisten.
Berühmt geworden ist das gesunkende Schiff aber nicht wegen seiner geladenen Statuen, sondern wegen des Mechanismus von Antikythera. Dieses so unscheinbare Gerät, dieser Klumpen aus verrostetem Metall hat uns gezwungen, unser Bild über die technischen Möglichkeiten der Antike grundliegend zu verändern. Es ist einer dieser Gegenstände, die irgendwie aus der Zeit gefallen sind. Sonst kennen wir aus der Antike keine Gegenstände, die mit Zahnrädern dermaßen komplexe Berechnungen des Himmelsstandes durchführen können. (siehe auch: Berliner Goldhut)
![von No machine-readable author provided. Marsyas assumed (based on copyright claims). [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html), CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) oder CC BY 2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.5)], via Wikimedia Commons](https://schmalenstroer.net/blog/wp-content/uploads/2016/01/672px-NAMA_Machine_dAnticythère_11.jpg)
Marsyas CC-BY-SA-3.0
Das Antikenmuseum Basel zeigt noch bis zum 27.3.2016 die Ausstellung „Der versunkene Schatz. Das Schiffswrack von Antikythera.“ Sie zeigt Fundstücke aus dem Wrack und versucht den Spagat gleichzeitig den Luxus der römischen Oberschicht, antike Seefahrt und natürlich den weltberühmten Mechanismus selbst darstellen zu wollen. Das gelingt ihr leider nur teilweise.
Das erste Problem ist, dass man über das Wrack erstaunlich wenig weiß. Seit seiner Entdeckung im Jahre 1900 gab es nur wenige Expeditionen zu ihm und auch als der Mechanismus entschlüsselt wurde, gab es erstmal keine weiteren Tauchgänge. Erst seit 2014 wird wieder getaucht. Die aktuellen Funde und Ergebnisse sind aber noch nicht in Basel zu sehen. Entsprechend verweilt die Ausstellung im Konjunktiv – ein Behälter aus dem Wrack könnte zur persönlichen Ausstattung der Besatzung gehört haben oder Handelsgut gewesen sein. Wenn weitere entsprechende Behälter gefunden werden, wäre dies ein klares Zeichen für Handelsware. Momentan weiß man es aber nicht, wie so vieles über dieses Schiff.
Die Funde selbst reichen von absolut unspektakulär (Hey! Amphoren!) bis absolut begeisternd (Dieser Philosophenkopf!) Viele Ausstellungsstücke sind aber auch einfach nur… kaputt. Zerschellt am Meeresboden, zersetzt und zerstört von über 2000 Jahren Salzwasser und Meerestieren. Fragmente. Hier mal eine Hand, da mal zwei linke Füße verschiedener Statuen, dann mal ein völlig zerfressener Torso. Ich bin mir nicht sicher, ob dieses Wrack ohne die Bekanntheit des Mechanismus eine eigene Sonderausstellung bekommen hätte.
Denn seien wir mal ehrlich: Eigentlich zieht uns dieser mysteriöse „Computer der Antike“ ins Museum, dieses scheinbar aus der Zeit gefallene Artefakt voller Zahnräder, voller Technik und HighTech, die man so den Griechen und Römern so nicht zugetraut hätte. Dieses Gerät, das uns gezwungen hat, die Antike mit neuen Augen zu sehen. Hier ist die Ausstellung erschreckend schlecht.
Der Mechanismus selbst ist nicht im Original zu sehen. Er ist zu fragil, um aus Athen transportiert zu werden. Er ist aber auch nicht als Nachbildung zu sehen, so wie man ihn von Fotos kennt. Zu sehen sind einige moderne Rekonstruktionen von einer Version als Armbanduhr bis hin zu verschiedenen Varianten in Originalgröße. Alle haben aber den Nachteil, dass der Mechanismus so nicht haptisch zu erfahren und zu begreifen ist. Man kann die Rekonstruktionen in der Vitrine begutachten, aber dadurch lernt man nichts über die Funktionsweise oder die Anwendung.
Diese Funktion soll ein Film in der Mitte des Raumes übernehmen. Leider kann er es nicht – er ist mit ca. 7 Minuten einfach zu kurz um wirklich in die Tiefe zu gehen. Aber da die Schweiz natürlich mehrsprachig ist, läuft er auf Deutsch, Englisch und Französisch. Abgesehen davon, dass Italienisch als weitere Landessprache nicht auftaucht, dauert es halt eine Weile, bis der Film in der passenden Sprache startet. Wer etwa nur Deutsch oder nur Französisch kann, muss im Schlimmsten Fall 15 Minuten warten, bis der Film in einer verständlichen Sprache startet. Auch sonst ist er nicht besonders tiefgreifend. Das Filmchen gibt es auch auf YouTube, wo man es sich in Ruhe anschauen kann ohne sich mit anderen Besuchern vor einem Bildschirm zu drängeln.
Wenn man den Mechanismus von Antikythera verstehen will, darf man leider nicht ins Museum gehen. Nach Lektüre des Wikipedia-Artikels ist man klüger als nach Besuch der Ausstellung. Hewlett-Packard (!) hat HighRes-Fotos des Mechanismus online, die auch irgendwie in der Ausstellung interessant zu sehen gewesen wären. Und wer will, kann online auch mit Simulationen herumspielen.
Sowas hätte auch der Ausstellung gut getan – warum nicht ein Bildschirm mit Touchscreen, auf dem man die Fragmente in HighRes begutachten kann? Und ein Modell, mit dem man experimentieren kann? Es muss ja kein echtes, teures sein, aber ein virtuelles Modell hätte der Ausstellung gut getan. So bleibt am Ende einfach das Gefühl, dass eine Chance vertan wurde.
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