Wie man ein Drogenkartell leitet

Vom Tellerwäscher zum Millionär soll es ja so manch einer gebracht haben, aber es gibt nur wenige Geschichten, in denen jemand vom Geisteswissenschaftler zum Millionär wird. Zeit also für einen anderen Job. Ich habe daher  Narconomics – How to run a drug cartel von Tom Wainwright gelesen.

Wainwright war beim Economist als Mexiko-Korrespondent beschäftigt, als in Mexiko die Konflikte zwischen den Drogenkartellen besonders heftig tobten. Auf dem Höhepunkt der Gewalt starben in Mexiko mehr Menschen als parallel im Irak während des zweiten Golfkrieges. Schießereien, spektakuläre Massenmorde, Einschüchterung und Angst bestimmten das Klima und selbst der mexikanische Staat wurde durch die enorm finanzstarken Kartelle herausgefordert. Es ist leicht, den Polizisten vor Ort zu bestechen oder einzuschüchtern, wenn man praktisch unbegrenzte Mengen an Dollar besitzt.

Auch als Wirtschaftsjournalist konnte er sich diesem Thema nicht verschließen und so entstand dieses Buch, das die Geschäfte mit den Drogen aus einer ökonomischen Sicht in den Blick nimmt und versucht, die Ökonomie des Kampfes gegen die Drogen zu untersuchen.

Dies hat z.B. auch Roberto Saviano in seinem großartigen Buch Gomorrha ähnlich gemacht, in dem er die unglaublichen Profite und Wertsteigerungen des Drogenhandels und -schmuggels anschaulich darstellte. Wainwright treibt dies jetzt etwas auf die Spitze und macht das höchst unterhaltsam.

Er startet bei den Produzenten des Kokains, den eher ärmeren Bauern in den Anden und arbeitet heraus, dass alle Versuche, den Fluss der Drogen durch die Störung des Anbaus scheitern müssen. Zum einen fehlt es im Andenraum an wirklichen Alternativen zum Koka-Anbau. Die Bauern landen so trotz aller Bekämpfungsversuche immer wieder bei dieser Pflanze, weil sie ihre Familien ernähren wollen. Zum anderen verhielten sich die Kartelle hier wie der US-Supermarktriese Walmart, der seine Lieferanten auch möglichst ausquetscht und sie auf steigenden Kosten sitzen lässt. Zudem sind die Gewinnmargen im Drogengeschäft so hoch, dass auch stark gestiegene Koka-Preise sich nur geringfügig auf die Endpreise auswirken.

In einem weiteren, launigen Kapitel beschreibt er die Probleme der Kartelle in der Personalbeschaffung – denn fähiges Personal ist auch für ein Drogenkartell nur schwer zu finden. Hier versteckt sich sogar eine Beobachtung, die wohl einiges über den kapitalistischen Umgang mit den „Human Resources“ aussagt: In den Industrieländern fällt es den Kartellen schwer, fähiges Personal zu finden. Denn immerhin gibt es andere Erwerbsmöglichkeiten für Leute mit etwas Grips im Schädel und Drogenhandel ist ein Beruf mit hohem Risiko, irgendwann im Knast zu landen. Entsprechend ist ein Job etwa als Drogenkurier nicht sonderlich attraktiv. In ärmeren Ländern sieht dies schon wieder anders aus: Dort gibt es aufgrund mangelnder Alternativen jede Menge potenzieller Bewerber. Aus diesen Gründen ist der Umgang mit den „Mitarbeitern“ ein völlig anderer: Wainwright schildert den Fall eines europäischen Drogenkurieres, der aus eigener Unfähigkeit eine größere Menge an Drogen verschlampt und trotzdem eine zweite Chance bekommt und kontrastiert dies mit den brutalen Gepflogenheiten in Lateinamerika.

Solche manchmal sehr überraschenden Erkenntnisse machen das Buch zu einer erhellenden Lektüre. Durch die Konzentration auf das Geschäft und den Vergleich zu normalen Firmen schafft es Wainwright, einen neuen Blick auf das Geschäft mit den Drogen zu werfen. Nur eines lernt man in diesem Buch nicht: Ein Drogenkartell wird keiner der Leser mit den Informationen aus dem Buch starten können.

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4 Antworten zu Wie man ein Drogenkartell leitet

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