Luftdaten selbst messen

Es ist eine der Sachen, die wirklich verwundern: Kaum geht es um Fahrverbote wegen schlechter Luft, tauchen zahlreiche Leute auf, die lautstark behaupten, dass Autoabgase gesund sein oder wenigstens überhaupt nicht schädlich. Das ist natürlich arg verwunderlich – man merkt es eigentlich sofort, wenn einem LKWs, Busse und PKWs ihre Abgase direkt in die Lungen drücken. Sicherlich sind die einzelnen Autos weniger dreckig geworden als sie es mal waren – Kunststück, bis vor wenigen Jahrzehnten sind sie ja noch ohne sonderliche Abgasreinigung, Kat und mit verbleitem Benzin gefahren – aber dafür gibt es heute mehr Autos als jemals zuvor, die auch noch weitere Strecken fahren.

Mittlerweile sind Städte dazu verpflichtet, die Luftqualität zu überprüfen und sie müssen bei Überschreitung der Grenzwerte Maßnahmen Einleiten. Tun sie das nicht, klagt mit sehr großer Wahrscheinlichkeit die Deutsche Umwelthilfe, bekommt Recht und das Gericht verhängt ein Dieselfahrverbot. Dann regen sich alle furchtbar auf.

Das Problem: Keine Stadt betreibt flächendeckende Messstationen, sondern jeweils nur ein paar. Und was nützt es mir persönlich, wenn ich weiß, dass die Luft an der Hauptverkehrsstraße auf der anderen Seite der Stadt schlecht ist und die Luft im Stadtpark, der 6 Kilometer entfernt liegt, gut ist? Ich will ja ganz egoistisch wissen, wie sehr ich selbst in meiner Wohnung betroffen bin. Warum also nicht einfach mal was basteln?

Mit dem Luftdaten.info Projekt des OK Labs Stuttgart kann man einfach selbst die Feinstaubwerte messen und der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Die dafür benötigte Hardware kostet ca. 30€ und ist an einem Abend problemlos zusammengebaut. Das ist wirklich einfach: Im Prinzip schließt man das Gerät per USB an seinen PC an, startet eine Software und drückt ein paar Knöpfe. Dann steckt man ein paar Kabel an die passenden Pins und packt alles in ein Gehäuse. Man muss nicht löten und auch nichts programmieren.

Die genaue Einkaufsliste gibt es hier zusammen mit der Bauanleitung.

Sieht wild und kompliziert aus, sind aber nur zwei mit Kabeln verbundene Bauteile

Der Sensor schickt seine Daten direkt an die Luftdaten-Seite, welche sie auf einer Karte öffentlich zur Verfügung stellt. So kann man die Luftqualität in verschiedenen Stadtteilen oder Gegenden vergleichen und trägt seinen Teil dazu bei die Luftqualität deutschland- und weltweit im Auge zu behalten. Das ist höchst interessant: Man kann sehen, wie sich die Luftqualität zwischen Stadt und Land unterscheidet, wie bestimmte Regionen mehr belastet sind als andere und man kann auch genau beobachten, wie Regen den Feinstaub aus der Luft wäscht. Da die meisten Nutzer auch einen Temperatur- und Luftfeuchtigkeitssensor verbaut haben, kann man auch schön sehen, wie Innenstädte im Sommer deutlich heißer sind als die ländliche Umgebung. Es ist auch erschreckend zu sehen, wie katastrophal die Luftqualität in weiten Teilen Asiens ist. Alles in allem also ein großartiges Citizen Science-Projekt, das ich nur empfehlen kann.

Die fertige Box steht jetzt auf der Fensterbank

Wer jetzt etwas genauer aufgepasst hat, wird es bemerkt haben: Der Sensor misst Feinstaub, in der Dieseldebatte geht es aber um Stickoxide. Stickoxid-Messungen sind mit dem selbstgebauten Sensor leider nicht möglich – die Hardware dafür ist deutlich zu teuer. Bastler, die an entsprechenden Sensoren arbeiten, schätzen, dass man ca. 500€ für die entsprechende Hardware ausgeben müsste und Profi-Geräte sind noch teurer. Aber: Feinstaub ist ebenfalls ein enormes Gesundheitsproblem und ist kaum von den Stickoxiden zu trennen. Die Konzentration auf Fahrverbote für Diesel ist zu knapp gedacht, denn auch Benziner und Elektroautos produzieren Feinstaub, der ebenfalls schädlich ist und dessen Grenzwerte in vielen Städten überschritten werden. Für den Hausgebrauch kann man davon ausgehen, dass Feinstaub- und Stickoxidbelastung in Gebieten mit viel Straßenverkehr zusammenhängen. Wer in der Nähe anderer großer Feinstaubquellen (Landwirtschaft, Industrieanlagen, Wüsten, Waldbrände, Asbestminen, Vulkane, Helmut Schmidts alte Wohnung) wohnt, muss das Problem anders angehen. Und klar: Wer den Sensor auf seinen Balkon hängt und dort fleißig eine nach der anderen raucht, bekommt auch keine sinnvollen Daten. Raucher müssen sich aber eh keine Sorgen um die Feinstaubbelastung der Umgebung machen, da Zigaretten eh deutlich schädlicher sind als alles, was die Umgebung so produziert.

Meine frisch eingeweihte Feinstaub-Messstation findet Ihr hier , bei OpenSenseMap und in der Feinstaub App. Vielleicht kommt ja bald auch noch eine auf eurem Balkon hinzu.

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