Beginn einer unregelmäßigen Serie von Blogbeiträgen über Bücher, die ich kürzlich gelesen habe.
Andrew Blums „The Weather Machine – A journey inside the forecast“ untersucht die Hintergründe unserer Wetterberichte. Das Buch startet aus der Geschichte heraus und erzählt, wie es überhaupt zu unserem heutigen System der Wetterbeobachtung kam. Von den ersten Ideen, dass das Wetter überhaupt nicht nur zu beobachten ist, sondern auch vorhersagbar und berechenbar ist.
Es ist atemberaubend, mit welchem Aufwand die Wetterbeobachtung betrieben wird. Es gibt zigtausende Messstationen – auch an den entlegensten Punkten der Welt. Diese messen Temperatur, Luftdruck, Luftfeuchtigkeit, Helligkeit, Windstärke und so weiter und so fort. Manche Stationen bestehen seit über 100 Jahren, manche werden noch von echten Menschen bemannt und betreut, manche funktionieren vollautomatisch. Beobachtungsflugzeuge und Wetterballons messen in den oberen Luftschichten und zahlreiche Satelliten umkreisen die Erde oder sitzen in einem geostationären Orbit. Das ist ein gigantischer Aufwand, der nur durch internationale Kooperation möglich ist.
Die Meterologie ist nämlich einer dieser Bereiche wie das Weltpostwesen oder die Telefonie, in denen seit dem 19. Jahrhundert eine Internationale Organisation für die nötige Zusammenarbeit sorgt. Bereits damals wurde bewusst ein international standardisiertes System geschaffen, um den Austausch und die Vergleichbarkeit von Messwerten sicherzustellen. Nur durch die Kooperation und den Austausch kann ein weltweiter Wetterbereicht funktionieren – denn Wetter ist länderübergreifend und zur Vorhersage müssen die Messwerte aus verschiedenen Ländern kombiniert werden. Denn Wetter ist – Achtung, Binsenweißheit – grenzüberschreitend. Hier im Breisgau kommt der Regen praktisch immer aus Frankreich herübergezogen. Ohne Messstationen in Frankreich ist eine Regenvorhersage daher nicht möglich. Kooperation und Austausch sind Pflicht.
Daher haben auch internationale Krisen und Kriege sofort Auswirkungen: Schon im amerikanischen Bürgerkrieg führte die Unterbrechung der Telegraphenleitungen zwischen Nord- und Südstaaten dazu, dass auch keine Wetterbeobachtungen mehr ausgetauscht wurden. Der Wetterbericht hat natürlich auch militärische Bedeutung: Je genauer das Wetter bekannt ist und je ungenauer der Gegner informiert ist, desto besser. Es hat einen Grund, warum der einzige Vorstoß deutscher Truppen nach Kanada im Zweiten Weltkrieg ein geheimer U-Boot-Einsatz zur Errichtung einer geheimen Wetterstation war. Ein Wettersatellit kann Wolken beobachten – aber er sieht natürlich auch andere Dinge aus dem Orbit. So haben viele meterologische Werkzeuge auch eine Dual Use-Struktur: Ein Satellit, der die Bodenfeuchtigkeit misst, ist hilfreich für den Wetterbericht, für die Landwirtschaft und zum Dürremonitoring, aber die Kenntnis der Bodenfeuchtigkeit ist aber auch sehr hilfreich, damit die eigene Panzeroffensive nicht im Schlamm stecken bleibt.
Aus den gesammelten Messdaten wird ein Wettermodell erstellt. Zigtausende Messstationen und Satelliten liefern die Rohdaten, welche dann zuerst genutzt werden, um das aktuelle Wetter weltweit möglichst genau im Computermodell darzustellen. Erst dann ergibt sich die Möglichkeit, die Wetterentwicklung in die Zukunft fortzuschreiben. Um diese höchst komplexe Wissenschaft ins völlig banale zu zerren: Ich muss wissen, wo gerade eine Wolke ist und wie viel Wind dort gerade in welche Richtung weht, um vorhersagen zu können, wo diese Wolke hinzieht. Laut Buch ist das Euro-Modell der europäischen ECMWF aktuell der weltweite Goldstandard und das beste Modell. Wenn ihr also auf einer Wetterseite irgendwo euer Modell auswählen könnt, dann nehmt dieses.Das tolle an diesen Modellen ist, dass sie sich stetig verbessern. Stimmt die Vorhersage nicht mit dem eingetroffenen Wetter überein, schimpft der Wutbürger über die Wetterfritze. Der Meterologe kann aber im Rückblick untersuchen, warum die Vorhersage nicht stimmt und sein Modell entsprechend nachbessern. Jeden Tag. Auf diese Weise sind die Vorhersagen in den letzten Jahrzehnten erstaunlich genau geworden – nicht nur für den aktuellen Tag, sondern v.a. in der Genauigkeit für die weitere Zukunft.
Außerdem stehen uns dank Internet sehr genaue Wetterdaten zur Verfügung. Früher hatte man nur die Wettervorhersage in der Lokalzeitung, im Radio, Fernsehen oder Videotext. Die Auflösung war auch gering – die Wettersymbole in der Tagesschau sind größer als einige Bundesländer. Heute bekommt man eine ortsspezifische Wettervorhersage und kann sich per Regenradar anschauen, wo die Wolken und der Regen gerade genau herziehen und wo die Blitze einschlagen. Wir kriegen eine Pollenflugvorhersage, die aktuelle Sonneneinstrahlung, Regenwahrscheinlichkeit, Die schiere Menge an Daten, die uns im Internet und per App zur Verfügung stehen, ist der Wahnsinn. Ein Blick auf Ventusky zeigt sehr eindrücklich, wie umfangreich unsere Wetterdaten sind.
The Weather Machine ist also ein interessantes Buch, das auch nicht allzu umfangreich ist und nicht zu tief in den Fachjargon der Meterologen eintaucht. Wer es liest, wird kein Wettermodell aufstellen können und auch nicht besser einschätzen können, ob es morgen regnen wird. Aber man versteht besser, wie Wettervorhersagen entstehen – und das ist ein guter Einstieg in das Thema.
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