Fridolin Freudenfett und warum Lustige Taschenbücher nicht immer lustig sind

Die FAZ bringt einen Artikel darüber (gleicher Autor, gleiches Thema, keine Paywall im Standard), dass der Egmont-Verlag in der Lustige Taschenbücher Classic-Edition einige Übersetzungen geändert hat. Der Autor Achim Hölter ergießt sich lang und breit darüber, dass der Charakter Fridolin Freudenfett jetzt Fridolin Fröhlich heißt. Und dann folgt halt die alte Leier über Zensur, Political Correctness, Cancel Culture und alle sonstigen Totschlagargumente, mit denen Konservative alle Diskussionen totschlagen. Leider führen wir aktuell von konservativer Seite aus keine Debatten, sondern leider nur Scheingefechte. Man kann natürlich darüber streiten, ob der Name „Fridolin Freudenfett“ für einen dicken Menschen angebracht ist oder nicht. Wenn es nur das wäre – die Comics sind natürlich ein Kind ihrer Zeit und die Zeiten verändern sich natürlich. Ein Gag, der in den 60ern noch ok war, kann heute grob daneben liegen und natürlich birgt daher eine Neuauflage älterer Werke immer die Gefahr, dass sie halt den Zeitgeist nicht mehr treffen. Werte verändern sich, auch wenn die WerteUnion dies nicht verstehen will. Die älteren LTBs enthalten so einige Klopper, die man heutzutage so nicht mehr Kindern vorsetzen sollte. Ich habe einen Großteil der älteren LTB gelesen und sie sind nicht mehr wirklich kindgerecht. Warum?

Gewalt

In der Welt der LTBs ist Gewalt ein Mittel zur Lösung. Es ist nicht nur Onkel Dagobert, der Bittsteller mit einem ausgeklügelten System an Fallen aus seinem Büro befördert. Donald Duck selbst wendet ständig körperliche Gewalt gegenüber seinen Neffen an. Die körperliche Züchtigung wird als Normalfall und logische Konsequenz des Verhaltens der Neffen dargestellt – damals war das normal, aber zum Glück ist Gewalt gegenüber Kindern mittlerweile untersagt. Wenn die Kleinen jetzt über alte LTBs lernen, dass elterliche Züchtigung etwas Normales ist, dann haben sie etwas falsches gelernt.

Das gilt auch generell für allgemeine Gewaltanwendung: In diversen Stories tauchen Grobiane auf, die zwar als unsympathisch dargestellt werden, die aber ohne Konsequenzen einfach ihre Mitmenschen verprügeln. Auch in der faszinierend dysfunktionalen Familie Duck haut Donald nicht nur seine Neffen, sondern wird auch in wirklich jedem LTB mehrfach von seinem Onkel verdroschen. Das gehört natürlich irgendwie dazu und ich will mich auch nicht darüber beschweren, dass Asterix sich einen Spaß draus macht, die Römer zu vermöbeln, aber dieser Wert ist nur noch bei der WerteUnion anschlussfähig.

Frauenbild

Auch das Frauenbild lässt arg zu wünschen übrig: Daisy Duck und Minni Maus emanzipieren sich zwar stark in den neueren Ausgaben, werden dann aber extrem dominant und haben ihre Männer völlig unter dem Pantoffel. Eine wirkliche Beziehung auf Augenhöhe führt in Entenhausen keiner – und keine Figur zeigt dies besser als Gitta Gans. Die unglücklich in Dagobert Duck verliebte Gans versucht alles, um dessen Liebe zu erwecken und scheitert dabei natürlich in jeder Geschichte seit 1967. Auch Gitta entwickelt sich: Die älteren Geschichten spielen meist aus Sicht von Onkel Dagobert, der von einer furchtbaren Schreckschraube terrorisiert wird. Erst nach und nach gewinnt Gitta etwas an Profil und eigenständigem Charakter jenseits der verschmähten Liebhaberin. Das mag ein beziehungs- und liebeserfahrener Erwachsener anders lesen als ein Kind, aber Gitta ist kein Vorbild, das man seiner Tochter mitgeben möchte.

Ausländer

Die LTBs sind voll mit problematischen Darstellungen außereuropäischer Kulturen. Regelmäßig tauchen etwa Kannibalen auf, welche die Hauptcharaktere fressen oder in Vulkane werfen wollen. Das ist übrigens kein Phänomenen aus längst vergangenen Zeiten – noch LTB 372 aus dem Jahr 2008 enthält Eingeborene, welche sich nur mit Grunzlauten verständigen, eine primitive Religion pflegen und Donald Duck und Gustav Gans in einen Vulkan werfen wollen. Ich habe nicht alle neueren LTBs gelesen, aber es würde mich nicht wundern, wenn entsprechende Topoi auch dort auftauchen würden. Ein Verlag steht hier bei Neuauflagen vor dem gewaltigen Problem, dass es natürlich mittlerweile extrem problematisch ist, solche Darstellungen zu drucken. Wenn sie in den alten LTB vom Flohmarkt enthalten sind, dann kann man sich nicht beschweren. Aber als Neuauflage in 2021?

Sonstiges

Diese Darstellung könnte man noch fast ewig weiterführen – Gerd Strohmeiers APuZ-Beitrag zur Politik bei Benjamin Blümchen und Bibi Bocksberg wird zwar auch 15 Jahre nach Erscheinen gerne belächelt, hat aber einen wahren Kern, der auch für die Disney-Comics gilt. Politik und Polizei kommen schlecht weg. Der Bürgermeister ist gerne einfach mal ein dickes Schwein, die Bürokratie ist unfähig, Steuereintreiber werden als raffgierige Geier dargestellt und von Dagobert Duck ernsthaft mit Reichsbürgermethoden bekämpft, indem er einen eigenen Staat gründet (LTB 737 Flucht nach Duckland). Die Polizei bekommt nichts auf die Kette und wäre ohne Privatdetektiv Micky Maus oder Superheld Phantomias den Panzerknackern hilflos ausgeliefert. Die LTBs sind natürlich grundsätzlich satirisch ausgelegt, aber

Die Änderungen des Egmont Ehepa-Verlages erscheinen zudem etwas inkonsequent: Es ist ja sicherlich nicht verkehrt, dass man kein Bodyshaming betreiben will und daher den Namen „Fridolin Freudenfett“ für eine dicke Person ändert. Aber wenn die Person halt als dickes, tolpatschiges und unsportliches Schwein gezeichnet wird, dann hilft es auch nicht einfach nur den Namen zu ändern. Genau wie es wie man oben im eingebetteten Tweet sieht auch nur so mittel hilfreich ist, wenn man einfach nur die schlimmsten rassistischen Panels aus einer Story entfernt, die halt einfach nur so trieft vor rassistischen Klischees.

Die einzige Antwort kann dann eigentlich nur sein, die entsprechenden Stories einfach nicht mehr neu zu verlegen. Es gibt genügend Comics und auch zigtausend Seiten modernere Lustige Taschenbücher und sonstige Disney-Comics. Egmont Ehepa hat hier das gigantische Problem, dass Carl Barks natürlich einer der Kultautoren ist, dessen Werk von Donaldisten verehrt wird wie wohl kaum ein anderes. Auch die Übersetzung von Erika Fuchs wird glühend verehrt und eine Neuübersetzung ist bei der Fanbase dann schwierig. Und eine Neuauflage der Carl Barks-Comics als LTB Classic Edition ist natürlich ein sicheres Ding. Das verkauft sich.

Und ist Fridolin Freudenfetts „Schlachtung“ (so die FAZ) jetzt eine Ausgeburt einer verachtenswerten Political Correctness? Mitnichten. Es zeigt aber schön auf, wie Agendasetting funktioniert: Statt über die oben aufgeführten problematischen Elemente der Comics zu reden, wird hier einfach nur ein Randaspekt problematisiert. Damit kann man natürlich wunderbar Stimmung gegen diese ominöse „Political Correctness“ machen, denn natürlich ist diese Umbenennung nicht sehr sinnvoll. Damit hat man dann die Debatte geprägt und Onkel Heinz hat mal wieder was, um sich Abends beim Bier aufzuregen. Die wirklich interessante Debatte um die Inhalte in den Lustigen Taschenbüchern wird leider nicht geführt – und da geht es ja darum, die Inhalte kritisch zu reflektieren. Man muss seine Sammlung nicht verbrennen, man darf sie weiter lesen, aber man darf dann auch überlegen, welche Inhalte alte LTB an Kinder vermitteln können, wenn man als Eltern das nicht entsprechend begleitet.

Dieser Beitrag wurde unter Bücher veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.