Das Werkzeug fehlt

Der Kapitalismus ist nicht in der Lage zwischen sinnvollen und völlig schwachsinnigen Anwendungen zu unterscheiden. Das fällt besonders in der Klimakrise auf: Hier gibt es noch die Ressourcen, die aber nicht verwendet werden sollten. Das Erdöl ist da, aber wenn wir es alles verfeuern, dann haben wir demnächst ein gigantisches Problem.

Uns fehlen einfach die Werkzeuge, um die sinnlose Nutzungen zu unterbinden und daher hauen wir mit stumpfen Knüppeln drauf und treffen im Zweifelsfall die Falschen.

Eine Benzinpreiserhöhung trifft alle – sowohl den Autoposer, der Freitagnacht hunderte Kilometer zu schnell mit seiner getunten Karre durch die Gegend fährt als auch die Krankenschwester, die aus dem Dorf ohne gute ÖPNV-Anbindung zur Arbeit muss. Sie trifft Menschen, die mit dem Auto 500 Meter zum Bäcker fahren und sie trifft den Menschen in der Fernbeziehung, der einfach nicht den Arsch zum Umzug hochbekommt.

Eine CO2-Steuer auf Flüge trifft sowohl den lange ersehnten und seltenen Familienbesuch in der alten Heimat als auch die B-Jugend des SV Oer-Erkenschwick 09, die nach Malle fliegen, um sich dort richtig die Kante zu geben. Sie trifft den Business-Kasper, der jedes Jahr zig Mal um die Welt fliegt, um dann in einem muffigen Meetingraum PowerPoint-Folien zu zeigen und sie trifft die Familie, die nach langen Corona-Monaten mal wieder urlauben will.

Eine Steuer auf Strom, Gas oder Heizöl trifft die arme Familie im Mietshaus mit den undichten Fenstern und sie trifft das Vorstadtviertel mit den klimatisierten Pools. Sie trifft den Geringverdiener und sie trifft das Business-Viertel, in dem auch nachts die Lichter in den leeren Büros brennen. Sie trifft Hartmut, der im Keller noch kistenweise 100W-Glühbirnen bunktert, weil LEDs ja ein so schlechtes Licht produzieren und sie trifft den Menschen, der sich eigentlich Mühe gibt, dessen Vermieter den Nachtspeicherofen aber nicht austauschen will.

Das hat soziale Härten: Während es am unteren Ende finanziell eng wird, kann am anderen Ende weiter sinnlos geprasst werden. Wer es sich leisten kann, der kann auch weiterhin sinnlos verschwenden und konsumieren. Was juckt es den Milliardenkonzern, wenn nachts die Lichter im Büro brennen und das im Jahr 4000€ kostet? Warum sollte ein Unternehmen nicht den Außendienst zum Sales Pitch zu diesem wichtigen Kunden nach Kuala Lumpur fliegen auch wenn es jetzt 700€ extra kostet? Interessieren den Millionär die paar zusätzlichen Euro für die Pool-Klimatisierung dann wirklich so, wenn es im Sommer heiß ist? Und den Typen, der sich für seinen getunten Audi übermäßig verschuldet hat, weil dieser Teil seiner Identität ist, hält auch ein 16 Cent höherer Benzinpreis nicht vom Cruisen ab.

An diesem Punkt wird die Debatte dann giftig und gerät in Schieflage: Statt sich darauf zu einigen, dass einige Nutzungen überproportional Ressourcen verwenden, wird dann auf die Extreme gezeigt und wilde Strohmann-Argumente aufgeführt. Bestes Beispiel war das Argument während der Debatte um Dieselfahrverbote, dass dann ja auch die Feuerwehr mit ihren Dieselfahrzeugen nicht zum Brand fahren dürfe. Auch Plastik hat seine sinnvollen Einsatzzwecke und sollte nicht komplett verbannt werden, aber der Supermarkt muss jetzt nicht die Bananen in Plastik einschweißen.

Es wäre schon viel geholfen, wenn wir für den Start erstmal die schlimmsten Auswüchse der Energie- und Ressourcenverschwendung angehen. Aber das kann unser aktuelles System nicht, weil uns die Werkzeuge dafür fehlen. Verteuerung hilft nicht, wenn bestimmte Dinge auch für Geringverdiener noch möglich sein sollen, denn dieser Preis schreckt dann die Normal- und Gutverdiener nicht ab. Ein höherer Preis schreckt auch nicht ab, wenn der Konsum der entsprechenden Ware notwendig ist. Wenn die Nudeln im Supermarkt plötzlich 2€ kosten, müssen wir trotzdem essen. Gerade Mobilität ist in diesem Bereich sehr inflexibel – die Leute müssen zur Arbeit, völlig egal, was der Sprit oder das Busticket kostet und die Leute müssen ihre Wohnung heizen. Ein System, das die Beheizung der Wohnung ermöglicht ohne es gleichzeitig zu ermöglichen, dass Leute im tiefsten Winter den Außenwhirlpool heizen, ist aber nicht realistisch umzusetzen.

Was hilft? Leider gar nichts – in einer Demokratie ist es nicht umzusetzen, dass man den einfachen Leuten den Weg zur Arbeit oder liebgewonnene Freizeitaktivitäten unmöglich teuer macht während die Reichen sich diese gönnen können. Es ist auch nicht realistisch möglich ein individuelles Budget für bestimmte Aktivitäten aufzustellen. Jeder darf nur x mal im Jahr fliegen und y Kilometer Auto fahren, denn am Ende braucht man eine Gelbe Sack-Vorratsdatenspeicherung gegen in Plastik eingeschweißte Bananen. Und es ist anscheinend leider auch nicht möglich bestimmte umweltzerstörende Produkte und Verhaltensweisen einfach zu verbieten – zum einen führt man dann einen Kampf gegen Windmühlen und immer neuen Blödsinn, den sich irgendein Produktmanager ausgedacht hat. Dann verbietet man nach einem langjährigen Prozess Einwegbesteck aus Plastik und die Hersteller drucken stumpf „Mehrwegbesteck“ auf die gleiche Verpackung und kommen auf die Idee, dass es eine total tolle Idee wäre, Plastiksichtfenster in Brötchentüten einzubauen. Der Fußballverband lobbyiert fleißig auf höchster Ebene, weil seine Mitglieder für ein Schweinegeld bundesweit Grasflächen durch Plastikflächen ersetzt haben und diese jetzt wie bescheuert Mikroplastik in die Umwelt abgeben und zur größten Quelle von Plastikverschmutzung geworden sind. Statt dass es eine ganz klare Ansage gibt, dass eine derartige Umweltsauerei nicht geht und sofort einzustellen ist, werden jetzt auf Übergangsfristen gefordert. Als ob weitere 8 Jahre Plastikverschmutzung irgendwie akzeptabel wären.

Kombiniert man das mit einer Kultur, in der radikalisierte Konservative ständig von „Verbotsparteien“ und „Cancel Culture“ schreien, wenn es um entsprechende Maßnahmen geht und damit große Wahlerfolge feiern, dann sind wir im Eimer. Genau wie bei Corona, wo ein hartes Gegensteuern immer erst passiert ist, wenn die Welle schon richtig lief und nie frühzeitig als man sie mit leichten Maßnahmen hätte brechen können. Richten wir uns auf eine 2 Grad-oder-schlimmer-Zukunft ein – denn es wird unmöglich, dem Kapitalismus den Unterschied zwischen sinnvollen und verschwenderischen Handlungen beizubringen.

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