Wenn das Restaurant den Anwalt schickt

In diversen Foren häufen sich momentan die Nutzerbeiträge, in denen berichtet wird, dass sie von einer Anwaltskanzlei zum Löschen einer negativen Bewertung bei Google Maps & Co aufgefordert wurden. Was steckt dahinter?
Negative Bewertungen haben natürlich enorme Konsequenzen für ein Unternehmen – ein Hotel mit einer 2,4 Sterne-Bewertung auf Google Maps, Booking.com oder Yelp wird es schwieriger haben Gäste zu gewinnen als eins mit soliden 5 Sternen. Ein Restaurant, in dessen Bewertungen die Kunden nur so schäumen, weil es dreckig ist oder das Personal unverschämt, wird es auch nicht lange machen.
Und was macht man dann als Besitzer eines dreckigen Restaurants? Putzen? Nein, die Kunden verklagen! 
Es gibt mittlerweile einen ganzen Zoo an LegalTech-Startups und Anwaltskanzleien, die aus der Löschung negativer Bewertungen ein Geschäftsmodell gemacht haben. Die Masche ist simpel: Man verspricht den Bewerteten die Löschung und schickt dann Briefe an die Bewerter, in denen mit der gesamten Gravität der juristischen Sprache Maßnahmen angekündigt werden. Der Bewerter soll nun seine negative Bewertung löschen oder die angekündigten Kritikpunkte mit konkreten Belegen untermauern. Oder erstmal nachweisen, dass er überhaupt in diesem Restaurant war – und natürlich scheitert ein Großteil der Leute daran, nachzuweisen, dass sie irgendwann im Mai 2017 in der Pizzeria Palermo essen waren. Noch schwieriger wird dann der Nachweis, dass das Personal unfreundlich war oder dass es dreckig war. Konnte man diese Ratte, die durch den Gastraum des Gasthauses Bären gehuscht ist, mit der Handykameratechnologie des Jahres 2007 nicht vernünftig fotografieren, wird der geforderte „Beweis“ nur schwer zu erbringen sein.

Werbung eines LegalTech-Startups


Dazu kommt dann noch ein Faktor, den die beteiligten Anwälte sicherlich ganz vehement abstreiten würden, aber: Die Nutzer, die in den Foren auftauchen, sind massiv eingeschüchtert. Sie haben keine Ahnung von Juristerei. Sie wurden meistens noch nie verklagt, haben selbst noch keinen verklagt, waren noch nie vor Gericht und der einzige Kontakt mit der bunten Welt der Paragraphen war ein Strafzettel wegen Geschwindigkeitsübertretung. Dann löschen sie wie gefordert die Bewertung und fertig. 
Auch aus genereller Zeitökonomie ist es natürlich die beste Lösung, wenn man einfach löscht – statt die alte Kreditkartenrechnung aus dem Goldenen Adler zu suchen und zu überlegen, wie man nachweisen soll, dass die Bedienung im Vapiano Darmstadt am 3. Februar 2013 pampig und unfreundlich war kann man auch einfach die Bewertung löschen, den Laden auch in Zukunft meiden und ein gutes oder schlechtes Buch lesen.
Google & Co machen sich hier einen schlanken Fuß – die Apps fordern fleißig zum Bewerten auf, aber die Nutzer werden mit dem produzierten Ärger dann alleine gelassen. Die entsprechenden Löschanfragen werden weitergereicht und fertig. Das milliardenschwere Unternehmen zieht sich auf den bequemen Standpunkt zurück, dass man ja eine „Plattform“ sei und daher mit den Inhalten selbst nichts zu tun hätte. 
Was bleibt? Zuerst die Erkenntnis, dass man niemals nie nicht ohne Bezahlung für einen Milliardenkonzern arbeiten sollte. Eine Plattform mit vielen Benutzerbewertungen ist einer ohne deutlich überlegen und es ist gerade die Stärke von Google Maps, dass es dort so viele gibt. Man sollte sich nicht als dummes Klickvieh missbrauchen lassen, das willig kostenlose Inhalte liefert und das sich dann ohne Support mit Anwälten herumärgern muss. Das würde besser gehen.
Und das nächste ist natürlich, dass dies ein massiver Einschnitt in die Meinungsfreiheit ist. Es ist natürlich völlig von ihr gedeckt, wenn man öffentlich verkündet, dass man den Service in einem Restaurant schlecht fand, das Essen fade war oder man eine Bäckerei schmutzig fand. Auch wenn die entsprechenden Anwaltsbriefe etwas anderes vermitteln wollen: Die Grenze zu einer ungerechtfertigten Schmähkritik ist hoch.
Und zum Schluss zeigt dies, dass man einfach nichts auf Bewertungen geben darf. Die anwaltliche Löschung ist ja nur ein Element von vielen, mit denen man Bewertungen beeinflussen kann. Amazon hat ein großes Problem mit Fake-Bewertungen, bei denen entweder mit massenhaft gefälschten Accounts agiert wird oder Leuten Produkte gegen positive Bewertungen angeboten werden. Alle Freunde und Familie bewerten natürlich positiv. Und im eigenen Onlineshop kann man eh agieren wie man will – im Endeffekt haben alle Shopsoftwares Features zum Freischalten und Selbstschreiben von Kommentaren integriert. 

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