Nachrichtenmühle, revisited

Ich habe vor einer Weile über meine neue Art des Nachrichtenkonsums gebloggt und nach ein paar Wochen ist es wohl Zeit das ganze Revue passieren zu lassen.

Das Ergebnis ist so einfach wie frustrierend. Die Technik funktioniert, aber es funktioniert trotzdem nicht rund. Die im ersten Beitrag beschriebene Technik funktioniert wunderbar. Ich habe mein eigenes Mailpostfach, in dem in separierten Unterordnern Mails aus verschiedenen Quellen aufschlagen, die dann vom integrierten Spamfilter sortiert werden. Der Trump findet dort nicht mehr statt. Die Nachrichten aus dem RSS-Feed der Tagesschau enthalten keine Nachrichten aus bestimmten Weltregionen mehr. Ich bekomme Newsletter von klugen Köpfen mit klugen Analysen zu interessanten Themen.

Mittlerweile habe ich sogar ein paar Ergänzungen vorgenommen und das System deutlich verbessert. Ich bin nun in der Lage, Mails mit Links an Pocket zu schicken. Und ich kann meine Pocket-Leseliste via Calibre-Plugin als ePub herunterladen, um sie ganz entspannt auf dem Tolino eBook Reader zu lesen.

Im Prinzip ist es perfekt. Alles Werbefrei. Ohne dass die Aufmerksamkeit von Popups, Bannern, „Related Articles“ oder Kommentarspalten gefressen wird. Ohne stetiges Upselling. Fokus auf Artikel. Auf Content. Auf Inhalte. Auf die Longform. Auf Gehalt statt Tratsch. Auf Hintergrundartikel statt des Geschreis im Vordergrund. Quasi die entschleunigte Manufaktum-Welt der Nachrichtenseiten. Daraus könnte man ein kleines, entspanntes Startup bauen.

Aber … das klappt dann doch leider nur technisch. Denn bekannterweise ist der Geist willig und das Fleisch schwach. Und der Sog des Netzes ist halt nicht einfach so durch eine andere Arbeitsweise zu stören. Doomscrolling wird bekannterweise nicht durch fehlende gehaltvolle Alternativen ausgelöst und es hat einen Grund, warum man nach einer 40h Woche nicht Krieg und Frieden liest, sondern doch eher Perry Rhodan. In diesen Zeiten ist Tiefe etwas, das man sich geistig leisten können muss und etwas, das nicht immer geht. Diese Idee, dass man plötzlich doch das gesammelte Werk von Shakespeare und Goethe lesen würde, wenn da nicht der PC, das Handy oder der Fernseher einen ablenken würde, greift nicht. Genau wie der Schriftsteller scheitert, der sich in ein Hotelzimmer einsperrt, um die Schreibblockade zu überwinden oder der arme Student, der mit seiner Abschlussarbeit nicht vorankommt und jetzt in die UB geht, um diesmal wirklich richtig zu arbeiten.

Oder anders gesagt. Ich habe mein wunderbar funktionierendes System, um dem Sog der Nachrichten und von Twitter zu entgehen, aber habe dann doch die letzten Wochen sehr viel auf Twitter rumgehangen und eben doch nicht mein eigenes System genutzt. Und leider kann ich mich jetzt nicht herausreden, dass es an der Technik liegt, denn die funktioniert wunderbar.

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