Ein kleines Update zu @die_reklame

Seaside landscape with ancient ruins on the coast (1674)
Jacobus Storck (Dutch, 1641-1687)

Tja. Ich hatte gerade meine neu gewonnenen Superkräfte eingesetzt, um das alte, seit einiger Zeit unbenutzte Subreddit von @die_reklame zu reaktivieren und dort wieder regelmäßig Content einzustellen, als aus dem Twitter Musks eine neue, irrsinnige Entscheidung das ganze Projekt in existenzielle Probleme gestürzt hat: Die API soll kostenpflichtig werden.

Wir sitzen natürlich nicht den ganzen Tag vor dem Rechner, um mehrfach am Tag alte Anzeigen zu posten. Das ist mit Hilfe des von Jürgen Hermes entwickelten AutoChirp automatisiert. Wir sammeln das ganze Jahr über Anzeigen in einer Dropbox und stellen dann einmal zu Jahresbeginn die Beiträge ein und dann läuft alles automatisiert durch. Und zwar mit Hilfe der API, welche für genau solche „Bots“ wie unseren Account gedacht ist.

Twitter lebt zu einem gewissen Teil von solchen automatisierten Accounts, da diese perfekt geeignet sind, um Informationen zeitnah und automatisiert zu verbreiten. So gibt es Bots, welche Verspätungen auf einzelnen Bahnlinien posten. Bots, welche Wetterbedingungen posten. Bots, welche Webcambildern eine größere Reichweite geben oder aktuelle Satellitenbilder posten. Bots, die Wikipedia-Edits aus dem Bundestagsnetz beobachten. Bots, welche diese praktisch unlesbaren Threads in lesbare Formate bringen. Und natürlich auch den berühmten Bot, der veröffentlicht, was der reichste Mann der Welt für eine Umweltsau ist, indem er einfach nur zeigt, wie dieser mit seinem Privatjet über den Globus jettet.

All diese Bots haben eins gemeinsam: Ohne API können sie nicht existieren. Sie haben kein Geschäftsmodell. Die Reklame hat kein Geschäftsmodell und will als Hobbyprojekt auch keins haben. Vielleicht könnten wir Firmen anbieten, dass wir ihre Retro-Werbung über den Kanal schicken, aber das würde den gesamten Charakter des Projektes zerstören.

Es ist daher aktuell völlig ausgeschlossen, dass wir für einen API-Zugang bezahlen werden. Denn hier schlägt eine weitere Besonderheit des neuen Twitters zu: Kurzfristigkeit und miserable Kommunikation. Die Zahlungspflicht soll schon nächste Woche kommen. Aktuell wurde aber noch nicht veröffentlicht, was der Spaß denn kosten soll. Es gibt nur einen Tweet von Musks selbst, in dem dieser von 100 Dollar pro Monat spricht – Kommunikation aus der Hölle und definitiv keine Summe, die man in so ein kleines Hobbyprojekt steckt. Vor allem, wenn der Empfänger der 100 Dollar einen so behandelt und quasi erpresst.

Wir wissen aktuell noch nicht, ob AutoChirp selbst einen bezahlten API-Zugang braucht, ob jeder Account, der es benutzt, einen braucht, ob es Ausnahmen für akademische Projekte gibt oder wie viel dies kosten würde. Das ist wirklich Firmenkommunikation, wie man sie nicht betreiben sollte.

Die Reklame lebt auch woanders – auf Instagram und auch der neue Mastodon-Account erfreut sich mit über 2000 Followern mittlerweile einiger Beliebtheit. Hier gibt es aber ein Problem: AutoChirp ist ein Twitter-Tool und Twitter ist hier das Master-System. Die Inhalte von Twitter werden zu Mastodon gecrosspostet und von dort aus rüber zu Reddit. Fällt Twitter, sitzen die anderen Netzwerke auch erstmal auf dem Trockenen.

Jürgen hat bereits durch die Blume ein „AutoTrööt“ angekündigt, also ein AutoChirp für Twitter. Es kann aber in den nächsten Tagen trotzdem zu Ausfällen kommen, denn aufgrund der Kurzfristigkeit steht die neue Technik natürlich noch lange nicht.

Gleichzeitig stellt sich mir die Frage, ob Twitter mittlerweile wirklich noch das richtige Medium für geisteswissenschaftliche Inhalte ist. Es ist nicht nur die Rückkehr von Rechtsradikalen, Nazis, ehemaligen US-Präsidenten und sonstigen unangenehmen Gestalten – das alleine würde ja schon ausreichen, um den Hut zu nehmen und zu gehen, wie ich es mit dem privaten Account bereits gemacht habe. Der Account war für nicht eingeloggte Leser in den letzten Monaten „dank“ der harten Twitter-Loginwall praktisch unlesbar. Nach nur wenigen Beiträgen schiebt sich ein Fenster über die Inhalte und fordert zum Anmelden auf. Zusätzlich werden die Inhalte dann durch Werbung, Trending Topics voller diversem Irrsinn und sonstigen Störern flankiert, so dass es für „Twitter-Laien“ höchstwahrscheinlich unmöglich ist, den Account vernünftig zu verfolgen. Gerade der Umstieg auf Mastodon hat mir gezeigt, wie furchtbar Twitter geworden ist – als langjähriger Nutzer sitzt man dort wie der sprichwörtliche Frosch im immer heißer werdenden Kochtopf.

Die Zukunft von PlanetHistory auf Twitter ist völlig offen: Es nutzt aktuell den FreeTier von Buffer, um die Beiträge der geisteswissenschaftlichen Blogs auf Twitter zu posten. Ich gehe mal davon aus, dass Buffer auch jetzt schon aufgrund der Menge an Tweets für die Nutzung der API zahlt und dass der FreeTier vorerst bestehen bleiben wird. Sollte dies nicht der Fall sein oder Buffer aufgrund höherer Kosten den kostenlosen Service einstellen, dann ist der Twitter-Account tot. Ich habe bislang keinen Mastodon-Account eingerichtet, einfach da – ihr habt es gemerkt – gerade die große Motivation zur Seitenpflege fehlt. Ich habe auch eine ganze Weile keine neuen Blogs mehr eingepflegt – wer wie ich jetzt länger nicht mehr beruflich in der Geschichtswissenschaft unterwegs ist, verliert irgendwann den Zugang zur Community und auch die Motivation, jetzt das zwölfte hoffnungsvoll gestartete Doktorandenblog oder Lokalarchiv aufzunehmen, das dann nach drei Beiträgen stirbt. Von daher: Wer mich unterstützen will, darf sich gerne melden.

Update 20.02.: Auch ein paar Wochen weiß man noch nichts genaues. Aktuell funktioniert alles noch.

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