Planet History

Autor: Openmedi

Unsere Firma

In den Untiefen eines hauptsächlich mit abstrusen geisteswissenschaftlichen Überlegungen beschäftigten Kopfes, gibt es kurz hinterm linken Auge, einen dunklen Tunnel, der schon längst nicht mehr bewirtschaftet wird. Darin lebte früher einmal ein alter Traum: Der von unserer Firma.

Ich war gerade im Abitur als es passierte. Wir hatten ein Haus und eine Stunde entfernt arbeitete meine Mutter in unserer Firma. Sie war die Chefin dort. Sie war die Chefin von 30 Menschen. Es gab eine relativ große Fertigungshalle und einen Verwaltungsbereich, dessen Büroräume wie an die Fertigungshalle angeklebt wirkten. Die Büroräume erstreckten sich über zwei Etagen und in der obersten Etage im prominentesten Büro, dass nur durch das Büro ihrer Sekretärin zu erreichen war, dort arbeitete sie. Sie besorgte neue Aufträge für die Firma, klärte Konflikte und kümmerte sich um die Finanzen. Es gab noch einen Prokuristen, aber der Traum geht nur, wenn man sich diese Firma als unsere Firma denkt. Es ist erstaunlich, dass es überhaupt je dazu kam, dass meine Mutter eine Firma besaß. In der DDR hatte sie Wirtschaftsökonomie oder so etwas studiert und dort meinen Vater kennengelernt. Er war Schriftsteller. Sie arbeitete lange als Buchhälterin. Sie bekam einen Job bei einer Firma aus der eine andere Firma wurde und schließlich unsere Firma werden sollte. Der alte Chef hatte kein Interesse mehr an seiner Firma, er hatte noch weitere Firmen und gab sie an meine Mutter – und damit an uns – ab. Früher fuhren wir ab und an am Wochenende in die Firma, die dann meist still dalag und nur der Geruch von frisch aufgetragener Farbe, Zigarettenrauch und Bier verriet, dass hier Gestern oder gar vor ein paar Stunden noch gearbeitet wurde. Das Gebäude war eine typische Gewerbehalle in einem der typischen Gewerbegebiete in einer dieser typischen trist-traurig-melancholisch-wütend lächelnden brandenburgischen Städte. Irgendwann in den späten 90ern oder frühen 2000ern gebaut. Die Wände aus gewelltem Metall, wie bei Schiffscontainern, der Boden aus glattem Beton, wie im Baumarkt, das Dach aus einer Holz-Metall-Konstruktion, wie bei einer Sporthalle. Ich fand es damals sehr chic, wenn auch architektonisch seelenlos. Aber das Gebäude war nicht seelenlos. Wenn wir an den verschiedenen Fertigungsstrecken mit den Säge- und Fräsmaschinen, Klebe- und Malerstationen vorbeigingen um irgendetwas im Lager zu überprüfen, konnte man sehen, dass das Gebäude lebendig war: Hier ein Tittenposter, dort ein Schild “ARBEIT IST SCHÖN! DESHALB IMMER ETWAS FÜR MORGEN AUFHEBEN” und zwischendurch alte, dunkel gebeizte Werkzeugschränke mit ausgeschnittenen und aufgeklebten Tittenbildchen aus der BILD, dem Kurier, der B.Z. oder sonstwo her auf den Türen. Ein Mannschaftsfoto von Union. Eine schlecht versteckte Flasche Schnaps. Ein Zigarettenstummel auf dem Boden im Nichtraucherbereich der Fertigungshalle. Manchmal durfte ich mir eine Selter aus dem Würfelkühlschrank des verrauchten Pausenraums für die Leute aus der Fertigungshalle holen. Ein versiffter Teppich, sicher noch aus dem Pausenraum vom alten Standort in Berlin, als unsere Firma noch eine andere Firma war. Ich war damals sehr ehrfürchtig. Das Gebäude und die darin vorhandenen Sachen und ihre Verknüpfung schienen mir unheimlich komplex und in dieser Konstellation überaus wertvoll. Und das sollte alles unser sein? Meine Mutter leitete all das? Wusste wie alles funktionierte und auch was nicht funktionierte?

Damals war es ganz klar für mich, auch wenn ich es nie so aussprach: Ich würde später einmal diese Firma übernehmen. Ich würde später mal im Büro meiner Mutter sitzen und auch am Wochenende lange arbeiten und manchmal zurück in die Firma fahren müssen. Zu mir würden 30 Menschen aufschauen und mich fragen wo das Geld, wo die Aufträge blieben. Und ich würde mich beweisen müssen. Ich würde BWL oder Management oder so etwas studieren. Ich würde besser in Mathe werden müssen. Ich würde auch entweder vor oder nach dem Studium eine Ausbildung im Betrieb machen und mich aktiv dagegen wehren, speziell behandelt zu werden, nur weil ich der Sohn der Chefin bin, wie ganz augenscheinlich von den Leuten aus der Fertigungshalle sofort registriert wurde, wenn ich tatsächlich mal an einem Arbeitstag in unserer Firma war.

Ich stellte mir vor, wie es sein würde, Chef zu sein. Ich würde ein angenehmer Chef sein, der ein offenes Ohr für die Probleme seiner Angestellten hätte. Ich würde mit anpacken falls nötig. Schließlich hatte ich ja die Ausbildung. Ich würde auf die vielen Baustellen fahren und die Fortschritte begutachten, neue Aufträge beim Käffchen im Bäcker um die Ecke reinholen. Es würde wieder jährlich ein Sommer- und ein Weihnachtsfest geben, ganz so wie in den ersten beiden Jahren, als meine Mutter die Firma übernommen hatte. Bis dahin hätte ich den ganzen Quatsch mit der Musik und dem Schreiben sicher weit hinter mir gelassen. Und wenn ich dann durch die Berliner Randbezirke und die Dörfer und Städtchen im Speckgürtel fahren würde, dann könnte ich auf die “Objekte” zeigen, an denen unsere Firma beteiligt gewesen war. Dort. Das Einfamilienhaus. Hier, die Sporthalle. Und der ganze Plattenbau da drüben auch.

Zwei Jahre später ging die Firma insolvent. Niemand hatte in einer schwierigen Zeit mit wenigen Aufträgen und starker Konkurrenz meine Mutter und unsere Firma unterstützt. Die Stadt nicht, der Kreis nicht und auch das Land Brandenburg nicht. 31 Menschen verloren ihre Arbeit. Alles, was zuvor noch zu unserer Firma gehörte, uns gehörte, gehörte plötzlich einem Anwalt. Meine Mutter versuchte eine neue, kleinere Firma aufzumachen, aber es war nicht dasselbe. Wir verloren nicht nur die Firma. In der Folge verloren wir das Haus, das große Auto, das zweite Auto. Wir verloren uns. Mein Vater ging weg. Ich ging weg. Meine Mutter ging mit meinem Bruder weg. Was in Brandenburg verblieb und in mir verblieb, war die Erinnerung an eine mögliche Zukunft, unsere kleine Utopie, die nie eintrat.

Ich habe nie wieder einen der 30 Angestellten gesehen. Ich war nie wieder in der Stadt in der unsere Firma war.

Achtundzwanzig Jahre ohne Kurzschluss

erwachen, aufstehen, rausgehen
alles wieder aufnehmen
Füße grüner Pflaster
Gittertür
Sommer
Fieber in den Straßen
Insekten in den Bars

Tagebuch sagt
überstehen
aufgehen
aufleben
draufgehen
ohne draufzugehen

nicht stehen bleiben
bitte einfach weiter weiter
bitte weitergehen

Zeitung brüllt Kopf an
Kopf voller Schlagzeilen
Synapsen rennen im Kreis
und los es
könnte doch ein Anfang sein
irgendwo da drinnen
irgendwo da draußen
muss ein Anfang sein

Tagebuch sagt
überstehen
aufgehen
aufleben
draufgehen
ohne draufzugehen
und 7 mal 4 à 24/7
macht immerhin
Achtundzwanzig Jahre ohne Kurzschluss

Glückskeksmikrowellenessen mit sich selber
Schach spielen und von Dame geträumt
die halbe Nacht in den Schnee gestarrt
wieder kein Empfang

erwachen, aufstehen, rausgehen
alles wieder aufdrehen
Synapsen rennen im Kreis es
könnte doch ein Anfang sein
irgendwo da drinnen
irgendwo da draußen
das ist Unterhaltung

Tagebuch sagt
überstehen
aufgehen
aufleben
draufgehen
ohne draufzugehen
und 7 mal 4 à 24/7
macht immerhin
Achtundzwanzig Jahre ohne Kurzschluss

Glückskeksmikrowellenessen mit sich selber
Schachspielen und von Dame geträumt
die halbe Nacht in den Schnee gestarrt
wieder kein Empfang

(Achtundzwanzig – Schrottgrenze)

Mit Alfred und AppZapper Apps schneller löschen

AppZapper ist ein Programm mit dem man alle Daten eines Programms komfortabel löschen lassen kann. Dazu zieht man die App, die gelöscht werden soll einfach auf das AppZapper-Symbol. Für Leute wie mich, die gerne mal auf ihre Maus verzichten gibt es aber auch eine schnellere Variante:

Diese erfordert die App Alfred. Mit dieser lassen sich viele Dinge, die unter OS X sonst eine Maus erforderlich machen, mit ein paar Tastendrücken lösen. So auch das Löschen einer App:1

  1. Alfred starten (“alt”+”space”)
  2. In Alfred die zu löschende App raussuchen
  3. “ctrl” drücken
  4. Im erscheinenden Menü “Open with…” auswählen
  5. Nach AppZapper suchen (oben in die Zeile schreiben, es taucht bei mir auch nicht einfach so auf)
  6. Enter drücken
  7. Die App wird in AppZapper geöffnet
  8. Enter drücken
  9. App gelöscht ohne einmal die Maus berührt zu haben

P.S.: Das geht vielleicht auch mit der kostenlosen Variante AppCleaner.

  1. Dafür braucht man das kostenpflichtige Add-On mit dem Namen “Power Pack”. Was man damit noch alles so machen kann, steht hier. Es lohnt sich!

Zotero, WebDAV, Owncloud

Viele benutzen zur Verwaltung ihrer Literatur Zotero. So auch ich.1 Zotero bietet die Möglichkeit seine Literatursammlung in die Cloud zu spiegeln, was ich auch nutze.2 Die TU Berlin bietet seit einer Weile den Webservice owncloud an, der WebDAV unterstützt. Studis der TU bekommen für die Zeit ihres Einschreibens 10 Gigabyte Online-Speicherplatz in ihrer Owncloud.

Die Verknüpfung von Owncloud und Zotero ist nun denkbar einfach: Man gibt unter den Zotero Preferences die Daten des WebDAV-Servers, d.h. der eigenen Owncloud-Instanz ein und schon ist man fertig. Diese Daten findet man, wenn man sich bei der TU-Berlin-Owncloud anmeldet und oben rechts auf seine Email-Adresse klickt. Dann klickt man noch auf “Personal” und findet anschließend die WebDAV-Url auf der erscheinenden Seite. Zukünftig werden alle Daten ins Netz gespiegelt und können so zwischen verschiedenen Rechnern synchron gehalten werden.

P.S.: WebDAV im Vergleich zur nativen Zotero-Lösung ein paar Nachteile. Am schwersten wiegt dabei sicherlich, dass man per WebDAV synchronisierte Dateien nicht in Gruppen verwenden kann.

  1. Ich war eine Weile bei Mendeley, habe mich dann aber doch für eine freie und offene Literaturverwaltung entschieden und es bisher nicht bereut.

  2. Die Wahrheit ist etwas komplizierter. Ich nutze primär Evernote für die Speicherung meiner Literatur. Als Verbindungsglied dient dabei der BibTeX-Key, der bei mir $nachname(\_$nachname(\_$nachname(\_et\_al))$erscheinungsjahr lautet (Zotero selbst unterstützt gar keine freie Vergabe von BibTeX-Keys, mit dem Zotero Add-On Better Bib(La)TeX gehts aber…). Dieser Dateiname ist Bezugspunkt über alle Programme und Notizen hinweg. Das heißt, wenn sich in meinen Notizen einen Absatz findet, der kragh1987 referenziert, dann finde ich in Zotero den dazugehörigen Literatureintrag, wenn ich nach kragh1987 suche. Die Datei in Evernote finde ich nach dem selben Muster. Da ich aber gerade erst auf Zotero für meine Literaturverwaltung umgestiegen bin, habe ich mir angewöhnt, neue Dateien immer gleich mit einer Kopie der Datei in Zotero selbst auszustatten. Hoffentlich schützt mich diese Redundanz gegen einen immer mögllichen Datenverlust.

Was soll eine historische Beschreibung?

Wenn wir eine historische Entwicklung betrachten, dann möchten wir sie gerne verstehen. Zu diesem Zweck entwickeln wir Beschreibungen. Diese funktionieren ein bisschen wie Algorithmen, nur dass man keine Anweisungen gibt, was passieren soll, sondern nacherzählt, was passiert ist: Erst passierte das, dann das, dann das. Dann das.

Die Wirklichkeit ist dabei unüberschaubar komplex. Jeder Moment ist unendlich und kann nicht in seiner Vollständigkeit abgebildet werden. Das heißt, wir müssen eine Auswahl treffen. Das führt zur Frage, was für die jeweilige Entwicklung relevant ist.

Relevant ist das, was man sagen muss, damit eine Beschreibung einer historischen Begebenheit plausibel erscheint. Relevante Informationen sind das Mindeste was nötig ist, um eine historische Entwicklung zu beschreiben.

Wie wählt man nun aus, was relevant ist? Man macht Versuche. Die Geschichtsschreibung blickt ihrerseits auf eine bemerkenswert lange Geschichte zurück. Mit der zunehmenden Verwissenschaftlichung der historiografischen Praxis ist eine Unzahl möglicher systematischer Herangehensweisen an die Lösung dieser Frage aufgetaucht. Es geht jetzt darum diese Herangehensweisen in der Anwendung auf die jeweilige historische Entwicklung auszuprobieren. Dabei prüft man, ob der bei diesen Versuchen entstehende Text plausibel erscheint, also eine plausible Beschreibung der jeweiligen historischen Entwicklung ist.

Im Gespräch mit anderen Historiker_innen (oder solchen, die es werden wollen…), lässt sich auf diese Weise herausfinden, ob das was uns plausibel erscheint, auch auf Andere so wirkt. Das ist so gut wie nie vollständig der Fall, aber ein gutes Zeichen, weil es die Möglichkeit der Weiterentwicklung offenlegt. Ohne dieses Potential wäre kein wissenschaftliches Arbeiten möglich.

Glücklicherweise muss man selbst nicht alle jemals gefundenen und entwickelten Herangehensweisen prüfen. Die meisten Geschichtstheorien gelten heute als überholt. Es kann sehr interessant sein, sich anzusehen, ob dieses “als überholt gelten” gerechtfertig ist, oder nicht. Vielleicht findet man einen Ansatz (wieder), der sich heute als fruchtbar herausstellt (ein solches Beispiel könnte Bruno Latours andere Form der Soziologie sein, oder Jürgen Habermas’ Begriff von Theorie). Jedenfalls zeichnet sich die geschichtswissenschaftliche Landschaft trotz aller Brüche und Inkommensurabilitäten durch eine gewisse Homogenität aus, was hier vor allem heißen soll: Es könnte alles noch um ein Vielfaches idiosynkratischer sein.

Der Wissenschaftshistoriker Thomas Kuhn hat den Begriff von der Normalwissenschaft geprägt: Es gibt Phasen, in denen wissenschaftlich außergewöhnliches passiert. Man spricht, wenn so etwas eintritt, gerne von “wissenschaftlichen Revolutionen”. Newtons Beschreibung der Schwerkraft ist ein häufig zitiertes Beispiel in diesem Kontext. Vor und nach solchen revolutionären Veränderungen, bewegt sich die wissenschaftliche Entwicklung jedoch eher gleichförmig. Der Rahmen für wissenschaftliche Forschungen ist (oder eher: scheint) abgesteckt, das was herausgefunden wird, fügt sich mehr oder weniger mühelos in den Kanon des bereits bekannten Wissens ein. Diese Zeit, diese wissenschaftliche Praxis, bezeichnet Kuhn als Normalwissenschaft. Ich behaupte, dass sich die Geschichtswissenschaft, jedenfalls die Wissenschaftsgeschichte, in einer Phase der Normalwissenschaft befindet.

Das heißt: Die Geschichtsschreibung befindet sich in keiner Krise (dem Vorstadium für revolutionäre Veränderungen nach Kuhn). Man kann aus einem reichhaltigen Schatz derzeitig als zumindest immer von einigen Mitgliedern der geschichtswissenschaftlichen Community als plausibel angesehenen Erklärungsentwürfen einen (oder mehrere) Auswählen und mit diesem eine historische Entwicklung zu beschreiben, plausibel zu machen, versuchen.

Diese Entwürfe unterscheiden sich dabei in vielerlei Hinsicht. Einige sind systematisch ausgearbeitet, andere existieren nur in praktischer Anwendung, “am Beispiel”, sozusagen. Vielen dieser Entwürfe ist jedoch gemein, dass sie bestimmte Einflüsse/Faktoren kategorisieren und hierarchisieren. Sie ordnen das was zu einer historischen Entwicklung gesagt werden muss nach einer gewissen Priorität.

Am einsichtigsten wird das an den Spezialfächern der Geschichtsdisziplin. Natürlicherweise wird ein_e Technikhistoriker_in gegenüber einer Entwicklung vor allem die Bedeutung der Technik betonen, ein_e Wissenschaftshistoriker_in hingegen die Bedeutung der Wissenschaft. Konkret wird das am Beispiel der Debatte um “science based industries” bzw. “industry based science” am Ende des 19. Jahrhunderts, wobei die uneindeutige Bezeichnung hier als Indikator für die unterschiedliche Priorisierung von Faktoren vollkommen ausreicht. Und natürlich ist das keinesfalls eine perfekte Unterscheidung. Es sind unendlich viele Fälle vorstellbar, bei denen Priorisierungen entlang des eigenen Spezialgebietes nicht, oder nicht bis in die letzte Konsequenz durchgeführt werden, aber es liegt sehr nahe, dass es unwahrscheinlich ist.

Die allgemeinere Aussage bleibt jedoch für die meisten Fälle bestehen: Priorisierungen von Faktoren in Anwendung auf eine konkrete historische Entwicklung unterscheiden die schlussendliche Beschreibung dieser, geben unterschiedliche Antworten auf die Frage, warum diese plausibel ist (oder eben nicht).

Historische Einflussfaktoren sind dabei unpräzise, universell verwendbare “Behältnisse”. Diese machen sehr wichtige Bewegungen möglich: den Vergleich von historischen Entwicklungen, die Assoziation von historischen Entwicklungen und Makrogeschichte.

Genau genommen ist in einzelnen Entwicklungen eine Einfluss dieser Faktoren kaum nachzuweisen. Das ist etwas, was Bruno Latour in Bezug auf “das Soziale” immer wieder stark macht. Passiert etwas, was man klassischerweise als “sozial beeinflusst” bezeichnen würde, dann ist es nicht so, dass man in den Daten auf das Soziale, was “das Passierte” beeinflusst hat, zeigen kann. Man kann unmittelbar nur auf Akteure zeigen. Man kann sagen Person X oder technische Apparatur Y hat Vorgang Z so oder so beeinflusst, das Soziale wird man hier aber nicht finden. Das Soziale in etwas zu finden ist Interpretationsleistung des_der Untersuchenden. Das Soziale ist demnach nichts, was da ist und tatsächlich handelt. Es ist eine Bezeichnung für etwas, was vom Erklärungsentwurf oder dem_der Erklärenden stammt, nicht von der historischen Entwicklung, bzw. ihrem Nachlass, den Daten.

Gleiches lässt sich über kulturelle, politische, wissenschaftliche, technische und alle anderen generischen Einflüsse sagen und nachweisen. Wie interpretieren wir diese Einflüsse aber nun ins historische Material?

Die Entscheidung, ob irgendwo ein Einfluss einer bestimmten Art vorliegt, geschieht danach, ob etwas auf uns “so wirkt”, als ob dieser Einfluss besteht. Das heißt bestimmte Akteure “performen” bestimmte Arten des Einflusses. Meistens verhalten sich die Akteure mehrdeutig, was dann auch erklärt, warum überhaupt so viele unterschiedliche Erklärungsentwürfe nebeneinander bestehen können. Was aber relativ sicher bleibt (soweit die historischen Daten nicht unvollständig sind) ist, dass gehandelt wurde. Denn ohne Handlung der Akteure gibt es keine Entwicklung, ohne Interpretation der Historiker_innen schon (es ist ja bereits auch ohne Händchenhalten der Historiker_innen geschehen, sonst wären wir ja gar nicht an dem Punkt).

Für die Mikrogeschichte ist die Beschreibung, dass gehandelt wurde, ausreichend. Schwieriger wird es für die Makrogeschichte. Wie weiter oben schon gesagt, ist neben der Makrogeschichte der Vergleich und die Aufeinander/Nebeneinanderfolge von historischen Entwicklungen auf ein gerüttelt Maß Gleichmacherei angewiesen. Dafür ist die Identifikation von Faktoren da. Ich möchte diese drei Bereiche der Geschichtsschreibung gerne unter dem Begriff “relationale Geschichte” zusammenfassen, in Reminiszenz an relationale Datenbanken, die ja ihrerseits die großen Gleichmacherinnen unserer Zeit sind (was hier weder gut noch schlecht gefunden, sondern lediglich festgestellt wird).

Welchen Aspekten, denen der Mikrogeschichte oder jenen der relationalen Geschichte, man mehr Aufmerksamkeit schenkt, hängt zumeist auch vom jeweils gewählten Erklärungsmodell ab. Wir sind nun an einem interessanten Punkt: Wir haben gesagt, dass Mikrogeschichte, das heißt in unserem Fall, die eigentliche Beschreibung der historischen Entwicklung, keine Faktoren und dementsprechend auch keine Priorisierung der generischen Faktoren braucht. Wenn man den Akteuren einer Entwicklung folgt, dann landet man bei einer der Entwicklung inhärenten Ordnung, ganz ohne auf unpräzise Sammelbezeichnungen zurückgreifen zu müssen. Wie kann es jetzt angehen, dass einige Erklärungsmodelle ihren Schwerpunkt auf die relationale Geschichte legen, wo es doch hauptsächlich um das Aufdecken dieser Ordnung geht? Es geht doch erst nach dem Aufdecken dieser Ordnung darum eine Zuordnung und Vergröberung, ein Gleichmachen, des Vorgefundenen durchzuführen?

Das Ergebnis einer Anwendung solcher Modelle an eine historische Entwicklung ist eine notwendigerweise unscharfe Geschichtsschreibung. Ein gutes Beispiel dafür bietet die marxistisch geprägte Geschichtsschreibung des frühen 20. Jahrhunderts. So wurde Newtons Beschreibung der Gravitation bei Boris Hessen zum Ausdruck marxistischer Theorie, der Akteur Newton (fast) unwichtig und vernachlässigbar.

Fazit

Was soll eine historische Beschreibung nun also? Meiner Meinung nach hat eine historische Beschreibung zwei hierarchisch gestaffelte Funktionen: Die erste und wichtigste Funktion ist der jeweils betrachteten Entwicklung gerecht zu werden und sie plausibel zu machen, d.h. sie zu beschreiben. Die zweite Funktion ist diese Beschreibung für die relationale Geschichte und damit für die geschichtswissenschaftliche Community auswertbar zu machen.

Literatur

  • Kuhn, Thomas S., The Structure of Scientific Revolutions, Chicago 1996.
  • Latour, Bruno, Reassembling the social-an introduction to actor-network-theory, Oxford 2005.
  • Hessen, Boris, The Social and Economic Roots of Newton’s Principia, Science at the Crossroads, London 1931.

Tweetbot und das unsichtbare Zeichen

Wer Tweetbot und wie ich einen URL-Shortener nutzt, wird sich das eine oder andere Mal schon geärgert haben: Nicht alle URLs, die in Tweets vorkommen, sollen auch verkürzt werden.1 Tweetbot gibt uns Nutzer_innen nur leider keine Möglichkeit dieses Verhalten zu unterbinden. Es gibt aber trotzdem eine Möglichkeit.

Unsichtbare Zeichen

Unicode, der weit verbreitete Standard, der für so ziemlich alles, was auch nur ansatzweise als (Schrift-)Zeichen verstanden werden kann2, einen passenden Code zuordnet, kennt auch unsichtbare Zeichen.

Das ist, je nach dem, wie lange man darüber nachdenkt, entweder sehr oder nicht sehr verwunderlich. Das Leerzeichen ist z.B. ein solches Zeichen. Und diese Leerzeichen gibt es in unterschiedlichster Couleur.

Unter diesen Leerzeichen gibt es auch eines mit der Bezeichnung “zero width no-break space”. Das interessiert uns. Der (Uni-)Code des Zeichens ist “U+FEFF”. Unsere Spekulation ist nämlich die folgende: Wenn wir dieses Zeichen vor (oder hinter) den Punkt in der URL eines Tweets einfügen, dann wird Tweetbot die URL nicht mehr mit seiner URL-Shortener-o-Matic™ verändern. Wie kriegen wir dieses Zeichen jetzt aber eingetippt?

Codeeingabe

Um unter OS X ein Zeichen per Unicode einzugeben, muss man eine neue Tastatur zu seinen Eingabegeräten hinzufügen. Dazu geht man unter “Systemeinstellungen” (en: “System Preferences”) auf “Tastatur” (en: “Keyboard”) und wählt dort “Eingabequellen” (en: “Input Sources”). Unten links drückt man auf das “+” und gibt im sich öffnenden Fenster in die Suche “Unicode Hex-Eingabe” (en: “Unicode Hex Input”) ein. Jetzt kann man, wenn man die Unicode Hex-Eingabe aktiviert hat, einfach mit “alt” + “Code” ein Unicode-Zeichen am Cursor erscheinen lassen. In unserem Falle wäre das Tweetbot. Also schreibt man seinen Tweet und setzt seinen Cursor vor (oder hinter) den Punkt in der URL, verändert seine Eingabequelle und tippt anschließend, bei gedrückter alt-Taste den Code “feff”. Boom. Ein unsichtbares Zeichen ist eingetippt. Et voilà, unsere URL wird nicht mehr verkürzt!

Video dazu

Was man im Video natürlich nicht sehen kann: wie ich auf der Tastatur “alt” halte und “feff” eingebe. Wenn man aber genau hinschaut, dann sieht man, dass bei 1’27’’ die Zeichenanzeige umspringt (von 23 auf 55).

P.S.: Natürlich möchte man nicht andauernd diesen Arbeitsaufwand betreiben (Eingabequelle umschalten, Code eingeben, Eingabequelle umschalten), nur um ein unsichtbares Zeichen einzugeben. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das ganze etwas zu verkürzen: Einen Eingabequelle-Kurzbefehl definieren, Textexpander oder Keyboard Maestro bieten sich an.

  1. Hier ist so ein Fall. Ein anderer wird im Video weiter unten vorgeführt.

  2. Das stimmt natürlich so nicht. Der Begriff und die Geschichte des Zeichens ist un-glaub-lich kompliziert (und spannend).

Mitte-Außen

Ich sitze in der Mitte von mir. Ich sitze aber auch in der Mitte von Berlin. Ich sitze in einem Hinterhof an meinem Schreibtisch von dem aus der Blick auf eine im Innenhof stehende Kastanie fällt. In Gedanken transformiere ich die Kastanie, mache sie zu einer Eiche und verpflanze sie in meine Vergangenheit, gegenüber dem Haus meiner Großeltern auf die riesige brachliegende Fläche, am Bahndamm. Ich nennen die Kastanie, die jetzt wieder eine Eiche ist unseren Kletterbaum. Viel Zeit habe ich dort verbracht als Kind, mit meinen Cousins und Cousinen. Weit hinauf konnte man klettern, die brache Landschaft bis zum Bahndamm sehen. Es wäre gelogen, wenn ich sagte, dass man die Mitte der Stadt von dort sehen konnte, man konnte es nicht, aber man konnte es sich vorstellen.

Meine Familie ist eine Familie der Grenze. In Teltow, dort wo unser Kletterbaum stand, zerfiel die Welt entzwei, in Ost und West, in erlaubt und verboten, in anseh- und unsichtbar. Doch die Welt zerfiel nicht vor den Augen von uns Kindern. Sie war schon zerfallen und was wir sahen – den passierten Zerfall – war nicht mal mehr ein Nachbeben. Es war die Stille nach dem Nachbeben. Es war der agnostische Moment in dem man immer noch nicht so richtig glauben konnte, dass es wirklich vorbei war. Die Entzweiung selbst war dekonstruiert und trotzdem noch in der Welt. Sie zeigte ihre geisterhafte Handlungsmacht in fast jeder Äußerung, in den Bewegungen der gesamten Familie und in ihren einzelnen Gliedern. Sie stellte ganz offen infrage, was diese Familie als ihre Tradition erlebt hatte: Es ist richtig, dass es ein “Da” gibt, es ist richtig, dass es dort anders ist, aber es ist auch richtig, dass es ein “Hier” gibt, dass dieses “Hier” uns etwas gibt, was uns hier hält, dass es uns gehört, dass wir sind, eine Herkunft, eine – neue, wohlgemerkt – Heimat, ein Platz in der Welt, der wenn schon nicht Mitte, dann doch zumindest unsere relative Mitte ist. Ein Schubfach, in dem wir sind. Darin enthalten: Die fast schon zwangsläufige Gegenbewegung, gegen das Andere, den Westen. Wie beim Tauziehen; wer den Standpunkt verliert, fällt, verbrennt sich schon bald die Finger am vorbeireißenden Seil. Nur war es aus der Perspektive von uns Kindern schon längst geschehen.

Der ganze Ort war schon längst im Fallen begriffen, als alle noch glaubten, man würde einfach weiterziehen können, man würde das Seil den jüngeren übergeben, wenn man selbst zu alt war, zu alkoholkrank, wenn man eher im Weg stand – wenn man das dann noch entscheiden konnte. Wir Kinder wurden dadurch entzweit. Entzweit durch eine Entzweiung, die wir nur ihrer Stille nach kannten, weil wir sie lediglich als Danach erlebt hatten und kennen lernen konnten. Wir konnten nur von dem was fehlte ausgehend uns entscheiden. Wir mussten Fragen stellen, Zuordnungen machen, die sich nicht auf eigene Erfahrungen stützten, es waren Erfahrungen zweiten Grades: Wir fragten unsere Eltern wie es damals Hier und Drüben war. Wir fragten, wie sie es empfanden, was sie getan hatten, was sie nicht getan hatten. Wir fragten: Warum? Wir fragten, was wir tun sollten. Vor uns – räumlich wie zeitlich – waren unsere Eltern, Großeltern, Onkels und Tanten entzwei gebrochen, in sich, wie zwischen sich. Die Entzweiung war in der Welt und doch vorbei.

Und so entschieden wir uns. Wir entschieden uns den Standpunkt zu halten, oder ihn zu verändern. Wir entschieden uns Kontakte abzubrechen. Wir entschieden uns, uns nie wieder oder ständig mit dem Thema auseinanderzusetzen. Und gleichzeitig entschieden wir nie, wir waren entschieden worden. Uns wurde entschieden. Der Kletterbaum transformierte sich. Bald waren es andere Bäume, andere Dinge, die an den Wochenenden eine Rolle spielten, bald Mopeds, Comics, Bücher, Computer, Videospiele. Der Baum, der in einer schon entzweiten Welt eine Art Einheit symbolisiert hatte, wurde zu einem Symbol der Entzweiung, wurde schließlich zum Symbol der Enteinzelung.

Ich? Ich war bald Teil einer anders strukturierten Familie. Entzweiung. Schließlich Teil einer überhaupt nicht mehr als Familie zu begreifenden Struktur. Enteinzelung. Ich war plötzlich Teil der Gruppe “nicht wirklich von hier”, ich kam von “dort”. Entzweiung. Irgendwann kam ich nicht einmal mehr von dort. Enteinzelung.

Ich zerfiel irgendwann, in mir. Unfähig zu entscheiden, unfähig nicht zu entscheiden. Unfähig zur Äußerung, unfähig mich nicht ständig zu äußern. Unfähig zu lieben, unfähig geliebt zu werden. Mein emotionales wie mein vernünftiges Leben nahmen eigene Wege in mir, explodierten schließlich kaskadierend, bildeten Metastasen, überlagerten sich, blühten auf. Doch stets alles in mir.

Die Stille nach dem Nachhall der Enteinzelung, ist nur durch die Stille nach dem Nachhall der Entzweiung zu erklären.

Notizen zur #ebf14

Ich war heute auf der Electric Book Fair. Und habe mich dort den ganzen Tag gefragt was das eigentlich ist. Hier sind meine – hauptsächlich uneditierten – Notizen dazu.

Wieder das gleiche Spiel wie gestern.1 Allerdings leicht anderes Setting. Es sind mehr Leute, mehr Menschen in der Mitte – wenn man so will – und mehr Menschen außen. Es gibt mehr Technik, mehr Akteure. Es gibt ein wesentlich komplexeres Gruppenverhältnis und eine Menge Performances, die angenehm und abstoßend zugleich sind, weil sie eine Okayness mit einer Art von Individualität verbinden und diese Verbindung nun mal narzisstisch ist.

Aber was ist eigentlich eine Electric Book Fair?

Erstmal: es ist eine Taglange Veranstaltung in Berlin. Es ist eine Veranstaltung, die in der Brunnenstraße stattfindet sich dem E-Book (in Absetzung vom Buch) widmet. Eine Reihe von Dingen passieren an verschiedenen Stellen gleichzeitig, weswegen so etwas wie eine Chronologie kaum möglich scheint. Spatial? Vielleicht. Der Ort, ist der Veranstaltungsort “Supermarkt” in der Brunnenstraße. Dieser hat mehr oder weniger eine zufällige räumliche Aufteilung erfahren. Ganz wichtig: Zwei Vortragsbereiche. Dabei ist die Akustik als Akteur stark. Auf einer E-Book-Veranstaltung! Denn man hört mehr als man sieht, als man liest. Dem Format dieser Veranstaltung ist vielleicht am ehesten noch so eine Art Barcamp zuzuordnen. Es gibt ein Café. Es gibt einzelne Sitzmöglichkeiten. Es gibt keine ruhigen Orte, keine Abgeschiedenenheit. Es gibt ein Draußen. Es gibt Möbel im Raum. Es gibt Veranstalter_innen und es gibt Technik. Gibt Leute, die diese Technik bedienen und “was zu tun” haben. Im Mittelpunkt steht auch hier: Nicht etwa das Inhaltliche (oder…?), sondern die Möglichkeit da zu sein. Im Sinne, dass hier sein dabei gewesen sein, sein wird. Und das ist anscheinend sehr wichtig. Man wird beim Hereinkommen markiert. Dies geschieht auf unterschiedliche Weise: Zum einen wird man markiert, in dem man einen Aufkleber bekommt und dann wird man “metamarkiert”, in dem man aufgefordert wird sich eine von ca. 6 oder 7 Gruppen zuzuordnen. Ich gehöre zur Gruppe “was anderes…?”. Es gibt aber noch eine Unterscheidung, nämlich: Es gibt solche, die eingeladen wurden, solche die Vortragen und solche die “Teilnehmer”_innen sind. Inwiefern das teilnehmen hier gedacht wird… es figuriert sich als anwesend Sein. Naja. Die Teilnehmer_innen jedenfalls werden in besonderer Weise markiert, in dem sie kein ausgedrucktes Namensschild haben bzw. bekommen. Das wäre technisch vermutlich schwer möglich. Es ist mir nicht ganz klar, inwiefern hier eigentlich Technik als Begrenzung von irgendwas eine Rolle spielt. Das dachte ich schon vorhin. Das E-Book soll und will hier unabhängig vom Buch gedacht werden, dabei besteht zwischen diesen beiden ja eine Art chiasmisches Verhältnis. Oder ist es dialektisch? Ich habe keine Ahnung von Dialektik.

Was ist also eine Electric Book Fair?

Hm. Man könnte sagen, dass es eine Veranstaltung ist, die sich konzentriert dem Thema “E-Book als neues Medium” widmet. Gleichzeitig wird die Möglichkeit geboten sich zu vernetzen. Vernetzt wird sich vor allem im Bereich der Buchbranche und der E-Book-Branche, wenn man es genau nimmt. Es geht also auf einer Metaebene darum die Buchbranche mit der E-Book-Branche zusammenzubringen. Und das macht man, in dem man das neue Medium als Event “performt”. Was ist das Medium denn? Das sagt man nicht, weil es ja tangibel ist. Man hat es ja schon, kann darauf zeigen, darauf verweisen, dass man es macht und hat. Und das heißt, dass man sich Fragen fragt und Antworten gibt, die eben nicht mit dem E-Book zu tun haben, sondern das E-Book tritt als Akteur auf und provoziert auf teilweise kongruenten Feldern bestimmte Themen. Das ganze ist dabei hauptsächlich dann eben doch eine Frage der Wirtschaft. Man fragt sich was das hier eigentlich ist, weil man sich fragt was man damit machen kann. Es ist pragmatisch. Jedenfalls hat es den Anschein. Vielleicht gibt es daneben noch andere Modi, diese Veranstaltung zu lesen. Vielleicht ist es aber auch über alle Maßen abstoßend sich vorstellen zu müssen, dass das hier “halt so ist”.

Was ist eine Electric Book Fair?

Wir haben hier einen Tag voller kleinerer Veranstaltungen, bei dem Menschen zusammenkommen um sich über E-Books zu unterhalten. Dabei können sie sich vernetzen. Die Veranstaltung ist dabei vor allem räumlich interessant. An verschiedenen Orten in der Location, werden die Menschen zu verschiedenen Handlungen provoziert. Es gibt den Eingang, einen Sitzbereich, ein Café, es gibt zwei Stages/Bühnen, es gibt eine Art elektronische Bibliothek, es gibt ein Außen, eine Toilette und es gibt die Wege dazwischen. Die Leute werden durch verschiedene Dinge in Bewegung versetzt.

  • Bedürnisse: Hunger, Durst, Harndrang, etc.
  • Interessen: Am Urheberrecht, etc.
  • Vorhandene (Rest-)Energie
  • Bekanntschaften: Freunde treten auf, sitzen irgendwo rum, etc.

Der Raum selbst sorgt für eine bestimmte Akustik, die dann andersherum dafür sorgt, dass manche dieser eben genannten Faktoren überschrieben werden können. Und dann hat man noch externe Sachen. Kinder, Freunde, andere Termine/Veranstaltungen.

Und das ist also was passiert: Man kommt rein und orientiert sich nach dem man markiert worden ist. Dann schaut man sich wahrscheinlich eine Veranstaltung an, wenn man einen halbwegs erträglichen Platz zum Stehen/Sitzen gefunden hat. Dann ist man erstmal da. Schwierig zu sagen wie es dann weitergeht. Ich jedenfalls schaue mir das Programm an. Ich kreuze an was mir gefällt. Ich trage es mir ins Smartphone ein. Ich gehe herum und finde keinen Gefallen bei der Vorstellung, dass ich Offenheit performen muss und sitze deswegen zurückgezogen auf einem Sofa und schreibe – weil es geht. Der Vorteil, jedenfalls im Vergleich zur ähnlichen Situation gestern, ist ja, dass ich im Prinzip ununterbrochen tun kann was ich will. “Im Prinzip” deswegen, weil ich ja die Termine der mich interessierenden Veranstaltungen im Kalender hab. Und so werde ich dann irgendwann heute doch noch in Bewegung versetzt werden.

Kann man das mal ordnen?

Man kann folgende Zuordnungen machen: Es gibt mich, es gibt den Ort, das Thema, es gibt andere Menschen, die sich in gewisser Weise verhalten. Das Thema, wie auch anderes (die Akustik, z.B.) provoziert auch hier kleinere “Konfliktchen”, die die Veranstaltung für sich in Bewegung halten. Es gibt die Technik, es gibt die Menschen, die die Technik beaufsichtigen. Es gibt Essen, Möbel, Programme und Prospekte, es gibt verschiedene Zwischenmenschlichkeiten. Es ist dabei alles mehr oder weniger homogen, trotz allem. Die Veranstaltung liest sich als eine Veranstaltung, sie wird zusammengehalten. Von was?

Vielleicht sollte man das alles besser beschreiben.

Es ist kurz vor Mittag als ich den Supermarkt in der Brunnenstraße betrete. Ich bin nicht direkt aufgeregt, aber ein gewisses Kribbeln ist da – vor allem weil ich weiß, dass es eine Zeit für mich als Fliege an der Wand sein wird. Als ginge es darum diese Vorahnung zu bestärken, werde ich am Eingang aufgefordert mir ein Namensschild an die Brust zu kleben. Es gibt unterschiedliche Varianten von Namensschildern: Bedruckte, die für eingeladene Gäste sind und unbedruckte, die man selbst beschreiben darf. Der Edding ist dabei viel zu dick für eine Selbstbeschreibung. Jedenfalls: Markiert man sich als Teilnehmer_in selbst namentlich und bekommt danach die Aufgabe sich über einen farbigen Punkt (ein Sticker, den man sich auf seinen Namenssticker klebt) einer Gruppe zuzuordnen: Journalist_in, Autor_in, usw. Ich wähle als Gruppenzuordnung die Gruppe “was anderes…?” weil ich nämlich dann keinen Aufkleber auf meinen Aufkleber kleben muss. Und das finde ich irgendwie ein bisschen lustig. Es passt auch so gut, zur Gruppe, irgendwie. Ich laufe dann durch den “Supermarkt”. Und sehe, dass es zwei Bühnen oder Veranstaltungsorte gibt: Beide sind sehr voll. Wir haben da einerseits die “Electric Enquette” und andererseits das “Electric Café”. Die Bühnen unterscheiden sich vor allem durch ihren Aufbau, der für erstere eine Art Mainstage und für zweitere eine art alternative Stage als Charakaterisierungen nahe legt. Dabei sind die Themen gar nicht so leicht zu unterscheiden. Die Bühnen liegen an gegenüberliegenden Enden des Veranstaltungsortes. Da dieser aber vor allem wenig räumliche Trennungen hat (feste Trenner sind hier höchstens die Säulen, neben den paar wenigen Wänden), hat man das Problem, dass man ganz egal wo man sich befindet beide Stages gleichzeitig hören kann. Klar, das funktioniert nicht notwendigerweise gleich gut von jedem Ort im Supermarkt. Aber man hört das Gebrabbel von beiden Stages. Dadurch entsteht schnell das Gefühl, dass man weder der einen Veranstaltung noch der anderen “in Ruhe” folgen kann, weil man ja dafür Ruhe bräuchte. Ich wandere deshalb nur zwei Mal uninspiriert durch den Supermarkt und gehe nach draußen für einen Moment um mich im Programm zu orientieren und auch, um mir zu überlegen was ich jetzt eigentlich genau mit dieser Situation anfangen will. Ich lese das Programm, kreuze ein paar Sachen an und weiß jetzt, dass ein mittelgroßer Teil meiner Anwesenheit hier keine Konzentration auf eine der beiden Bühnen erfordert. Ich überlege mir zu lesen und zu schreiben in der Zeit. Ich gehe von draußen wieder rein und es ist sensorisch immer noch sehr anstrengend. Ich werde kurz von einem Menschen, der zur Location gehört gefragt, was ich hier erwarte. Ich hole mir einen Kaffee und setze mich hin. Seitdem schreibe ich auf, was dieser Ort/dieses Event eigentlich ist.

Und erstmal gibt es mehr dazu nicht zu sagen.

(Knapp 3 Stunden später.)

Jetzt gibt es wieder etwas zu sagen. Nämlich: Die ganz eindeutige kommerzielle Ausrichtung wirkt stark auf die Veranstaltung ein. Man versucht sich zu zeigen, was mir exemplarisch vorgeführt wurde im Big-Data-Panel gerade eben: Da sitzen Leute vorne, die sich und ihre Projekte vorstellen und erklären wie diese von ökonomischem Vorteil sind.

Es gibt in diesem Sinne nur ein ökonomisches Erkenntnisinteresse, nämlich: Wie kriegt man es hin, dass die eigenen Produkte am Markt sichtbarer und interessanter werden? Kann uns Big-Data dabei helfen und wenn ja, wie? Es geht eher nicht darum die Formation “Big Data” als solche mal zu untersuchen. Was kann sie uns eigentlich sagen, welchen Zugang zur Welt ermöglicht sie? Aus diesem Panel kommend, kann man den Eindruck gewinnen, dass diese Veranstaltung exemplarisch für eine Defensivbewegung des Buchmarktes/Textmarktes steht. Ich habe das mit dem Gedanken an Kathrin Passigs “Margarinen-These” verbunden, die (so in etwa) besagt:

Wenn ich an einen Text aus dem einen oder anderen Grund nicht drankomme, dann komme ich halt an einen anderen, äquivalenten Text.

Bei ihr ging es dabei vor allem um wissenschaftliche Texte, aber die These funktioniert natürlich auch für Bücher ganz allgemein: Wenn ich Interesse an einem Krimi, der in Berlin spielt habe und das mein ganzes Interesse ist, dann ist es egal welchen der Drölfzigtausend Berlin-Krimis ich nachher in Händen halte: Sie sind auf dieser Ebene äquivalent. Diese These ist umgewendet nicht anders als die Angst die diese Rückwärtsbewegung des Buchhandels provoziert hat. Es gibt so viele Texte, es gibt so viel ähnliches, wie kriegen wir es hin, das Besondere im Ähnlichen herauszustellen?

Individualitätssteigerung durch quantifizierende Methoden. Wie soll das funktionieren?

Mehr gibt es hierzu dann erstmal auch nicht zu sagen. Ich bin mir nicht mal sicher, dass das hier überhaupt noch etwas mit der Electric Book Fair zu tun hat.

(noch mal mindestens zwei Stunden später…)

Ich schrieb auf Twitter: “Persistenz vs. Provinienz ist the matter of concern. #ebf14”

Was könnte das meinen? Herkunft und Verleib sind zwei sehr unterschiedliche Dinge, die sich in der “eigentlichen Sache” treffen. Bei E-Books treffen sie sich eben im elektronischen Text, wie dieser sich auch immer darstellt/wie er auch immer figuriert sein mag. Jedenfalls ist das Gerade in Bezug auf die Sichtbarkeit dieser Sache von Bedeutung. Aber nicht nur das ist von Bedeutung. Von Bedeutung ist auch: Dass es eben nicht um eine Sichtbarkeit geht. Es ist also, kurz gesagt:

Historizität + Interesse der Akteure + deren Verbindung = Sichtbarkeit

Vielleicht. Oder: Herkunft ist deshalb interessant, weil es das besondere, das eigentliche herausstellt. Verbleib ist deswegen interessant, weil es zeigt, wie ähnlich es dann doch wieder ist. Auffindbarkeit, die ja mit Verbleib assoziiert wird, hat eben nachher eher was mit Ähnlichkeit als mit Herausstellung zu tun. Ist ja auch klar: Die meisten Online-Dinge machen gleich. Sie funktionieren nicht umsonst so wie sie funktionieren: Die Geschichte der Informationstheorie/Systemtheorie/Kybernetik bietet dafür ein schönes Beispiel.

Was heißt das aber für Sichtbarkeit des E-Books?

Es kann nicht (mehr) darum gehen, die Besonderheit herauszustellen, sondern es müssen ganz im Gegenteil die Austauschbarkeit betont werden. Wir brauchen mehr Texte, auch mehr ähnliche, damit es eben nicht mehr darauf ankommt, dass unbedingt Text X oder Text Y findet. Das ist dann auch der “Stream” der Literatur. Das ist, was Spotify für die Literatur wäre: Ein eher über den Zugang überhaupt und die Dauer dieses Zugangs zu denkende Literatur. Dabei geht es nicht um die Austreibung eines wie auch immer gearteten “Geistes” aus der Literatur. Es ist vielmehr die Austreibung der (Stück-)Ware aus der Literatur. Das ein Text ein Text ist, dass er als Stück produziert wird, ist so wahr, wie banal, wie egal. Denn die andere Seite, die des Lesens, hat nachher zwar durchaus den Anspruch etwas “fertig gelesen” zu haben, aber damit hört das Lesen nicht auf, das Stück hört auf, das Geschriebene hört auf, aber das Lesen eben nicht. Was ist Lesen von der Query her gedacht?

  1. An diesem “Gestern” habe ich einen Workshop zum Thema “Post-Media” technisch betreut. Habe dazu im Journal was veröffentlicht (bzw. je nach dem werde ich es demnächst tun). Hier findet sich eine Rohfassung dieser Notizen.

Awareness and Description

What has become increasingly important to me in the last few months is the notion of awareness and description as the most important aspects of my work as a student of the history of science. What do I mean by that?

Since I was a child, I always had the drive to discus everything. I remember clearly whole afternoons flying by while discussing with my dad what’s right and what’s not: politics, science, philosophy. These discussions were not very sophisticated, of course and in hindsight I would say, I learned more about the rhetoric of argument than about any particular topic itself. Either, because I didn’t understand what my Dad told me, or because he didn’t know an answer to my never ending questions and had to speculate. And there were often times when we had to speculate like crazy (which was also the most fun part in all of this).

So I grew up, always being engaged in discussions about almost everything. Since having that as a kind of biographical foundation, a kind of talent if you will, it became more and more important to me to “win” said arguments (or, at least some of them). Of course, I was a teenager when this came about and it needed several years of being obsessed with winning arguments to understand that this is not how it works: It’s not about winning arguments (it’s about not loosing ones if you wanna be a power gamer about it). Since I started studying the history of science and technology, this changed again. In the last four years I learned, that it’s much more interesting to me to argue about something I’m interested in – this time not for the sake of argument, but rather for the sake of interest. This means a point I’m trying to make can fail and that’s okay. Because now it’s not about the argument (even though I like mine like I like my vests: bulletproof…). I care much more about the process of acquiring an understanding of my topic of interest.

A concrete example

In one of my courses, I work with an estate of a botanist, that is famous for the rediscovery of the mendelian papers, Carl Correns. What interests me though, is not so much the story of Correns, but the story of writing history about Correns (well, actually I will only look at one of many stories). The historian of science Hans-Jörg Rheinberger has written about Correns in the 90s and early 2000s and argued by examining and interpreting Correns’ protocols for a more complicated history of the botanists hybridization experiments with peas, that lead him to the rediscovery of Mendel. Since I can access the same archival materials as Rheinberger did, I can ask questions about how he forms his argument in his papers and how sources get deployed. By trying to retrace the way Rheinbergers historiography works, I hope to get some insights into the interrelationship between a text as a mediator and what is happening to construct said mediator. The idea for that came from putting together two things:

  1. Rheinbergers concept of an experimental system and his concept of epistemic things
  2. Latours concept of a text as a laboratory

Bringing both things together seems very interesting to me. It might not work. I might not be able to tie all these things together in a satisfactory fashion. And the weird thing is: I am interested in the outcome no matter what.

Bringing it back to awareness and description

So what has all that to do with awareness and description? Both help me to stay focussed on the concrete interests of mine and be reflexive at the same time.

Without awareness it would be very easy for me to just do whatever. This is what has happened in the last few years way more than I care to admit. I started with something I found interesting, read stuff here and there and before long I stopped doing research and started browsing (which can be fine, but not when you’re working on a distinct research question). Ethymologically speaking, the word “research” describes an “act of searching closely”. If you’re not aware, that you’re not researching but browsing, you’re in a bad place. Awareness comes also into play, when I’m thinking about what I’ve thought (and if I still believe it…). I don’t want to enumerate every instance where I find awareness to be essential. In relation to this text, what’s important is this: Awareness helps to recognize some of the reasons why we’re doing something (i.e. discussing stuff), it can be an agent of change (i.e. arguing for better reasons than just winning), and it suggests that there is always another way to see and do things (i.e. it’s about learning about what interests me, not the argument itself).

Description is the act of using our awareness and translating it into a text, which hopefully lends itself to intersubjective verifiability. Most texts I write implicitly state the question “Do you think about it the way I do?” Description is, where everything interesting is happening. If the description fails, no amount of explanation will be able to rescue an argument. I needed a long time to understand this: If a historical text explains a lot, it’s a sure sign that there is not enough description (this text is really close to not work because of that – and it’s not even a historical one!). Description helps others to understand where one is coming from (i.e. why I’m thinking about discussions now like I do), how one is conceptualizing their acts (i.e. how I think arguments work and should work), and finally it’s a damn good way to check if our text is working or not (i.e. Did I describe enough to talk about it, or not?).

Date for one

In order to get stuff done, we have to do stuff. It’s that simple. But it’s actually getting ourselves to commit to do something that holds us back. Employing our calendar can help. By making an appointment, a date, with oneself, we can defer a task that seems important to us, without just pushing it into an unknowable future.

Here is a pro tip: When you see something, that needs to be done and it’s only a little task that can be accomplished in two to five minutes: do it! Most things are like that. What remains on our plates are bigger projects that need planning. I want to talk about the little one off tasks right now.

Generally you should just do them. Put the cup in the dishwasher, take out the garbage, clean your desk, and so on. Do it right now. You’ll feel so much better afterwards. Easy, right? Well, I suck at doing things. And doing things right at the moment they occur to me is sometimes not an option (maybe there’s a dwarven fortress I have to tend to or some such thing). So I have struck the following deal with myself, that seems to be working and I thought it might be able to help others as well:

Whenever a task I can accomplish in the next two to five minutes occurs to me and I’m really not in the mood to put my washed cloths back in the drawer or whatever: I open up my calendar and specify a date when I’ll do it instead.

This helps in at least three ways: First, You’ll actually think about doing it. Sometimes, we register that something is there, something needs to be done, but quickly something else is grabbing our attention. We’re remarkably good at forgetting things. Second, it’s a pain in the butt to schedule a time and date to do things. So you’re more likely to do it right away when it’s just a small chore. Third, when you’re scheduling the things you’ll have to do, your future gets less foggy and you’ll be able to anticipate what’s coming. And that’s a great thing.

One last remark

It might be, that you don’t schedule and don’t do the thing that occurred to you. This is what that means: The trick isn’t working for you. Try something else. Don’t feel bad about it. It was just a suggestion. Don’t get stuck with it. I don’t even know myself, if I’m going to use it in the future.

The meta point here is, that in order to get ourselves – and keep ourselves – going we need to get creative. We need to find new ways to keep us going all the god damn time. No trick will work forever, some won’t even work at all. The goal then is to keep on being reflexive in our thinking. In the end it’s about mindfulness.

“Simple awareness” can change the world.

Instant RSS Search

David Haden macht im Jurn-Blog auf die Spezialsuchmaschine [Instant RSS Search](http://ctrlq.org/rss/) aufmerksam, die sich wirklich gut anfühlt, “one-person library” zum Beispiel wird als Phrase behandelt und gibt gute Ergebnisse.

Funktioniert super.

Discovery in Kuhn’s Structure

Discovery is both a compelling and problematic category in the history of science. We seek to identify the origins and originators of ideas we value but try to avoid telling teleological and Whigish histories. This essay reflects on Kuhn’s understanding of discoveries The Structure of Scientific Revolutions.

Was macht Kuhns Begriff von der Entdeckung aus? Wie unterscheidet sich dieser von anderen? Welche Kritik gab es an ihm?

P.S.: Mich interessiert das, weil ich mich für eine Hausarbeit zur Geschichte der Energieerhaltung, mit der Frage beschäftige, inwiefern sich nicht vielleicht doch zwischen Entdeckung und Nichtentdeckung in Bezug auf einen einzelnen Akteur unterscheiden lässt.

Our botanic gardens are about more than prettiness, or even science

Horticultural beauty is valuable for its own sake, but it is also an invitation: to thought. Every garden is a union of humanity and nature – it is, literally and metaphorically, what we make of nature. The borders of the garden represent a transition from wild or domesticated spaces, to this third space, which reveals our ideas of nature and of ourselves, combined in a single display.

How to be a fan of problematic things

Liking problematic things doesn’t make you an asshole. In fact, you can like really problematic things and still be not only a good person, but a good social justice activist (TM)! After all, most texts have some problematic elements in them, because they’re produced by humans, who are well-known to be imperfect. But it can be surprisingly difficult to own up to the problematic things in the media you like, particularly when you feel strongly about it, as many fans do. We need to find a way to enjoy the media we like without hurting other people and marginalised groups. So with that in mind, here are my suggestions for things we should try our darnedest to do as self-confessed fans of problematic stuff.

Keine Ahnung, ob ich diesen Text aus 2011 schon mal irgendwo verlinkt hab, aber er fiel mir heute im Zusammenhang mit einem Song von Olli Schulz wieder ein.

Der Song ist H.F.K.K., was für “Halt die Fresse, krieg ‘n Kind” steht. Hier die erste Strophe und der Refrain:

Deine Turnschuhe von Converse auch Chucks genannt,
sind mit Fußschweiß getränkt.
Und sie leuchten in der Sonne am Strand,
wie ein Geburtstagsgeschenk.

Du bist immer kurz vorm weinen,
du bist immer depressiv.
Und du hörst den ganzen Tag
nur traurige Musik.

Refrain

Halt die Fresse, krieg ‘n Kind!
Oder werd doch Missionar!
Meinetwegen Christin,
Baby was is denn,
komm ma endlich klar.

Was natürlich ziemlich sexistisch ist. Ich mag das Lied trotzdem. Nicht für die Reproduktion dieser Sexismen, man hätte die gleiche Sache auch in weniger blöde Sprache packen können, sondern für die dahinter stehende Empfindung. Und manchmal ist einem die eigene Emohaftigkeit halt einfach zu viel.

P.S.: Olli Schulz hat sich bei Spiegel Online dazu übrigens auch geäußert.

SPIEGEL ONLINE: Glauben Sie, dass der weibliche Teil der Welt ein Lied mit dem Titel “Halt die Fresse, krieg’n Kind” wirklich für ein Geschenk hält?

Schulz: Das hoffe ich. Das Lied ist überhaupt nicht sexistisch gemeint, sondern es richtet sich gegen diese passive Weltschmerz-Haltung, dieses Emo-Getue und diese Hobby-Depressionen. Das ist mir zu bequem. Wer der Welt wirklich helfen will, der soll was unternehmen. Die Idee zu dem Songtitel entstand bei einem Interview nach dem Bundesvision Song Contest vor drei Jahren. Da interviewte mich dieses Indie-Mädchen und fand, ich sei nicht mehr “indie genug”. Irgendwann habe ich zu ihr gesagt: “Hast du keine anderen Probleme? Krieg’n Kind! Halt die Fresse!” Mir sind ein bisschen die Nerven durchgegangen.

Wie gesagt, man hätte diesen Gedanken auch anders verpacken können. Und dass Olli Schulz gegen eine Interviewende so einen Spruch bringt ist natürlich auch problematisch. Aber wie der Text oben schon sagt (und wie ich es oben schon zitiert hab): “After all, most texts have some problematic elements in them, because they’re produced by humans, who are well-known to be imperfect.”

Resterampe für KW 19

Mein Instapaper ist bis zum Bersten gefüllt mit (mindestens für mich) interessanten Links zu allerlei Themen. Dieser Post zählt kurz die in den letzten Wochen gemachten Funde, die ich nicht unter einen thematischen Schirm bekam, auf. Auch wenn der Titel vielleicht einen anderen Anschein gibt: Ob diese Art Post zukünftig regelmäßig erscheinen wird, weiß ich noch nicht. Siehe auch: DH-Links für KW 19, Tools and Things für KW 19, GIS-Links für KW 19, Botanik, Biologie, Naturgeschichte für KW 19

  • Being a college professor isn’t really a cushy job – Mit was sich US-amerikanische Professor_innen ihre Zeit so vertreiben
  • Was Stephen Jay Gould Right? – “In 1997, the late paleontologist and evolutionary biologist Stephen Jay Gould famously proposed a resolution to the supposed conflict between science and religion. He called it NOMA, or the thesis of non-overlapping magisteria.”
  • How to Write – “I teach a Popular Criticism class to MFA students. I don’t actually have an MFA, but I am a professional, full-time writer who has been in this business for almost two decades, and I’ve written for a wide range of impressive print and online publications, the names of which you will hear and think, “Oh fuck, she’s the real deal.” Because I am the real deal. I tell my students that a lot, like when they interrupt me or roll their eyes at something I say because they’re young and only listen when old hippies are digressing about Gilles Deleuze’s notions of high capitalism’s infantilizing commodifications or some such horse shit.”
  • Writing up, or the elephant in the classroom – “‘How’s the work going?’ ‘When are you submitting?’ ‘You must be quite stressed?’ For some students, these sorts of questions are enough to provoke severe anxiety, leading to hours of crippling inertia. For others, they are white noise, while for a lucky few they are a gentle boot up the backside resulting in bursts of productivity.”
  • Human, All Too Human: 3-Part Documentary Profiles Nietzsche, Heidegger & Sartre

Botanik, Biologie, Naturgeschichte für KW 19

Mein Instapaper ist bis zum Bersten gefüllt mit (mindestens für mich) interessanten Links zu allerlei Themen. Dieser Post zählt kurz die in den letzten Wochen gemachten Funde aus dem Bereich Botanik, Biologie und Naturgeschichte auf. Auch wenn der Titel vielleicht einen anderen Anschein gibt: Ob diese Art Post zukünftig regelmäßig erscheinen wird, weiß ich noch nicht. Siehe auch: DH-Links für KW 19, Tools and Things für KW 19, GIS-Links für KW 19, Resterampe für KW 19

  • Disposable captives – Wie ethisch sind Zoos? (via)
  • Natural History’s Place in Science and Society – Abstract: “The fundamental properties of organisms—what they are, how and where they live, and the biotic and abiotic interactions that link them to communities and ecosystems—are the domain of natural history. We provide examples illustrating the vital importance of natural history knowledge to many disciplines, from human health and food security to conservation, management, and recreation. We then present several lines of evidence showing that traditional approaches to and support for natural history in developed economies has declined significantly over the past 40 years. Finally, we argue that a revitalization of the practice of natural history—one that is focused on new frontiers in a rapidly changing world and that incorporates new technologies—would provide significant benefits for both science and society.”
  • Das Blog Evolving Thoughts hat eine kleine Artikelserie zum Thema “Artbildung”, genauer zur Geschichte der Frage, wie neue Arten eigentlich entstehen (und den gegebenen Antworten):
  • Wer sich für die Geschichte der Botanik interessiert, sollte auch ein Interesse daran haben zu verstehen, nach welcher Methode die Benennung von Plfanzen funktioniert.1“A Guide To Botanical Nomenclature” ist ein Tutorial, dass die Regeln der Benennung von Pflanzen erklärt und mit Beispielen illustriert.
  • Adelbert von Chamisso war im botanischen Garten von Berlin bis 1838 Kustos des dortigen Herbariums. Das Blog Archivalia hat darauf hingewiesen, dass der Nachlass des Schriftsteller-Botanikers über die Seiten der Staatsbibliothek zu Berlin zugänglich ist.
  • Tractatus de Herbis (ca.1440) – “Selections from a beautifully illustrated 15th century version of the “Tractatus de Herbis”, a book produced to help apothecaries and physicians from different linguistic backgrounds identify plants they used in their daily medical practise. No narrative text is present in this version, simply pictures and the names of each plant written in various languages – a technique which revolutionised botanical literature, allowing as it did for easier transcultural exchanges of scientific knowledge.”
  1. Eigentlich müsste man hier sagen “heute funktioniert”, aber wie der Wissenschaftshistoriker Canguilhem richtig sagt (und wie ich nicht müde werde immer wieder aufs Neue zu zitieren): “Die Epistemologie ist dazu berufen der Historie Beurteilungskriterien zu liefern, indem sie ihr die neueste Sprache dieser Wissenschaft – etwa der Chemie – beibringt und ihr damit hilft, in die Vergangenheit bis zu dem Augenblick zurückzugehen, in dem diese Sprache nicht mehr verstehbar ist oder nicht mehr in einfachere und frühere Sprache übersetzt werden kann.” (Canguilhem, Georges: “Der Gegenstand der Wissenschaftsgeschichte”, in: ders. “Wissenschaftsgeschichte und Epistemologie”,Frankfurt a.M. 1979, S. 26) Wenn wir wissen wie die Sprache der Botanik heute funktioniert, können wir Differenzen der damaligen Sprache zur heutigen Sprachen aufzeigen und darüber historische Brüche erkennen.

Tools and Things für KW 19

Mein Instapaper ist bis zum Bersten gefüllt mit (mindestens für mich) interessanten Links zu allerlei Themen. Dieser Post zählt kurz die in den letzten Wochen gemachten Funde aus dem Bereich Productivity und Tools auf. Auch wenn der Titel vielleicht einen anderen Anschein gibt: Ob diese Art Post zukünftig regelmäßig erscheinen wird, weiß ich noch nicht. Siehe auch: GIS-Links für KW 19, DH-Links für KW 19, Botanik, Biologie, Naturgeschichte für KW 19, Resterampe für KW 19

  1. Wie immer werden Plugins natürlich über Package Control installiert

DH-Links für KW 19

Mein Instapaper ist bis zum Bersten gefüllt mit (mindestens für mich) interessanten Links zu allerlei Themen. Dieser Post zählt kurz die in den letzten Wochen gemachten Funde aus dem Bereich Digital Humanities auf. Auch wenn der Titel vielleicht einen anderen Anschein gibt: Ob diese Art Post zukünftig regelmäßig erscheinen wird, weiß ich noch nicht. Siehe auch: GIS-Links für KW 19, Botanik, Biologie, Naturgeschichte für KW 19, Tools and Things für KW 19, Resterampe für KW 19

  1. Und ganz ehrlich: Mir helfen diese Dinge auch. Ich bin natürlich längst nicht mehr so fit wie noch vor ein paar Jahren. Meine durchaus vorhanden aktiven Fähigkeiten im Bereich der Programmierung beispielsweise, sind fast vollständig zu passiven degeneriert.

GIS-Links für KW 19

Mein Instapaper ist bis zum Bersten gefüllt mit (mindestens für mich) interessanten Links zu allerlei Themen. Dieser Post zählt kurz die in den letzten Wochen gemachten Funde aus dem Bereich Geoinformationssysteme auf. Auch wenn der Titel vielleicht einen anderen Anschein gibt: Ob diese Art Post zukünftig regelmäßig erscheinen wird, weiß ich noch nicht. Siehe auch: DH-Links für KW 19, Tools and Things für KW 19, Botanik, Biologie, Naturgeschichte für KW 19, Resterampe für KW 19

  1. Das heißt man muss den uns interessierenden Link bei Google suchen und dann dort auf die Google-Chache-Version zugreifen. Dazu klickt neben dem passenden Suchergebnis auf das grüne Dreieck und klickt auf “Cached”

Über Kritik

Was ist Kritik? Inwiefern ist Kritik nützlich? In welchen Grenzen ist Kritik produktiv? Wie wirkt Kritik? Welche Ein- und Ausschlüsse erzeugt Kritik? Gibt es Alternativen zur Kritik?

Über Kritk

Was ist Kritik? Inwiefern ist Kritik nützlich? In welchen Grenzen ist Kritik produktiv? Wie wirkt Kritik? Welche Ein- und Ausschlüsse erzeugt Kritik? Gibt es Alternativen zur Kritik?

Die ISIS-Bibliographie via WorldCat durchsuchen

ISIS ist eine der wichtigsten wissenschaftshistorischen Zeitschriften. Sie wird von der US-amerkanischen History of Science Society herausgegeben und ihre wichtigste Funktion ist in der dazugehörigen Bibliografie für wissenschaftshistorischer Schriften, der ISIS Current Bibliography, kurz ISIS CB zu sehen.

Diese ist – und das dürfte immer noch nicht allen bekannt sein – über das Portal Worldcat durchsuchbar.1 Dazu genügt es das Gesuchte bei Worldcat einzugeben und mit dem Schlüsselwort “xisi2” zu versehen.

Die ISIS-Bibliographie via WorldCat durchsuchen

Die ISIS-Bibliographie via WorldCat durchsuchen

Selbstverständlich lässt sich auch nach deutschen (französischen, …) Stichworten suchen.

  1. Früher konnten, meinem Professor für Wissenschaftsgeschichte zufolge, nur Mitglieder bzw. Abonenten diese überaus wichtige Informationsquelle nutzen. Jetzt gibt es Informationen zur Wissenschaftsgeschichte für alle. Wohoo!

Suspension of Disbelief und Historiografie der Wissenschaften

Für die Wissenschaftsgeschichte ist es übrigens so, dass man mit Relativismus/Konstruktivismus am besten arbeiten kann und das auch, wenn man dem Relativismus kritisch gegenüber steht. Das liegt daran, dass zu jedem Zeitpunkt davon ausgegangen wird, dass das gegenwärtige Wissen, das am weitesten “entwickelte” wäre bzw. irgendeinen anderen Vorteil gegenüber “vergangenem” Wissen hätte. Dementsprechend kommt man, wenn man am diachronen Ideal der Geschichtsschreibung festhalten will (d.h. wenn man versucht Geschichte so zu schreiben, dass man die Vergangenheit “für sich” zu beurteilen versucht und nicht Werte und Maßstäbe der heutigen Zeit zurück überträgt und die Geschehnisse auf dieser Grundlage beurteilt, was m.E. zu einer Verzerrung der Darstellung führt. Siehe auch: Positivistische Geschichtsschreibung), um eine Relativierung gar nicht herum. Denn, was in der Wissenschaftsgeschichtsschreibung passiert, ist eine Art gut begründete “Suspension of Disbelief”, die uns ermöglicht nachzuvollziehen, wie Konzepte, Theorien, Praxen, usw. vermutlich gewirkt haben, was ihre Bedeutung war und für was sie später gehalten wurden, und heute sind. Geschichtsschreibung ist eine Methode, bei der eine narrative Struktur über vergangene Geschehnisse ausgebreitet wird, mit dem Ziel Verständnis für eine andere Zeit, für einen anderen Zustand der Welt – insbesondere der Welt menschlicher Wesen (aber nicht nur) – zu erlangen. Man macht das, in dem man folgende Ingredienzien zusammenträgt:

  • Fakten
  • Chronologie
  • Narration

(Je nach Art der Geschichtsschreibung ist die Gewichtung dieser Faktoren unterschiedlich. Aber ohne diese Elemente ist keine Geschichte zu schreiben. Ob man hier noch “Analyse” reinnehmen sollte ist mir noch nicht klar, könnte gut sein.) Die Geschichtsschreibung steht dabei in einem Verhältnis folgender drei Akteure:

  • der historische Stoff
  • dem_der Historiker_in
  • dem Publikum

Wir können sehen, dass die Ingredienzien über die Schnittstelle des_der Historiker_in dafür verwendet werden eine bestimmte Art von Verständnis im o.g. Sinne zu erzeugen. Dieses Verständnis für die Welt kann dabei unterschiedliche Formen annehmen und je nach eigener epistemologischer Überzeugung durchaus auch anti-relativistisch sein. Aber: Die Praxis des Geschichte Schreibens, jedenfalls des Wissenschaftsgeschichte Schreibens, ist dabei stets von der “Suspension of Disbelief” abhängig und diese erfordert eine Relativierung des Wissens. Daran führt aus meiner Sicht kein Weg vorbei.

P.S.: Ich will Beiträge dieser Art, also solche, die offensichtlich noch unfertige Gedanken oder risikoreiche Formulierungen enthalten und noch keine feste Meinung, kein festes Konzept abbilden gerne mehr schreiben und öfter im Blog publizieren. Keine Ahnung, ob mir das gelingen wird, aber auf diese Weise kann ich vielleicht abbilden, wie ich zu einer bestimmten Einsicht kam und welche Geschichte hinter dieser Überlegung steht.

What Can You Do With a Humanities Ph.D., Anyway?

There is a widespread belief that humanities Ph.D.s have limited job prospects.

Und dieser Artikel versucht zu zeigen, dass Ph.D.s aus den Humanities in den USA durchaus nicht nur Taxifahrer_innen geworden sind, wenn es mit der akademischen Karriere nicht geklappt hat.

Ich frage mich, da ich auch mit dem Gedanken spiele, das Abenteuer Doktortitel nach meinem Masterstudium anzugehen, wie die Situation in Deutschland aussieht.

Ein bisschen was kenne ich ja dazu:

Doch wird sich bei diesen Dingen eher mit der Frage “Wie viele schaffen es im akademischen Bereich Fuß zu fassen?” beschäftigt. Eine Untersuchung derjenigen, die keine akademische Laufbahn nach dem Erlangen eines Doktortitels verfolgen und das dann vielleicht noch speziell für den Bereich der Wissenschafts- und Technikforschung, ist mir jedenfalls nicht bekannt.

The Orc-Paladin relationship is nothing more than an oppressive power structure

Wenn ihr euch, wie ich, schon immer gefragt habt, wie das eigentlich wäre, wenn die Spielleiterin Simone de Beauvoir einer Rollenspielgruppe – bestehend aus Jean-Paul Sartre, Immanuel Kant, Michel Foucault und Jaques Derrida – einen Haufen Orks auf den Hals hetzt, dann findet ihr jetzt endlich eine Antwort. Und das auch noch in Form eines Comics!

P.S.: Wunderbarer Webcomic übrigens, die anderen Episoden sind auch sehr zu empfehlen. Das ganze erinnert mich übrigens irgendwie an die Comicserie “for Beginners” (openmedi berichtete).

P.P.S.: Oh und wo wir gerade beim Thema sind: Wer gerne anderen beim D&D Spielen zuhören möchte, kann das beim Podcast Total Party Kill tun. Und sich krumm, schief und scheckig lachen.

(via)

Geschichte und Geografie zusammenlegen

Geschichte ist eine Disziplin, die sich Entwicklungen, also dem Vergehen von Zeit, widmet. Geoinformationssysteme, kurz GIS, geben uns die Möglichkeit Daten geografisch zu visualisieren. Beides zusammenzulegen und auf diese Weise eine temporal-geografische Sicht auf (geschichtliche) Entwicklungen zu bekommen, halte ich für sehr erfolgsversprechend auch und gerade im Bereich der Wissenschaftsgeschichte.

Dieser Absatz schien mir im Nachhinein etwas schief zu klingen und ich wollte ihn immer wieder nachbessern, aber je länger ich drüber nachdenke, desto besser passt er dann doch: Ich spreche davon, dass man beide Felder – Geografie und Geschichte – und ihre jeweilige Expertise – spatiale Daten visualisieren bzw. plausible Beschreibungen für historische Entwicklungen finden – zusammenlegen kann und sollte, weil sich daraus vielleicht interessante Einsichten gewännen ließen.

Ich spreche dabei aber keinesfalls von einem synchronen Zusammenlegen, sondern von einer Benutzung von Geoinformationssystemen für das historische Arbeiten. Insofern ist die von mir implizit mitschwingende Hierarchie – Geografie/Kartografie (bzw. ihre Technik: des Geoinformationssystem) als historische Hilfswissenschaft – schon in Ordnung.

P.S.: Als ich mir das jetzt gerade so explizit gemacht habe, fällt mir auch noch ein weiterer Punkt auf: Nämlich der eindeutig schon viel ältere Zusammenhang von Geografie/Kartografie und Geschichte. Karten zur Visualisierung von geschichtlichen Konstellationen (meistens als Momentaufnahmen), sind ja keinesfalls erst mit dem Aufkommen digitaler Informationssysteme im Einsatz. Dementsprechend ist die Hoffnung die man in die GIS als Historiker_in steckt nicht neu, sondern artikuliert sich nur neu. Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit dafür wäre etwa der “Atlas of the Historical Geography of the United States” von John K. Wright, der 1932 erschienen ist und erst kürzlich digitalisiert und “interaktivisiert” wurde (openmedi berichtete).

What Historians Want from GIS

As exciting as these new triumphs and opportunities are, we nonetheless recognize that there is much more to do to adapt GIS to a discipline, such as history, for which time is significant. I prefer to describe what we advocate as geographically integrated history because we cannot be locked into the questions and analytical techniques dictated by the available GIS software. Yes, of course, there are applications and combinations of applications that will take us partway down the required paths of dynamic history. To make further progress, though, it is clear that historians must concentrate on developing, in collaboration with other disciplines, process models that capture the importance of geospatial relationships and variations.

Was Jack Owens hier schon 2007 geschrieben hat, stimmt nach wie vor für das Feld: Geschichte ist eine Disziplin, die sich Entwicklungen, also dem Vergehen von Zeit, widmet. Geoinformationssysteme, kurz GIS, geben uns die Möglichkeit Daten geografisch zu visualisieren. Beides zusammenzulegen und auf diese Weise eine temporal-geografische Sicht auf (geschichtliche) Entwicklungen zu bekommen, halte ich für sehr erfolgsversprechend auch und gerade im Bereich der Wissenschaftsgeschichte.

P.S. Hier zeigt sich für mich außerdem eine Parallele zur Debatte darum, was die Geschichte (der Wissenschaften) eigentlich der Philosohie (der Wissenschaften) zu bieten habe.1 Meistens kommt man dabei zu dem Ergebnis, dass die Geschichte mindestens empirisches Material für das Philosophieren liefern kann. Wie wir im obigen Zitat sehen, könnte die Geschichte auch für die Strukturwissenschaften, die Geographie und andere Felder, die sich mit dem Problem nicht-linearer und zeitlich-dynamischer(-geografischer) Phänomene von der mathematischen Seite her beschäftigen, als “Labor” mit zahlreichen relevanten Problemkonstellationen interessant werden.

  1. Wie erst vorletztes Jahr in diesem Sammelband erneut diskutiert wurde: Mauskopf, Seymour; Schmaltz, Tad: “Integrating History and Philosophy of Science: Problems and Prospects”, Dordrecht 2012

Open Access Maps at New York Public Library

The Lionel Pincus & Princess Firyal Map Division is very proud to announce the release of more than 20,000 cartographic works as high resolution downloads. We believe these maps have no known US copyright restrictions.* To the extent that some jurisdictions grant NYPL an additional copyright in the digital reproductions of these maps, NYPL is distributing these images under a Creative Commons CC0 1.0 Universal Public Domain Dedication.

Und noch eine interessante Sache aus dem Bereich Digitalisierung. Die New York Public Library stellt 20000 ihrer Karten in die Public Domain und zum Download bereit.

P.S.: Ich hatte ein bisschen gehofft, dass es vielleicht mehr Karten vom botanischen Garten in New York geben würde, aber immerhin: Eine Karte dazu ist besser als keine.

Deutsche Digitale Bibliothek jetzt in der ‚Vollversion‘

Seit die Deutsche Digitale Bibliothek mit ihrer Betaversion Ende 2012 ans Netz gegangen ist, ist viel passiert: Millionen von neuen Inhalten – Bücher, Archivalien, Bilder, Skulpturen, Filme, Noten und Tondokumente – sind hinzugekommen. Zahlreiche Funktionen und technische Neuerungen konnten realisiert werden. Damit sind wir unserem Ziel, als zentrales nationales Zugangsportal die deutschen Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen und ihre digitalen Angebote miteinander zu vernetzen, ein gutes Stück näher gekommen.

Dieser Anlass wurde heute in Berlin genutzt um die erste “Vollversion” (eine Bezeichnung, die ich für Websites irgendwie albern finde) zu präsentieren. Ich konnte leider nicht da sein. Für alle, denen es genauso ging, gibt es ein wunderbar übertrieben dramatisches Einführungsvideo. Alternativ kann man sich auch ein Interview mit dem Kulturmanager™ Paul Klimpel im Deutschlandradio Kultur anhören.

Eine kleine Testsuche (Botanik, Adolf Engler) hat ergeben: Das Angebot ist sehr interessant und eine wunderbare Ergänzung zu solchen tollen Sachen wie beispielsweise der Biodiversity Heritage Library und dem darauf aufbauenden Biostor.

Mal sehen, was es dann im tatsächlichen Einsatz so kann.

P.S.: Das Frontend der DDB ist übrigens Open Source.
P.P.S.: Eine API gibt es auch!

An: Dich

Hallo du,

schon viel früher hätte ich dir antworten sollen. Selbstverständlich hat mich dein Brief, haben mich deine Briefe erreicht. Meine Briefe haben den umgekehrten Weg nicht mehr geschafft. Dies ist der Letzte Bote, der durch die Reihen meiner dornigen Verteidigung gebrochen ist und nun endlich etwas von mir berichten kann. Doch du wirst gleich sehen, dass seine Mission eine andere ist. Es tut mir sehr leid, dass es so viele Versuche gebraucht hat, bis einem meiner Texte die Flucht zu dir gelungen ist. Du wirst sicher wissen wollen wie es mir geht. Und ich will sagen, dass es gut geht. Will deine Frage ungerechterweise also umgehen, überspringen und stattdessen dich fragen: “Wie geht es dir?”

Wie gefällt dir der Ort an dem du bist? Trägt er zu deinem Glück bei, zu deinem Gefühl, eine Identität zu haben? Oder bist du ständig unterwegs und ist es diese Bewegung – fort von dem alten Ort, hin zum neuen Ort, sich orientieren und schon wieder auf dem Sprung sein – die dich dein Ich fühlen lässt? Oder gar etwas dazwischen, changierend zwischen ausharren und aufbrechen, vielleicht suchend, vielleicht gerade nicht suchend? Ich hoffe du kannst zumindest etwas angeben, Bedingungen für den Ort auf den du dein Leben beziehst. Als Ziel-, Flucht- oder Lebensmittelpunkt, möglicherweise als Punkt jenseits von allen und allem. Als Start- oder Schlusspunkt.

Ich hoffe du gehst unter Leute, oder lässt es bleiben. Ich hoffe, das ändert sich regelmäßig oder unregelmäßig. Wie sind die Menschen um dich? Benehmen sie sich angemessen und auch angemessen daneben? Gibt es da genug Stimulanz, genug Ruhe, genug von Zwischenmenschlichkeiten der Art wie du sie jetzt, kurz-, mittel-, langfristig und/oder rückwirkend brauchst? Ich wünsche dir es. Wünsche dir die überraschende Wärme und Kälte fremder und bekannter Körper, wünsche dir Sex, wünsche dir, dass du Liebe kennst, wenn du damit etwas anzufangen weißt, dass du sie finden mögest, wenn du nach ihr auf der Suche bist. Ich wünsche dir, dass du Freunde hast, die für dich einen Teil der Entscheidungen mitbestimmen können, wenn du ihnen diese Ehre und Bürde gewähren willst. Wie du siehst: Ich kann dir nichts abnehmen, kann weder die Ehre noch die Bürde auf mich nehmen. Ich kann dir nur wünschen, dass du für alles in deinem Leben Wünsche artikulieren kannst. Ausschweifend oder kurz. Tanzend? Es ist von dir abhängig.

Ich wünsche dir, wenn es dir gefällt, dass dir jemand Bilder mit dem Zeigefinger auf den nackten Rücken am Strand deiner Wahl malt. Und wenn du Melancholie schön findest, dass du dich selbst und allein, nicht einsam, im grüngraublau deiner liebsten Herbstlandschaft fast zu verlieren glaubst – nur um dich, um dein Ich, dann doch irgendwo ein Stück zurückzugewinnen. Ich wünsche dir konkrete Erfahrungen, von dieser Art. Erfahrungen von der Art, wie sie dich noch lange in Schwingungen versetzen können – könnten – und dir die Möglichkeit zu deiner Kreativität eröffnen, wie immer der Weg dorthin für dich konkret aussehen mag.

Ich möchte einen Ort, eine Identifikation, eine Umwelt für dich mitersehnen, doch fehlt mir der Zugang, die Möglichkeit dazu. Das heißt, du bist fürs Erste auf dich allein gestellt und ich bin, wie so oft, nicht sehr hilfreich. Diese eine Bitte sei mir jedoch noch gestattet: Nimm diesen Brief als Anlass, als Ausgangspunkt oder Bewegungsgrund, als Anstoß, zur Gelegenheit deinen eigenen Möglichkeitsraum als Wirklichkeitsraum zu gestalten. Du existierst, so viel ist sicher. Und klar bedeutet das “in Abhängigkeit zu so vielen und vielem, aus Gründen verschiedener historischer, biografischer und biologischer Begebenheiten genau hier und jetzt, so oder so”. Doch bist du nicht vollständig determiniert, verdammt, verpflichtet, befähigt. Du bist kein Schienenfahrzeug, höchstens eingefahren. Und das heißt: Alles andere ist jetzt erstmal von dir abhängig, wenn du möchtest.

Liebe Grüße und auf bald!

Dein,
Ich.

U9 nach Flucht

Ich sehe sie immer noch ziemlich gut. Nicht richtig natürlich. Das ganze ist über zwei Wochen her. Aber ich bilde mir ein, dass ich sie besser erkennen kann, als ich es wirklich kann und das hier hilft – zumindest ein bisschen.

Wir saßen beide in der U9, etwas schräg versetzt. Ich hatte irre laut Musik auf den Kopfhörern. Matula. Drei Minuten. Ich nahm einen Um- auf dem Heimweg, um einen Freund zu besuchen, der Computerprobleme hatte, sonst hätte ich sie nie gesehen. Ich habe ihre Stimme leider nie gehört. Ich stelle mir vor, dass sie etwas tiefer ist, nicht piepsig, aber auch nicht rauchig. Sie telefonierte und ich konnte, wenn ich über den Bügel meiner Brille linste, während ich so tat, als würde ich konzentriert die Timeline auf meinem Smartphone verfolgen, ihre graue enge Hose, die viel zu sauberen New Balance Sneaker, ein Knie und vorbei an einer beigen, turnbeutelartigen Tasche ein kleines Dreieck von ihrem Schoß sehen. Ich habe bestimmt auch alle fünf Sekunden hochgeschaut, scheinbar aus dem Fenster der Ubahn. In die Dunkelheit geschaut. Sie lächelte mich an, oder zumindest… in meine Richtung, die Augen abwesend, in die Ferne gerichtet. Vermutlich lächelte sie ins Telefon. Leicht schiefe Zähne, etwas was ich sehr mag. Sie hatte nicht direkt hellblondes Haar, aber hier mochte das Licht täuschen, einige Dreads schlängelten sich durch das auch ansonsten eher strähnige Haar. Der Hoddie, den sie trug, der war glaube ich grau. Oder blau. Ich nahm mir vor, ihr Aussehen nicht sofort wieder zu vergessen. Das passiert mir nämlich ständig. Ich bin nicht vollständig gesichtsblind, aber doch zumindest so sehr, dass ich selbst beste Freunde auf der Straße nicht immer gleich, manchmal gar nicht, erkenne. Sie flüchtet aus meinem Kopf. Ich habe sie nicht angesprochen. Warum?

Ich kann sie mir lebendig machen, weil ich mich an zwei ihrer Gesten erinnern kann: Geste eins war, wie sie ihre Tasche, in der vor Ewigkeiten mal etwas ausgelaufen sein musste, wie bräunliche Flecken am Boden derselben verrieten, mit der Hand festhielt. Ihre Hand hielt die Tasche genau an einer Ecke auf ihrem Schoß. Die Tasche hatte damit noch Spiel, konnte weiter auf ihren Schoß, wenn sie wollte, aber nicht auf den Boden. In der Tasche war etwas, das konnte man sehen, das diese untere Ecke die in ihrer Hand lag, mit der sie Tasche vom Hinuntergleiten auf den Boden abhielt, gleichmäßig ausfüllte. Da war keine Unebenmäßigkeit, keine Falte im Turnbeutelstoff dieser Ecke, nur Glattheit. Und diese gespannte Glattheit ruhte in ihrer Hand. Meistens jedenfalls. Sie hatte diese Ecke kurz über dem linken Knie durch ihren Handballen ausbalanciert. Da ihre Hände aber eher klein waren und die Tasche, durch den die Ecke ausfüllenden Gegenstand, beweglicher, unhandlicher war als sonst, balancierte sie ihren Handballen ab und an neu aus. Die andere Hand konnte nicht zu Hilfe kommen, denn diese hielt ja das Smartphone ans sehr kleine, gepiercte Ohr. Sie drehte also den Handballen mit einer Handgelenkbewegung an der Ecke, wobei bis auf den Daumen alle Finger locker, nur durch die Spannung der in ihnen liegenden Sehnen gehalten, leicht von der Tasche abstanden und sich in diesem weichen, kaum wahrnehmbaren schraubenden Balanceakt des Handballens ebenfalls hin und her bewegten. Man wollte diese Finger sofort greifen, behutsam natürlich, sie sich beschauen, vorsichtig küssen vielleicht und dann, ganz vorsichtig, mit der eigenen viel zu großen, viel zu rauen Hand ihre umschließend, die Fingerspitzen an die Tasche drücken.

Die zweite Geste hat mit ihrem linken Fuß zu tun. Sie schlug die Beine nicht an den Knien übereinander, sondern unten an den knöcheln. aber auch das war flüchtig. Ihr ganzer Körper war die ganze Zeit viel in Bewegung, aber vor allem ihr Unterkörper. Mir fällt das Tucholsky-Zitatbruchstück “Dunnerkeil, das Unterteil” ein. Ihr linker Fuß. Dieser kreiselte nämlich ständig. In der Ausrichtung eindeutig auf mich zeigend. Sohle, Seite, Fußspitze, andere Seite, Sohle, Seite, Fußspitze… Alles sehr schnell, aber immer in Linie auf meine Körpermitte gerichtet. Vermutlich knackte es bei ihr leise im Knöchel, wenn sie den Fuß auf diese Weise drehte, dachte ich. Die Entdeckung wurde ihr zur Angewohnheit, wurde schließlich zur unbewussten Handlung. Wie anderen das Knie wippte, kreiste ihr linker Fuß selbsttätig. Das ist sie für mich in der Erinnerung: Das Beine an den Knöcheln übereinander Schlagen, dann wieder die Beine angewinkelt, ihr kreiselnder Fuß, das vorsichtige Nachjustieren ihrer kleinen Hand, mit den leicht abstehenden Fingern, an der Ecke ihrer Tasche, ihr Lächeln, das Smartphone am kleinen Ohr. So saß sie in der U9 mir schräg gegenüber. Ich wollte sie auf Händen tragen, wollte ihr Schuhe und Tasche fortreißen, wollte sie fortreißen. Sie sollte mich fortreißen! Ich wollte der sein, zu dem sie fährt, mit dem sie telefoniert, für den sie lächelt, der sie zum Lächeln bringt, den sie zum lächeln bringt, mit dem sie plant nie wieder die U9 zu betreten, sondern eine Rakete zu bauen und zum Mars zu fliegen. Wir würden auf dem Weg dorthin zwar sterben, aber was tut man nicht alles für die Wissenschaft, für die Menschheit! Wir würden die erste Marsmenschengeneration zeugen, noch während wir im Weltall veglühten.

Und dann rief mein Freund an und fragte wo ich bliebe. Ich stieg eine Station zu früh aus und kam absichtlich noch etwas mehr zu spät. Zwischen Leopoldplatz und Nauener Platz liegen irgendwo noch zwei oder drei Tränen der Erregung. Angesprochen habe ich sie nie. Warum?

Schreiben und beichten

Sich über seine eigene Textproduktion bewusst zu werden, darum geht es doch hauptsächlich. Man will schreiben um zu sehen, was man schreibt. Man macht das, weil man gerne weiß wovon man spricht, oder besser: schreibt.

Dafür schreibe ich jedenfalls ständig. Ins Tagebuch, Notizen, ins Blog, bei Twitter, neuerdings ins eigene Wiki. Bei Twitter, in gewisser Weise, als Beichte für das was ich im Leben mache und was nicht gut läuft. Das ist noch von früher, als meine Eltern noch “richtig” und “falsch” für mich unterschieden. Da war es auch immer so. Hatte ich etwas verbrochen, hatte ich beispielsweise länger am Computer gesessen als abgesprochen und mich damit nicht an eine gemeinsam getroffene Abmachung gehalten, dann war es das beste, meinen Eltern einfach zu sagen, dass es sich so verhalten hatte, dass es mir leid tat, dass ich es nicht wollte, aber vor allem: Dass es nun mal passiert war. Die Eltern maßen mich mit einem strengen Blick, verstanden aber. Selten wurde es laut, die Enttäuschung war kontextualisiert und der Fehltritt damit irgendwie Geschichte geworden. Es konnte weitergehen.

Mit diesem Anspruch an mich und andere gehe ich auch noch heute durch die Welt. Ich bewerte Menschen nicht danach, was sie tun, sondern wie sie sich zu dem verhalten was sie getan haben. Mist gebaut? Hm, blöd. Danach aber entschuldigt? Alles wieder gut. Danach so getan als wäre nichts geschehen? Fick dich! Zugegebenermaßen ist eine meiner schlechteren Eigenschaften über die Intentionen von Menschen – denn darum geht es mir bei der Bewertung von anderen, die Intention ist wichtig – wild zu spekulieren. Meine Intentionsintuition ist dabei leider schlecht ausgebildet. Ich schätze fast alles immer falsch ein. Dadurch, dass ich es aber zugebe und später einsehe, mich entschuldige, beziehungsweise feststelle, dass ich mich in diesem Menschen oder in der hinter der Handlung stehenden Intention des Menschen geirrt habe, stört mich das alles überhaupt nicht. Meine Meinung ändert sich, das Bild wird angepasst. Weiter geht’s mit leben. Hoffentlich ohne, dass der andere Mensch je von meiner Fehleinschätzung Wind bekommen hat.

Twitter ist also meine Beichte. Da kommt mehr oder weniger alles raus. Es gibt so zwei drei riesige Geheimnisse, die ich auch dort nur durch die Blume in die Welt lasse, aber sonst werden keine Gefangenen gemacht. Ich bin übertrieben emotional, kitschig und unausgeglichen. Außerdem setze ich mich über das Format eines Tweets hinweg, weil der Drang zu beichten stärker ist, als der Drang der Form zu entsprechen. Also tweete ich auch mal einen Gedanken über mehrere Tweets. Tweete betrunken, tweete heulend, tweete verliebt, tweete entäuscht. Tweete den abgepulten Schorf meiner Seele. Meine Tweets sind sehr oft mit Fehlern übersät. Rechtschreibfehler, Kommafehler, Logikfehler, schiefe Bilder. Auch hier ist es wichtiger zu beichten, als dem eigenen Perfektionismus zu genügen. Denn ich weiß, dass mein nächster Fehltritt, meine nächste Ungebührlichkeit definitiv gleich folgen wird. Ich versuche mir selber und – potentiell zumindest – auch anderen Rechenschaft darüber abzulegen wie ich bin, um damit so sein zu dürfen wie ich glaube zu sein oder sein will (oder nicht sein will). Ich leide sehr darunter, dass ich es tue. Ich litte aber auch sehr darunter, wenn ich es nicht mehr tun würde, vielleicht sogar mehr.

Twitter ist also therapeutisches Werkzeug um dem Leben Stand zu halten. Das passt wiederum nicht sonderlich gut zu meinem Anspruch in den paar Dingen, die ich ernst nehme, gut sein zu wollen. Meine Tweets sind daher sehr inkonsistent. Wäre ich etwas weniger auf die therapeutische Seite des Tweetens angewiesen, dann gäbe es vermutlich mehr Wissenschaftsgeschichte und historische Epistemologie zu lesen. So bricht zwischen dem Beichten lediglich ab und an ein Tweet dieser Sorte durch, wirft Licht auf das, was ich als Hauptbeschäftigung in meinem Leben zu etablieren versuche. Das funktioniert natürlich alles nicht. Auch meine paar kläglichen Versuche über Twitter so etwas wie Offline-Kommunikation zu etablieren scheiterten meistens. Ich habe zu tun, ich komme nicht runter zum Spielen, ich habe keine Zeit, kein Geld, keine Lust, darf nicht, will nicht. Nur ganz selten lasse ich mich davon überzeugen, dass Leute aus dem Internet treffen etwas bringt und auch dann ziehe ich mich meistens schnell wieder zurück. Aber auch hier ist die Inkonsistenz wieder die Königin. Denn natürlich treffe ich Leute und möchte das ja auch gerne. Große Teile meines Bekanntenkreises sind nicht sonderlich Internet-affin. Und klar möchte ich die Diskurse, die mich während der Twitter-Beichte umspülen am liebsten auch noch mitgestalten. Und ich bin in Berlin, es gäbe und es gibt tausend Chancen dazu.

Am Ende ist es so: Ich kann nicht klagen, weil ich die ganze Zeit ohnehin klage. Ich erzähle all das niemandem, denn es ist ja schon gesagt. Das hässliche Ich steht ja schon im Internet und benimmt sich daneben. Das macht frei, denn es gibt dem nicht ganz so hässlichen, bemühten Ich eine Chance. Dieser Split lässt mich überhaupt etwas tun. Ich kann dann lesen und schreiben und meine zwei drei Dinge, die ich ernst nehmen will, auch wirklich über längere Zeit ernst nehmen. Die Alternative wäre, darüber nachzudenken was ich alles falsch gemacht hätte, dann aber nichts zu sagen und daran zu verzweifeln, anstatt weiter zu handeln. Dann lieber Psycho und Emo online. Dann lieber unglücklicher Exhibitionist. So lange dieses Placebo halt noch wirkt.

Und so schlimm ist es ja dann auch wieder nicht.

#indiebookday als Indie-eBook-Day

Heute ist #indiebookday. Und ich habe erst vor einer halben Stunde davon erfahren. Trotzdem wollte ich gerne mitmachen und kaufte deshalb ein paar eBooks.

Buch Nummer 1: Stefan Beuse “Wie schießen Gummibänder zu den Sternen”

#indiebookday als Indie-eBook-Day

Gekauft bei beam – der eBook Shop. Der Bestelvorgang war einfach und die Seite übersichtlich. Nicht so übersichtlich, wie andere Shops, aber übersichtlich genug – und zu den anderen Shops kommen wir ja erst noch. Jedenfalls schien die Auswahl bei beam verhältnismäßig groß zu sein und sich hauptsächlich aus dem Angebot von Indieverlagen zu speisen (gab aber auch Perry Rhodan). Der Schwerpunkt scheint auf Science Fiction zu liegen.

Da ich aber an Science Fiction so richtig nie ran kam, war ich froh, dass es auch andere Bücher gab. Kurzgeschichten sind zum Beispiel super. Noch besser, wenn sie im Hier spielen und nachvollziehbar sind. Ich mag es, wenn die scheinbar langweilige Gegenwart literarisch betrachtet und dadurch plötzlich spannend wird. Das Buch von Stefan Beuse verspricht in etwa das. Ich zitiere aus dem Artikeltext:

Kurios und verspielt, verblüffend und verquer, so setzen diese Geschichten ein. Sie tauchen ab in die Welt der Alltagsobjekte, entdecken hinter der scheinbar vertrauten Oberfläche immer wieder poetische Tiefe und überraschenden Witz.

Ich bin schon gespannt. Erschienen ist das Buch im CulturBooks-Verlag, der seine Bücher nach Kategorien aus dem Plattenladen ordnet (kurze Texte sind ne Maxi, andere Alben, manche Lonplayer).

Buch Nummer 2: Stephan Porombka (Hg.): “Über 140 Zeichen”

#indiebookday als Indie-eBook-Day

Gekauft bei minimore.de. Dieser Laden bezeichnet sich selbst als “E-Book-Boutique”, was ich zugegebenermaßen etwas albern finde. Aber es ist ein schöner Shop. Sehr übersichtlich, sehr einfach zu benutzen und bestückt mit 100 Prozent indie-Literatur, soweit ich das beurteilen kann. Schwerpunkt scheinen Texte von mehr oder weniger bekannten Leuten aus dem Internet (hauptsächlich Twitter) zu sein.

Dieses 140-Zeichen-Buch wollte ich ohnehin kaufen. Und da es bei minimore vom gleichen Typen, der das Buch rausgebracht hat, noch so ein Buch gibt, was ganz interessant aussieht, habe ich das also bei minimore bestellt.

In diesem eBook öffnen Autoren ihre Twitterwerkstatt. In Essays zeigen sie, wie sie an einzelnen Tweets arbeiten. Sie verraten, welche Idee von Kreativität dahinter steckt, wenn sie für ihre Timeline auf dem Bildschirm des Computers oder Smartphones schreiben.

P.S.: Ich folge auch seit kürzerem dem Stephan Prombka und dem Frohmann-Verlag, was auch ein Grund war, mir deren Kram mal genauer anzusehen.

Buch Nummer 3: Aboud Saeed: “The Smartest Guy on Facebook”

#indiebookday als Indie-eBook-Day

Gekauft bei ocelot, einem Indiebuchladen in Berlin, den ich eigentlich seit Wochen besuchen will. Das eBook-Angebot des zum Laden gehörigen Online-Shops ist noch ziemlich dünn und was es gibt, ist meistens auch nicht gerade Indie. Aber versteckt unter “EBOOOKS” und dann “Empfehlungen” findet man tatsächlich vier Bücher aus dem Verlag mikrotext.

Aus diesem übersichtlichen Angebot habe ich mir “The Smartest Guy on Facebook” ausgesucht. Darum geht es:

More than two years ago, the Syrian people revolted against the government, which then brutally fought back. At about the same time, 30-year-old Aboud Saeed began his personal revolution on Facebook. His daily status updates have become a literary documentation of his life.

Leider war der Einkauf nicht so instantan, wie bei den anderen beiden Läden, wo zwischen Bezahlung (per Paypal bzw. Bankeinzug) und Download nicht mehr Zeit verging, als ich brauchte um die Downloadlinks zu meinen ePub-Files anzuklicken.

Vom Laptop auf den Reader

Ich besitze einen Kindle der dritten Generation und er ist nach wie vor großartig. Scheiße ist nur, dass man damit keine ePubs direkt ansehen kann. Das Problem ist aber leicht umgangen, wenn man die Open-Source-Anwendung Calibre verwendet. Das habe ich gemacht. Die ePub-Files habe ich einfach auf Calibre gezogen, meinen Kindle an den Rechner angeschlossen und die Bücher wurden von dem Programm in das Amazon-eigene Format umgewandelt und direkt an den Kindle übertragen.

Fazit

Alles ziemlich unproblematisch. Machen wir im Hause openmedi ab jetzt vielleicht öfter. Am besten hat mir der minimore-Laden gefallen, obwohl auch beam etwas für sich hatte. Bei ocelot muss man definitiv noch nachbessern, wenn man ernsthaft indie-eBooks-Online-Shop sein will, aber das wissen die Damen und Herren sicher auch selber.

Wrong kind of snow: Time to forget the Two Cultures

There should be a version of Godwin’s law that applies to science communication. It would be something like this: “As any discussion of science communication grows longer, the probability of an explanation involving Snow’s Two Cultures approaches 1.”

Wurde mir erst kürzlich in die Timeline gespült. Insbesondere der letzte Absatz, der auf den “second look” von Snows einflussreichen Text hinweist, ist spannend:

In 1963, when he revisited the problem with a “second look”, Snow acknowledged that a new “third culture” was emerging from a “mixed bag” that included history of science, social history, sociology, economics and psychology. To modern eyes this Third Culture looks a lot like Science and Technology Studies.