Planet History

Autor: Udo Heitzmann

Von Winniza nach Niederrad und weitere Beiträge zur Lokalgeschichte eines Stadtteils

Die Nebenrecherchen eines StadtteilHistoriker-Projekts

Die Broschüre „Von Winniza nach Niederrad und weitere Beiträge zur Lokalgeschichte eines Stadtteils“ stellt die Ergebnisse mehrerer „Nebenrecherchen“ vor, die während der Arbeit an einem StadtteilHistoriker-Projekt der IV. Staffel zum Thema der Geschichte der Abwasseruntersuchungen in Frankfurt am Main, fertiggestellt worden sind.
 
In der Einleitung heißt es dazu:
„Unbeabsichtigt aber nahezu zwangsläufig führte die über technische Details der Abwasseranalytik begonnene Recherche zu Namen. Und die Namen führten zu Menschen, aus deren Leben immer mehr persönliche Details zu Tage traten […].
Was nun? All die vielen, aus unterschiedlichen Quellen zusammengetragenen Mosaiksteinchen von Lebensgeschichten einfach wieder zwischen den staubigen Aktendeckeln eines dunkeln Archivs versenken und vergessen? Nur weil sie nicht zum ursprünglichen Thema passten?“
 
Nein. Aus den „Mosaiksteinchen“ entstand diese Broschüre.
Ihr erster Beitrag informiert über die Geschichte eines in den Jahren 1902 – 1904 errichteten, auffallend schönen Fachwerkgebäudes mit Wassertürmchen, auf dem Gelände der Kläranlage in Niederrad. Er informiert über die ursprüngliche Nutzung als Betriebs- und Verwaltungsgebäude mit eigenem Abwasselabor unter der Leitung des Lebensmittelchemikers Dr. Josef Tillmans, über die Belegung des Gebäudes während der ersten Jahre des 2. Weltkriegs durch eine Reserve-Flak-Kompanie, über die Einrichtung eines Abwasserlabors für das Stadtentwässerungsamt im Jahr 1956 und über den allmählichen Aussbau desselben zum modern eingerichteten Umweltlabor der Stadt Frankfurt.
 
Ein farbenprächtiges Kachelmosaik im Eingangsbereich des Gebäudes führt zum zweiten Beitrag. Dieser beschäftigt sich mit Hellmuth Eichrodt, dem Schöpfer dieses Kunstwerks. Eichrodt war Schüler von Hans Thoma, gehörte zur Gruppe der Majolika-Künstler in Karlsruhe, illustrierte die erste Ausgabe von Karl Mays „Sklavenkarawane“, …
Den Auftrag für die Schaffung dieses nahezu wandfüllenden Kunstwerks im Gebäude einer Kläranlage erhielt Eichrodt durch die Geigersche Fabrik in Karlsruhe, der die technische Ausstattung für die Erweiterung der unterirdischen Klärbeckenanlage übertragen worden war. Dieser Fabrik und ihrem noch vorhandenen „Nachlass“ in Form schwerer, eiserner Handräder, metallener Spindeln und Ketten an den Schützen zum Absperren der alten Klärbecken, ist ein weiterer Beitrag gewidmet.
 
Das Kapitel, das der Broschüre den Namen gab, beschäftigt sich mit dem 5. November 1944. An diesem Tag starben während eines amerikanischen Luftangriffs auf wirtschaftliche Strukturen des Nationalsozialismus in Frankfurt, auch in Niederrad zahlreiche Menschen. Darunter französische Kriegsgefangene und „Zivilrussen“, die sich in einem unterirdischen Schutzraum der Kläranlage aufhielten. Die „Zivilrussen“ waren Männer aus Winniza (Vinnytsya) in der Ukraine, die in einem Lager, unweit der Kläranlage, auf dem Gelände der „Feinlederwerke Niederrad“, (vor der Arisierung „J.H. Epstein A.G.“) untergebracht waren und wahrscheinlich für diese Firma als Zwangsarbeiter arbeiten mussten.
 
Im letzten Beitrag wird ein Wissenschaftler gewürdigt, dessen Namen unter dem Datum des 27.11.1919 im Betriebstagebuch der Kläranlage genannt wird: „Abgabe einer Zentr. Schlamm- und Klärbeckenablaufwasserprobe an Prof. Dr. Bechhold“.
Bechhold, der in der Niederräder Landstrasse wohnte, analysierte gegen Ende des vorletzten Jahrhunderts den Fettgehalt des Frankfurter Klärschlamms in der Absicht, die deutsche Seifen- und Kerzenindustrie von Öl- und Fettimporten zu entlasten. Seine eigentliche wissenschaftliche Bestimmung fand Bechhold aber erst Jahre später durch die Schaffung des Frankfurter Instituts für Kolloidforschung, dessen erster Direktor er wurde. Ihm gelang durch die Erfindung der Ultrafiltration erstmals die Filtration kolloid vorliegender biologischer Flüssigkeiten. Die regelmässige Betreuung ausländischer Wissenschaftler am Institut förderte die weltweite Verbreitung der noch jungen Kolloidwissenschaft. Da Bechhold jüdischer Abstammung war, verlor er nach 1933 seine Lehrerlaubnis an der Frankfurter Universität und sein Name wurde allmählich totgeschwiegen.
 
Die Broschüre „Von Winniza nach Niederrad …“ umfasst 49 Seiten in Klammerheftung, enthält mehrere s/w und vier Farbbilder und kann um 5 Euro zzgl. Versandkosten unter der eMail-Adresse des Verfassers: UHz@gmx.net bestellt werden.